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 Alpen Vorkommen,  hingegen  52,  die  aus  den Alpen  stammen  und  
 nicht bis  Skandinavien  verbreitet  sind.  Dasselbe  ergiebt  sich  auch  
 aus  der Vergleichung anderer Gebirgsfloren.  Wichtiger  ist  die That-  
 sache,  dass  die  endemischen Pflanzen  der Alpen  in  ungleich  grösserem  
 Verhältniss  an  trockene  Standorte  gebunden  sind,  dagegen  
 diejenigen,  welche  auf  sumpfigem  oder  von  Schneewasser  durchnässtem  
 Boden  gedeihen,  im  Norden  am  häufigsten  wiederkehren.  
 Unter  den  endemischen  Arten  der  Alpen  schätzt  Christ  die  des  
 trockenen  Bodens  auf  fünf  Sechstel  der  Gesammtzahl,  unter  den  
 nicht  endemischen  die  Wasser  bedürfenden  auf  drei  Viertel.  Die  
 Erscheinung  ist  dem  allgemeinen Verbreitungsgesetze  der Wasserpflanzen  
 des  Binnenlandes  analog  und  beruht  hier  zugleich  nicht  
 bloss  auf der  gleichmässigeren,  sondern  auch  der geringeren Wärme  
 des Bodens,  in welchem  diese Pflanzen  wurzeln,  und wo  ihnen  ein  
 weiterer Spielraum  gewährt wird,  an  geeigneten  Standorten  sich  anzusiedeln. 
 Der Austausch  der Pflanzen zwischen Orten,  die  weit  von  einander  
 entfernt  liegen,  wie  die Alpen  von Norwegen,  oder  gar  von  
 Lappland und  Spitzbergen,  hat vielen Naturforschern  nie  recht  einleuchten  
 wollen.  Ich  theile  diese Bedenken  nicht,  da Wanderungen  
 des  Samens  durch  die Luft,  durch  den Wind  oder  durch Zugvögel  
 vermittelt,  über  die Zwischenländer,  deren Klima nicht geeignet  ist,  
 recht wohl möglich  erscheinen.  Auch vermehren  sich  die Beobachtungen  
 keimfähiger Samenkörner  im Kropf oder zwischen den Federn  
 der Vögel,  je mehr man darauf  zu  achten  anfängt I2°).  Gewichtiger  
 ist  der  Einwurf,  dass  ein  ähnliches Verhältniss,  wie  zwischen  den  
 Pflanzen der Alpen und Lapplands,  auch bei solchen grösseren Thierformen  
 erkannt worden  ist,  bei  denen  eine Wanderung  vom  hohen  
 Norden  bis  zu  den Gebirgen Mitteleuropas  nicht angenommen  werden  
 kann.  Die  Spekulationen über  die Eishülle,  die  in der Periode,  
 die man sonst Diluvium  zu  nennen  pflegte,  den Erdboden  bedeckt  
 haben  soll,  fanden  hier  ein  bereites  Feld,  sich  zu  versuchen.  Die  
 Standorte  der  arktischen Gewächse  auf den Alpen waren den Anhängern  
 dieser Lehre  die Ueberreste  einer  Flora,  die  ehemals,  als  die  
 Gletscher  sich  zurückzuziehen  begannen,  durch  das  heutige Waldgebiet  
 allgemein  verbreitet  war.  Die  Untersuchungen  über  das  
 Wohngebiet  des Rennthiers  in  vorhistorischen  Zeiten  scheinen  diese  
 Ansicht  keineswegs  zu  unterstützen.  Als  dieses  Thier  in  Mitteleuropa  
 lebte,  war die Erde  bereits  längst bewohnt  und  stand  nicht  
 mehr  in  einer  anderen  geologischen Periode.  Das  nordische Thierleben  
 ist  verdrängt  worden  oder  hat  sich  zurückgezogen,  als  der  
 Ackerbau  die  Wälder  zu  lichten  und  nun  das  kontinentale  Klima  
 einem milderen Himmel  zu weichen  anfing.  So  mögen auch manche  
 Pflanzen,  die  einst,  als  das  Klima  der  hercynischen  Wälder  noch  
 rauher  war,  die  Tiefländer  zwischen  den  Alpen  und  Skandinavien  
 bewohnten,  sich  in  historischer  Zeit  verloren  haben,  und  dadurch  
 mag  der Abstand erweitert  sein,  der  ihre heutigen Pundorte  trennt,  
 ohne  dass man  allgemeine  geologische Aenderungen  des Erdkörpers  
 anzunehmen  nöthig hat. 
 Vergleicht man  die Höhengrenzen  der Bäume  in  südlichen Gebirgen  
 mit  der Verbreitung  derselben Arten  in  den Ebenen  des Nordens  
 ,  so  zeigen  sich  in  gewissen  Fällen  eigenthümliche  Unregelmässigkeiten, 
   die  einer physiologischen Erklärung bedürfen.  Da  die  
 klimatischen Einflüsse  nach  vertikalen  und  horizontalen  Richtungen  
 sich  nur  in  beschränkter  Weise  gleichen,  so  ist  es  eigentlich  auffallend, 
   dass die Symmetrie in der Anordnung der meisten Gewächse,  
 die  ihre  klimatischen Höhen-  und Polargrenzen  erreichen,  so  gross  
 ist.  Man  sollte  erwarten,  dass  die Waldbäume,  deren  klimatische  
 Sphäre  sich  uns  individuell  so  verschieden  zeigte,  in  vertikalem und  
 horizontalem Sinne weit ungleichmässiger sich verhalten müssten,  als  
 dies  der Fall  ist.  Die meisten  verschwinden  in  den Alpen  nach  aufwärts  
 in  derselben Reihenfolge,  wie  sie  in  den Ebenen Skandinaviens  
 und Russlands  ihre  Polargrenzen  erreichen.  Das  gemeinsame Moment  
 ,  welches  in  der Dauer  und Verkürzungsfähigkeit  ihrer Vegetationsperiode  
 liegt,  ist  von  grösserer  Bedeutung  als  die  feineren  
 klimatischen  Einflüsse,  die  ausserdem  ihre  Anordnung  bestimmen  
 könnten.  Wahlenberg  hatte  indessen  bei  seinen  vergleichenden  
 Untersuchungen  über  die  Vegetation  der  Schweiz  und  Lapplands  
 Abweichungen  von  dieser Symmetrie  bemerkt  und  behauptet,  dass  
 die Bäume  in  den  nordischen Ebenen  einem  anderen Verbreitungs-  
 gesetze  folgten  als  in  den Waldregionen  der Alpen.  Dieser Ansicht  
 trat Martins  I21)  entgegen,  der nachwies,  dass  im Berner Oberlande  
 diese  Verhältnisse  den  skandinavischen  weit  ähnlicher  seien  als  in  
 der nördlichen  Schweiz,  wo Wahlenberg  seine  Untersuchungen  angestellt  
 hatte.  Auf  der  Grimsel  blieb  ihm  nur  eine  einzige Abweichung  
 übrig,  als  er die Höhengrenzen  der  dortigen Bäume mit  ihren  
 Polargrenzen  in Norwegen  verglich.  Diese Ausnahme  ist auch  jetzt 
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