Bäume in dem kontinentalen Klima Sibiriens hinaus. Zwar pflegt
man die sibirischen Lärchen31) als besondere Arten von derjenigen,
welche Europa bewohnt, zu trennen , aber da die Unterschiede geringfügig
und veränderlich sind, erscheint es naturgemäss, sie nur
als klimatische Varietäten aufzufassen. Ueberhaupt ist unter den
sibirischen Coniferen nur die Pichta-Tanne [Pinus Pichtd] mit Sicherheit
als eigenthümliche Art zu betrachten. Sie geht nicht so weit
nach Norden als die übrigen Nadelhölzer [Samojedenland 64°, Ural
62°, Jenisei 67°, Lena 600] 32), ihre klimatische Sphäre ist aber doch
von der der verwandten Edeltanne [P. Picea) höchst abweichend.
Von den übrigen immergrünen Coniferen Sibiriens sind zwei mit
denen Europas und der Alpen identisch (P. sylvestris und Cembra),
die dritte [P. obovata\ 33) ist wahrscheinlich auch nur eine klimatische
Varieät von der Fichte oder Rothtanne [P. Abies), mit der sie sich
im Norden des europäischen Russlands berührt. Dass dieser geographische
Zusammenhang bei den Lärchen und Cembra-Kiefern
nicht besteht, sondern die nordöstlichen Wohngebiete von denen der
Alpen durch weite Zwischenräume getrennt sind, wo diese Bäume
nicht gedeihen, ist kein Grund, in dem einen Fall eine Verschiedenheit
der Art, in dem andern eine Abstammung von gesonderten
Vegetationscentren anzunehmen. Es ist vielmehr ein ähnliches Ver-
hältniss wie die Verknüpfung der Alpenflora mit Lappland durch
identische Arten, eine Verbindung, die aus Wanderungen und klimatischen
Aenderungen zu erklären später versucht werden wird. Ist
es ein bestimmtes Maass des solaren Klimas, wodurch eine. Pflanze
an höhere Gebirgsregionen gebannt wird, so kann sie unter demselben
Meridian im Norden wiederkehren, liegt dagegen nur die verkürzte
Vegetationszeit zu Grunde, so wiederholen sich ihre Lebensbedingungen
in nordöstlicher Richtung und sind in den dazwischen
liegenden Gegenden nicht vorhanden. Mag man nun aber die sibirischen
Rothtannen und Lärchen als besondere Arten oder nur als
Varietäten auffassen, in beiden Fällen ist ihr Wohngebiet der reinste
Ausdruck des Kontinentalklimas, dessen Uebergang in das europäische
Seeklima nach Dove durch die Kette des Ural bezeichnet
wird. Ihre südwestliche Vegetationslinie hat man die Grenze der
sibirischen Nadelhölzer genannt, sie geht, mit der der Pichta-Tanne
und der Cembra-Kiefer nahe übereinstimmend, vom weissen Meere
aus zum mittleren Ural34) und umfasst also ausserhalb Sibiriens nur
die nordöstlichen Wälder des europäischen Russlands.
Die Flora der nördlichen Mandschurei oder des Amurlandes mit
ihrem Wechsel von Laub- und Nadelhölzern ist durch Gebirgsketten
von Sibirien abgesondert, derenHauptaxe von Südwesten nachNord-
osten streicht. Dieses Gebiet, wo das Klima noch den kontinentalen
Charakter Sibiriens vollständig bewahrt, ist zwischen der Chingan-
Stanowoikette und den Küstengebirgen eingeschlossen. Hier bedecken
Laubwälder, von üppigen Grasfluren unterbrochen oder
gelichtet, das Tiefland, die Baumarten sind eigenthümliche, aber
gehören grösstentheils zu europäischen Gattungen, die sibirischen
Nadelhölzer fehlen zwar nicht, bewohnen aber das Gebirge. Gerade
da, wo der Amur, zwischen dem chinesischen Chingafi, dem östlichen
Randgebirge der hohen Gobi, und dem sibirischen Stanowoi durchbrechend,
in dieses Florengebiet eintritt [bei Albasin 53 N.B.j findet
sich die nordwestliche Vegetationslinie einer Eiche (Quercus mongo-
lica), einer Art, die, zwar »von magerem, kümmerlichem Wuchs«,
doch dadurch merkwürdig ist, dass sie durch die ganze nördliche
Mandschurei »als Charakterbaum der Amurflora«34) sich verbreitet.
Das Eichengeschlecht bezeichnet daher hier im äussersten Osten des
Kontinents, an das Gebirge sich anlehnend, aber dasselbe nicht überschreitend,
ein ähnliches Vegetationsgebiet wie diesseits des Ural.
Auf den weiten Räumen Nordasiens, von den östlichsten Stämmen
der europäischen bis zu den westlichsten der Amur-Eiche ist dagegen
die Gattung unvertreten. Allein die klimatischen Bedingungen, unter
denen beide Arten stehen, haben wenig Beziehung zu einandei. Im
Amurlande ist die Sommerwärme nicht höher als in den südlichen
Landschaften Dauriens, von denen der Chingan sie trennt, die Winterkälte
nicht minder streng3S) . Selbst den Boden fand Radde noch
in der Tiefe dauernd gefroren und erlebte eine Kälte von 35‘’ R unter
dem Gefrierpunkte3Ö). Erst im Mai löst sich das Eis des
Stroms37), und die Belaubungszeit der Bäume dauert nicht viel übei
vier Monate38). Nur die um so viel verlängerte Vegetationszeit und
die grosse Feuchtigkeit des Sommers scheinen es zu sein, wodurch
die Laubhölzer des Amurlandes sich von den Nadelwäldern der
sibirischen Ebene und von den Steppen Dauriens scheiden. Auch
der Winter gewährt am unteren Stromlauf durch grosse Schneemassen
der Vegetation einen Schutz gegen die Kälte, während diesseits
des Chingan gerade die kalte Jahreszeit an Niederschlägen die
ärmste ist 39). Hier zeigt sich der Einfluss, den die Wüste Gobi
auf die Trockenheit des Klimas auch von Sibirien ausübt, wo