XV. Mexikanisches Gebiet.
Die pacifische Abdachung des mexikanischen Hochlandes ist
weniger einfach gebaut als die schmale und stärker geneigte Golfzone.
In der westlichen Andenkette unterschied Humboldt vier
grosse, terrassenförmig geordnete Längsthäler, die man, von Pass
zu Pass fortschreitend und bald in die gemässigte und heisse Landschaft
hinabsteigend, auf dem Wege von der Hauptstadt nach Aca-
pulco (i7°N. B.) quer durchschneidet. Gegen die Golfzone steht
der Reichthum der Flora zurück, da nur kürzere Zenithregen ein-
treten und ein geringeres Maass von Feuchtigkeit den Boden benetzt.
Ein Wald, so üppig und formenreich wie am Orizaba, ist hier nicht
anzutreffen, und zugleich werden die Höhengrenzen der Waldregionen
in ein tieferes Niveau herabgedrückt. Die Nadelhölzer, die nach
Humboldts Beobachtung1) am Golf nicht unter 5700 Fuss herabsteigen,
beginnen über der Küste von Mazatlan (190 N. B.) schon
bei 3000, die Eichen bei 2000 Fuss l8).
Diese Depression der Niveaus gleicher Vegetationsformen, wodurch
die Ausbreitung des Tropenwaldes gehemmt wird, ist eine
allgemeine Erscheinung an der pacifischen Abdachung Mexikos und
Mittelamerikas überhaupt, bis zum Isthmus von Panama ward sie
nachgewiesen. Auf dem Viejo, einem Vulkan Nicaraguas an der
Fonseca-Bai (i3°N. B.), dem südlichsten Punkte, bis zu dem an
dieser Küste die Nadelhölzer (in der Form von Kiefern) beobachtet
worden sind, fand Oersted *9) dieselben ebenfalls schon bei 3000 Fuss
Höhe, die Eichen steigen daselbst bis 1500 Fuss herab. Man kann
in diesen Thatsachen eine Wirkung isolirter Gebirgslagen erblickenz0),
da am stillen Meere der Einfluss der Massenerhebung des Kontinents
aufgehoben ist und hiedurch die senkrechte Abnahme der Wärme
beschleunigt wirdl6). Die Uebereinstimmung des frei aus der Küstenebene
gehobenen Viejo mit den sanft ansteigenden und durch tiefe
Thäler unterbrochenen Andenketten von Mazatlan würde hiernach
verständlich sein. Allein es lassen sich gegen diese Auffassung Einwürfe
erheben, die näher zu prüfen sind. Die hohe Kordillere von
Vera Cruz steht zwar unter dem Einflüsse der Hochebene von Puebla,
mit welcher sie unmittelbar zusammenhängt, aber an der dem Golf
zugewendeten Abdachung sind die oberen Waldregionen mit Einschluss
der Nadelhölzer durch die Bewölkung vor der Insolation geschützt,
so dass man, wie in Sumatra, hier vielmehr eine Depression
der Vegetationsgrenzen erwarten sollte. Indessen zeigen die Temperaturmessungen
Liebmann1 s am Orizaba16), dass daselbst unge-.
achtet des bewölkten Himmels die senkrechte Abnahme der Wärme
ebenso sehr verlangsamt wird wie auf dem Hochlande selbst. Durch
die Massenerhebung wird die gehemmte Sonnenwirkung ausgeglichen.
Wir finden hier demnach entgegengesetzte Erscheinungen wie auf
den Sunda-Inseln. Die Nadelhölzer wachsen in demselben Niveau
wie unter dem heiteren Himmel der Hochebene : dieselbe Tanne [P.
religiosa) bewohnt sogar eine noch höher gelegene Region2I) als dort.
Ein bedeutenderes Licht auf die vorliegende Frage werfen die Beobachtungen
auf dem Isthmus. In Costarica, wo die Hochebene von
Karthago im Verhältniss zu Mexiko von geringfügiger Ausdehnung
ist, hebt sich am karaibischen Abhang (io° N. B.) ein aus Palmen
und anderen tropischen Baumformen gemischter Wald fast bis zum
Kamm der Kordillere. Jenseits desselben findet man in der offenen
Landschaft fast nur Savanengehölze und erreicht den Tropenwald
erst in der Nähe der Küste. Auch hier zeigt sich also derselbe
Unterschied der pacifischen von der den Wolkenbildungen des Passatwindes
unterworfenen Abdachung zum karaibischen Meer. Mit der
durch die Hochebenen in senkrechter Richtung verlangsamten Abnahme
der Wärme scheint sich in Mittelamerika ein anderer Einfluss
zu verbinden, durch welchen die Höhengrenzen der Vegetation bestimmt
werden. Die tropischen Bäume, welche einer intensiven Benetzung
des Bodens bedürfen, müssen an den pacifischen Abhängen,
wo ihnen diese fehlt, in einem tieferen Niveau Zurückbleiben als an
der Passatseite Mexikos und Costaricas. Hier können sie ihrer Temperatursphäre
folgen, dort nur so weit, wie die Wirkung der feuchten
Seeluft reicht. In die Regionen, welche sie frei geben, steigen
die Nadelhölzer und Eichen, die Bäume des gemässigten Klimas,
herab, gerade so, wie die alpine Vegetation der südeuropäischen
Gebirge in einem tieferen Niveau beginnt, weil die Baumgrenze
durch Mangel an Feuchtigkeit herabgedrückt wird. Nach dieser
Auffassung würde der Unterschied der mexikanischen Ostküste von
der Vertheilung der Vegetation in Sumatra darauf beruhen, dass
dort der Plateaueinfluss und die Feuchtigkeit elevirend, hier die
durch Umwölkung geminderte Wärme deprimirend auf die Höhen—
grenzen von Bäumen wirken, die, wenn auch denselben Gattungen,
den Eichen und Nadelhölzern angehörend, doch deshalb in der klimatischen
Sphäre der Arten noch nicht durchaus gleichzusetzen sind.
Die pacifische Abdachung, von den Niederschlägen des Passatwinds
unbenetzt, unterscheidet sich dadurch von der Ostküste des
Gr i s eba c h , Vegetation der Erde. II. 2. Aufl.
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