254 X II. Waldgebiet des westlichen Kontinents.
rieen und der Hudsonsbai am schmälsten ist. Kanada erscheint daher
in weit höherem Grade abgesondert als die Westhälfte des Kontinents.
Die östlichen Staaten haben, von zwei Meeren und den
Prairieen eingeschlossen, in Bezug auf den Austausch mit anderen
Floren gleichsam eine insulare Lage und stehen nur durch einen bewaldeten
Isthmus am Winipegsee mit dem Westen in Verbindung'.
Die Trennung der Oregonflora von der der atlantischen Laubholzzone
wird ferner dadurch befördert, dass dieser Isthmus durchaus
von der nordischen, also einförmigeren Zone der weissen Tanne eingenommen
wird, und dass ausserdem noch die Rocky Mountains dazwischen
liegen, welche den Austausch zwischen dem Westen und
Osten hemmen. Asa Gray46) hat durch seine Vergleichungen ermittelt,
dass nahezu der vierte Theil (515 Arten) der in der nördlichen
Laubholzzone einheimischen Pflanzen die Rocky Mountains
nicht überschreitet, und dass vier Fünftel derselben (1675 Arten) das
Küstenklima des stillen Meers nicht erreichen. Hiedurch erhalten
wir einen Maassstab, wie die Absonderung der Vegetationscentren
durch das Relief, aber in viel höherem Grade durch den Wechsel des
Klimas befördert wird. Ueber das Verhältniss der südlichen und
nördlichen Staaten sind ähnliche Untersuchungen noch nicht angestellt
worden. Wir wissen nur, dass in diesen ununterbrochenen
Ebenen zu beiden Seiten der Alleghanys der Austausch, soweit das
Klima es gestattete, unbehindert war. Asa Gray konnte als endemisch
für die nördliche Laubholzzone nur 71 Arten (etwas über
3 Procent der Gesammtzahl) aufzählen. In den südlichen Staaten
wird der Endemismus viel stärker ausgeprägt sein, weil die nördlichen
Pflanzen leichter nach Süden als die südlichen nach Norden
Vordringen können.
Die Selbständigkeit der Flora des nordamerikanischen Waldgebiets
ist in einer grossen Zahl ei'genthümlicher Gattungen ausgedrückt.
Asa Gray findet, dass von denen allein, welche die nördliche
Laubholzzone belohnen, reichlich die Hälfte (694:353) der
europäischen Flora frerhd ist, beinahe der vierte Theil auch der
asiatischen. Er erklärt 120 Gattungen als charakteristisch für diesen
Theil des Gebiets und zählt unter diesen 37 monotypische auf, eine
Zahl, die betiächtlich höher ausfallen würde, wenn man das ganze
Waldgebiet zusammenfasst. Kontinental erscheinen die endemischen
Gattungen in doppelter Beziehung, einmal insofern die meisten nicht
monotypisch, sondern durch Reihen endemischer Arten vertreten
Systematischer Charakter der Flora. 255
sindS3) , sodann durch ihre zwar meist bestimmt eigenthümliche,
aber doch den grösseren Familien sich anschliessende Organisation.
Die Fälle von zweifelhafter systematischer Stellung sind hier selten
(z.B. Galax neben den Ericeen): die Familien werden eben dadurch
gross und natürlich, dass ein weiter, kontinentaler Raum der Entstehung
verwandter Organisationen geboten war. Wie auf dem östlichen
Kontinent in der gemässigten Zone die Umbelliferen und
Cruciferen sich reich entfaltet haben, so hier gewisse Gruppen der
Synanthereen und Ericeen.
Unter den Familien zählt Asa Gray46) 26 Gruppen oder isolirte
Gattungen, die nicht in Europa Vorkommen, aber grösstentheils den
wärmeren Gegenden angehören und in der nördlichen Laubholzzone
kaum 3 Procent der Phanerogamen ausmachen. Die meisten dieser
Familien finden sich auch im östlichen Asien (18), unter den übrigen
sind nur die Hydrophylleen als rein amerikanischer Typus bemer-
kenswerth. Von diesen sind nämlich jetzt bereits 13 Arten aus den
nördlichen atlantischen Staaten bekannt geworden. Andere ebenfalls
auf Amerika beschränkte Familien, die Cacteen , die Loaseen und
Bromeliaceen berühren das Waldgebiet kaum oder sind daselbst nur
durch einzelne Arten vertreten.
Der Reichthum der Flora möchte wohl dem des europäischsibirischen
Tieflandes gleichkommen, ist aber auch in den südlichen
Staaten nirgends mit dem des Mediterrangebiets zu vergleichen.
Meine Schätzungen über die Flora des ganzen Waldgebiets, welche
durch die bisherigen Forschungen ziemlich ebenso sehr wie Europa
erschöpft ist, erreichen kaum 5000 Arten. Durch die Abwesenheit
reicher Gebirgsfloren, durch die Gleichförmigkeit der physischen
Einflüsse und die erschwerte Einwanderung aus den Nachbarfloren
erscheint Nordamerika ungeachtet seiner hohen Produktionsfähigkeit
ärmlicher ausgestattet als Europa. Dazu kommt aber auch,
dass das nordamerikanische Waldgebiet, durch die Prairieen und
durch das Zurücktreten' der arktischen Waldgrenze an der Hudsonsbai
eingeengt, wohl nur halb so gross ist als das europäischsibirische
S4).
Die Aehnlichkeit der Lebensbedingungen ist ferner dadurch
angedeutet, dass, obgleich in den einzelnen Waldzonen die Arten so
oft und auch die Gattungen mitunter verschieden sind, doch die vorherrschenden
Familien in höherem Grade unter einander übereinstimmen
, als man erwarten möchte. Die durch einen weiten Raum