dessen Charakter in der östlichen Hemisphäre durch das Festland
Europas bis zum Ural bemerklich war, umfasst in Nordamerika das
ganze Prairieengebiet: kontinentale Gegensätze der Jahrszeiten, wie
sie in den asiatischen Steppen und in Sibirien Vorkommen, finden
sich hier erst im Waldgebiete, in der Nähe des Polarkreises, und so
grosse Extreme der Temperatur, wie dort, werden auch hier nicht
erreicht. Dem Winter und Sommer der nördlichsten Prairieen am
Missouri entsprechen im Steppengebiet die Hochebenen von Armenien,
nach dem Verhältniss der Jahrszeiten ist die Hochebene von
Neu-Mexiko mit Ungarn, das Tiefland von Texas mit Syrien zu vergleichen.
Allein diese Vorzüge des Prairieenklimas werden durch
die das ganze Jahr hindurch anhaltenden Schwankungen der Temperaturkurve
gemindert, die im Norden wie im Süden, auf den
Hochebenen wie an der Abdachung zum kalifornischen Meerbusen
auch in der warmen Jahrszeit häufig mehr als io Grad betragen,
und denen die Organisation der einheimischen Gewächse daher beständig
ausgesetzt ist. Dieser plötzliche Wechsel von Frost und
Hitze erreicht hier einen noch höheren Grad als im Waldgebiet,
weil zu den Bedingungen, die aus der engeren klimatischen Gliederung
des Festlands entspringen, hier noch die Heiterkeit des Himmels
hinzutritt, wodurch der Gegensatz der Insolation des Tages und
der nächtlichen Ausstrahlung erhöht wird.
Vegetationsformen, Durch keine Gruppe von Pflanzen sind
die trockenen Klimate Amerikas von denen der übrigen Erdtheile
schärfer gesondert als durch die Cacteen, indem dieselben, anderswo
nirgends ursprünglich einheimisch13) , eine grosse, selbständige
Familie bilden,- in welcher man bereits gegen tausend Arten unterschieden
hat, ohne dass ihr Bildungsreichthum entfernt erschöpft
wäre. Da der Bau ihrer Ernährungsorgane, die Verwandlung ihrer
Blätter in Dornen, die Anhäufung des Safts in den Stämmen, auf
welche die Funktionen des Laubes übertragen sind, bei gewissen,
jedoch viel weniger mannigfaltigen Succulenten anderer Länder wenigstens
äusserlich nachgebildet wird und doch zwischen diesen
physiognomisch so ähnlichen Gebilden und den Cacteen keine systematische
Verwandtschaft besteht, so haben wir hier eins der ausgezeichnetsten
Beispiele vor Augen, dass die Anpassung an die
äusseren Lebensbedingungen sich auf das vegetative Leben des Individuums
beschränkt, die Entwickelung der zur Erhaltung der Art
dienenden Organe, der Blüthen und Früchte hingegen von ganz
unbekannten Einflüssen der geographischen Tage abhängt, auf die
wir aus der Anordnung der Vegetationscentren schliessen müssen.
Wenn man die Organisation der Blüthen, von welcher unsere heutige
Systematik ausgeht, nicht als ein unerklärt und ursprünglich Gegebenes
ansieht, sondern dieselbe ebenso, wie die klimatische Variation,
von Migrationen ableiten wollte, welch einen weiten Umfang von
Umbildungen müssten die Gewächse anderer Erdtheile durchlaufen,
um eine amerikanische Cactee hervorzubringen. Denn, um nur von
den nächsten Verwandtschaften zu reden, was für seltsame und wie
viele verloren gegangene Mittelstufen müsste man sich vorstellen,
um ein kapsches Mesembryanthemum mit den Cacteen in genetische
Beziehung zu setzen. Hier bliebe nichts übrig, als in die Vorwelt
solche phantastische Gebilde zu verpflanzen, von denen sie uns keine
Denkmale hinterlassen hat und über deren Beschaffenheit keine deutliche
Begriffe möglich sind.
Den höchsten Reichthum der Bildungen, wie wir ihn in unseren
Treibhäusern vereinigt sehen, entfalten die Cacteen mit steigender
und gleichmässiger Wärme in der tropischen Zone, auf den felsigen
Savanen Mexikos und auf den Anden Südamerikas. In den Gegenden
des Colorado erleiden sie während des Winters einen Rückgang
der Saftfülle und nehmen eine röthliche Färbung an **), als wäre
ihnen das ununterbrochene, langsame Wachsthum ein Bedürfniss,
welches sie hier nicht vollständig befriedigen können. Aber ungeachtet
dieser Störungen ihrer Energie, die man kaum als Winterschlaf
bezeichnen kann, bieten die südlichen Prairieen bereits eine
nicht minder grosse AuswahlI3) von eigenthümlichen Arten wie die
Tropen, und unter ihnen sehen wir fast alle Hauptformen der Familie
vertreten. Dann aber nehmen sie in nördlicher Richtung rasch
ab, die massigen und aufrecht wachsenden Gestaltungen verlieren
sich, bis jenseits des Missouri am Rainy Lake (490 N. B.) noch eine
Opuntie [0 . missouriensis) übrig bleibtl6). Diese Art bezeichnet also,
hierin den Zwergpalmen gleichend, den äussersten Grenzbezirk ihres
Vegetationstypus. Und da in den Landschaften des Missouri diese
Opuntie zu den häufigsten Pflanzen gehört, so ist die Physiognomie
des ganzen Prairieengebiets wesentlich durch die Cactusform bestimmt,
um so mehr, als die nordamerikanischen Wälder keine
Cacteen besitzen und an den Küsten der atlantischen Staaten nur die
indische B'eige (Opuntia vulgaris) von den Tropen aus (bis 40° N. B.)
eingewandert ist.