Theile des Festlands , die Zielpunkte , zu denen der Wasserdampf
des Meers am entschiedensten hinstrebt, wo die Atmosphäre durch
Niederschläge am stärksten ausgetrocknet wird. Je mehr Wasserdampf
verloren geht, desto mehr strömt auch wieder aus den seitlich
gelegenen Luftschichten herbei, und desto stärker wird die Verdunstung,
die ihn in der Ferne immer wieder aufs Neue erzeugt.
Aber wirken nicht auch die Wälder in einem ähnlichen Sinne auf die
Bewegungen des Wasserdampfs wie die Gebirge, wenn auch in niederem
Grade? sind sie nicht auch kälter als die offenen Landschaften
des Festlands? Lässt sich dies nachweisen, so muss auch in den
Waldgebieten der Erde die Regenmenge unter übrigens gleichen
Bedingungen grösser sein. Wenn die Beobachtungen in den ver-
hältnissmässig trockenen Ebenen Sibiriens gegen diese Folgerung zu
sprechen scheinen, so ist zu berücksichtigen, dass entgegengesetzte
Einflüsse diese Wirkungen aufheben können, dass durch die Entfernung
des Meers oder durch vorliegende Gebirgszüge den Wäldern
der Wasserdampf entzogen werden kann. Es lassen sich drei physiologische
Verhältnisse anführen, von denen die Temperatur des
Waldes abhängt, und die, in gleichem Sinne zusammenwirkend,
während der Vegetationsperiode eine örtliche Abkühlung und damit
eine Vermehrung der Niederschläge herbeiführen. Zuerst die Beschattung
durch die Laubkronen, welche die Sonnenstrahlen von
den erwärmungsfähigsten Körpern, von den unorganischen Erdkrumen
abhalten, sodann der Wasservorrath sowohl in den festen Geweben,
worin derselbe einen bedeutenden Theil von dem. Gesammt-
gewicht des in der Fülle der Vegetation stehenden Baums ausmacht,
als auch im Boden, der die Feuchtigkeit zurückhält, endlich die
Verdunstung der Blätter, wodurch die Wärme der Umgebungen gemindert
wird: alles dies sind stetig wirksame Quellen der Abkühlung.
Ihre Wirkungen zeigen sich in den Messungen der Temperatur
theils des Holzgewebes der Bäume im Sommer, theils des beschatteten
Bodens im Gegensatz zu der Erdwärme offener Landschaften.
Im Winter treten freilich entgegengesetzte Bedingungen
ein, dann überwiegt die Strahlung aus dem unbewaldeten Erdboden
und bringt hier grössere Kälte hervor, während zugleich die Verdunstung
mit dem Laubabfall aufhört. Aber was im Sommer für die
Beschleunigung der Wassercirculation durch die Atmosphäre von
den Wäldern geleistet wurde, ist als ein positiver Werth in der Regenmenge
des ganzen Jahres enthalten. In den Gebirgen mag die
Verminderung der Niederschläge, wenn sie entwaldet wurden, nicht
immer nachzuweisen sein, weil die Wirkung der Bäume viel geringer
ist als die des kalten Bodens selbst, aber in den Tiefländern der
tropischen Zone, in Indien, in Brasilien, hat man stets den Waldverwüstungen
eine Schwächung der Regenzeit folgen sehen. Ich
o-laube daher gegen die vorhin angeführte Ansicht den Satz aussprechen
zu dürfen, dass die Lichtung der Wälder in Europa die Niederschläge
verringert und das Wärmeklima kontinentaler gemacht
hat. Dieses Ergebniss aber ist nicht bloss wichtig, um im Interesse
des Ackerbaus die Schonung der Wälder zu empfehlen, sondern
wird auch weiterhin eine Anwendung auf die Frage finden, ob in
historischer Zeit die Verbreitungsgrenzen der Organismen sich geändert
haben.
Nachdem nun in der gleichmässigen Mittelwärme der Vegetationszeit
und in der dauernden Benetzung des Bodens durch Niederschläge
die gemeinsamen, klimatischen Bedingungen des Waldgebiets
der östlichen Hemisphäre dargelegt sind, kehren wir zu der Aufgabe
zurück, eine geographische Gliederung desselben nach bestimmten
Vegetationslinien zu versuchen. Der Begriff des See- und Kontinentalklimas,
der hier zu Grunde gelegt werden soll, erfordert eine
nähere Auseinandersetzung, indem diese Gegensätze nicht überall
rein hervortreten. Die verschiedene Erwärmungsfähigkeit desMeeis
und des Festlands durch die Sonne bewirkt, dass die Temperaturkurve
um so stärker gekrümmt ist, je weiter ein Ort von der Küste
entfernt liegt, weil dem Wasser eine gleichmässigere Temperatur
eigen ist, der feste Boden hingegen im Sommer höher erwärmt, im
Winter durch Strahlung stärker abgekühlt wird. Dies ist der allgemeine
Ausdruck des reinen See- und Kontinentalklimas, und die
Vegetation findet daher im Inneren des Festlands heissere Sommer
und kältere Winter, an den Küsten geniesst sie des Vortheils einei
längeren Entwickelungszeit. Allein durch die Untersuchungen Dove s
über die Temperaturkurvenl6) hat sich herausgestellt, dass an den
Ostküsten beider Hemisphären das Seeklima in höheren Breiten
nicht vollständig ausgeprägt ist, sondern die Temperaturkurve ein
gemischtes Verhältniss dieser Gegensätze darstellt und den kühlen
Sommer des Meers mit dem kalten Winter des Binnenlandes veibindet.
Es muss daher in der gemässigten Zone das reine See- und
Kontinentalklima von den gemischten Klimaten unterschieden weiden.
Die grössere Wärme der europäischen Westküste beruht theils
6*