vielleicht in höherem Grade als irgend ein anderer, ist Westindien
durch eine Reihe von Monotypen ausgezeichnet, die unabhängig von
den wechselnden Ansichten der Systematik in jedem Pflanzensystem
unverändert ihren Platz finden müssen, so dass nicht ihre Selbständigkeit,
sondern ihre Stellung zu andern Gruppen Zweifel und
Schwierigkeiten hervorruft 3»). In einigen Fällen sind sie Verbindungsglieder
zwischen zwei natürlichen Familien, so dass deren Grenzlinie
dadurch verwischt wird (z. B. Canella zwischen den Bixinieen und
Guttiferen, Picrodendron zwischen den Juglandeen und Rutaceen,
Theophrasta zwischen den Sapoteen undMyrsineen, Bellonicizwischen
den Gesneriaceen und Solaneen).
Die endemischen Gattungen vertheilen sich unter etwa 40 meist
dikotyledonische Familien: beinahe die Hälfte derselben gehört zu
den Leguminosen (11), Synanthereen (10), Euphorbiaceen (9), Ru-
biaceen (9) und Melastomaceen (5). Endemische Arten kommen in
118 Familien vor. Die Holzgewächse sind unter ihnen überwiegend
vertreten, selten bemerkt man einjährige Pflanzen, was Hooker22)
zu den Eigenthümlichkeiten oceanischer Archipele zählt. Beides
abei erkläit sich wohl daraus, dass die ersteren auf fremdem Boden
übeihaupt schwerer zur Entwickelung gelangen, die letzteren hingegen
sich am leichtesten ansiedeln, weil sie nur kurze Zeit den
Boden einnehmen und, um zu bestehen, um so reichlicher sich besamen
müssen. Es ist ein Ausnahmefall, dass manche in grossen
Beständen wachsende Bäume über die nördlichen gemässigten Breiten
sich weithin ausgebreitet haben. In den* übrigen Zonen sind auch
auf dem Festlande die Wohngebiete der Holzgewächse am kleinsten,
einjährige Pflanzen hingegen auch hier nur selten in ihrer ursprünglichen
Heimath zurückgehalten.
Zwölf P amilien umfassen die grössere Hälfte der westindischen
Phanerogamen 39) : den drei grössten, den Leguminosen, Orchideen
und Rubiaceen stehen die Farne etwa gleich. Der amerikanische
Charakter der Flora zeigt sich zuvörderst in den diesem Kontinent
eigenthümlichen Familien der Cacteen und Bromeliaceen, sodann in
der Zunahme der Melastomaceen, Solaneen und Palmen. Mit Venezuela
und Guiana, als den am nächsten verwandten Floren des Festlandes,
verglichen, ergiebt sich für Westindien als charakteristisch,
dass die Synantheieen, Euphorbiaceen und Urticeen in der Richtung
vom Aequator zum nördlichen Wendekreise vermehrt sind.
XVII.
SÜD AMERIKANISCHES GEBIET DIESSEITS DES
AEQUATORS.
Klima. Südamerika empfängt den nördlichen Passatwind aus
dem karaibischen und atlantischen Meere und unterscheidet sich dadurch
vom tropischen Afrika, dass Sudan in der gleichen Richtung
dürre und im Sommer erhitzte Wüsten gegenüber liegen. Die Folge
ist, dass in Südamerika auch bei nördlichem Stande der Sonne das
Wärmecentrum auf dem Festlande sich behauptet und, da es nicht
nach dem Meere ausweichen kann, der Passat an den nördlichen
Küsten das ganze Jahr hindurch herrschend bleibt. Ununterbrochene
nordöstliche und östliche Winde werden an den in dieser Richtung
geöffneten Litoralen von Guiana und Centralamerika beobachtet1).
Dieser Passat aber ist als Seewind an Wasserdampf so reich, dass
schon bei einer geringfügigen Abkühlung das Festland von Niederschlägen
benetzt wird. Da nun Gebirge den grössten Theil der
Küsten des karaibischen Meers begleiten, zuerst die Anden Centralamerikas
dem Passat entgegentreten und dann hart am Litoral Südamerikas
die von Neu-Granada ausgehende Kette sich durch Venezuela
bis Trinidad fortsetzt, so wiederholen sich hier die klimatischen
Verhältnisse der mexikanischen Golfzone. Dichte Wälder bedecken
den Boden, und sie können mit öden Strecken abwechseln, wo die
Böschung gering ist, oder wo, wie in Cumana2), durch eine vorspringende
Landzunge dem Hinterlande die Feuchtigkeit entzogen wird.
Aber auch flache Landschaften sehen wir auf dem weiten Raume
vom Delta des Orinoko bis über Guiana hinaus von ununterbrochenen
Urwäldern bekleidet, deren Beschaffenheit eine lange Regenzeit vor-
*