Gegenden gegen andere immergrüne Formen zurückbleibt. Und
ebenso können diejenigen, die nur gegen die Winterkälte empfindlich
sind, aber nicht so langer Zeit zu ihren jährlichen Bildungen bedürfen,
auch das Seeklima Frankreichs und Irlands ertragen. Die
immergrünen Eichen, die bei Nizza nicht schon im Januar, sondern
erst zur Zeit ihrer Blüthe in den folgenden Monaten die jungen Triebe
belauben, kehren an der Bai von Biscya wieder und erreichen ihre
Folargrenze erst bei Angers an der Loire, der Oelbaum und die Ka-
rube sind auf das Mediterranklima des unteren Rhonethals eingeschränkt.
Ob die Entwickelung im Westen eine stetige oder im
Süden durch Dürre unterbrochen sei, ist gleichgültig, aber auch, wo
die trockene Jahrszeit erspart wird, bleibt die Entwickelungsperiode
kürzer als in vielen Gegenden des Mittelmeergebiets, wenn man
zum Frühling und zur Erneuerung des Wachsthums im Herbste auch
nur einen Theil des Winters hinzurechnet. Frägt man nun aber,
warum das immergrüne Laub nicht bloss in der Mediterranflora, sondern
auch in den Grenzgebieten, am Pontus, so häufig ist, wo die
klimatischen Einflüsse sich völlig verändern und doch selbst die
Olivenkultur noch einmal wieder uns begegnete, so lässt sich diese
Erscheinung ebenfalls dadurch erklären, dass daselbst die Vegetationsbedingungen
des Oelbaums fast das ganze Jahr hindurch gegeben
sind. Sie sind gewiss nicht weniger günstig als in Nizza, wro
der Oelbaum im Januar bei einer Temperatur von 6°, 6 ausschlägt,
wo nach Abzug des trockenen Sommers die Entwickelungszeit auf
9 Monate zu schätzen ist. In Trapezunt 39) ist der Januar beinahe
einen Grad kälter (5 °,g) , der Februar (7 ° ,2) bereits wärmer als der
kälteste Monat von Nizza. Die Niederschläge aber fallen hier im
ganzen Jahre ziemlich gleichmässig, die Vegetation des Oelbaums
kann also vomFebruarbis zumNovember ununterbrochen, 11 Monate,
noch länger als in Nizza, fortdauern: erst im December (6 °, 3) sinkt
die Temperatur unter die des Januars von Nizza herab. In Konstantinopel
32) dagegen erhebt sich die Wärme über diesen Anfangswerth
der Entwickelung (6°, 6) nur in den 8 Monaten vom April bis
zum November, und rechnen wir von diesem Zeitraum noch den
trockenen Sommer ab, so erg'iebt sich, dass die Bedingungen der
Olivenkultur am Bosporus noch weniger vorhanden sind als im westlichen
Frankreich.
Auch die Empfindlichkeit gegen die Winterkälte, die bei den
meisten immergrünen Laubhölzern bemerkt wird, lässt sich auf die
Immergrüne Laubhöher. 275
lange Dauer ihrer Vegetationszeit beziehen. Mag die verdickte Oberhaut
sie gegen den Einfluss des Frostes schützen, so geht ihnen dieser
Schutz doch verloren, wenn die Kälte zu einer Zeit eintritt, wo die
neuen Triebe in ihrer Entwickelung begriffen sind, also die Verdickung
der oberflächlichen Zellen noch nicht eingetreten ist. Wenn
also der Oelbaum in Nizza, damit die Blätter zur rechten Zeit ihre
Thätigkeit beginnen, sie schon im Januar entfaltet, so wird er nicht
in einem Klima bestehen können, wo der Winter kälter ist, weil,
wenn die Erneuerung des Laubes sich verspätete, die Entwickelungszeit
zu den organischen Bildungen nicht ausreichen und, wenn sie
gleichfalls im Winter begänne, der Frost die jungen Organe zerstören
würde. Hierdurch löst sich vielleicht der scheinbare Widerspruch
zwischen den Beobachtungen über die Olivenkultur im südlichen
Frankreich und an der Südküste der Krim 3). In gewissen Gegenden
des Languedoc hat man dieselbe ganz aufgegeben, weil durch die
Januarkälte, die in ausnahmsweise harten Wintern daselbst zuweilen
eintritt, alle Pflanzungen zerstört wurden und damit ein grosser
Kapitalwerth verloren ging. In der Krim sinkt das Thermometer
fast in jedem Jahre ungleich tiefer als in Südfrankreich, und doch
wird die Olivenkultur an der Südküste betrieben. Hier, wo der Winter
unter dem Schutze der die Polarwinde abhaltenden Bergketten zwar
äusserst milde ist, aber doch zuweilen heftige Fröste Vorkommen,
sollen diese von den Oelbäumen ohne Nachtheil ertragen werden.
Nach den klimatischen Beobachtungen über dieses äusserste Vorland
der Mediterranflora, welche wir dem Reisenden Koch verdanken,
tritt das Frostwetter daselbst nicht im Januar ein, welcher schon in
dem freier gelegenen Sebastopol der kälteste Monat ist, sondern erst
gegen den Schluss des Winters und oft erst im März oder April,
also zu einer Zeit, zu welcher die Blätter des Oelbaums bereits ausgewachsen
und daher nun nicht mehr so empfindlich gegen die Kälte
sind. Die immergrünen Pflanzen leiden nicht als solche von der
Kälte, wie man am Epheu oder selbst in den kontinentalsten Klimaten
an dem Preisselbeerenstrauch und an einigen Stauden, wie den
Pyrolen, sieht, sondern nur, wenn ihre Belaubungsperiode in die
kalte Jahrszeit fällt. Kein Hinderniss in der Organisation aber liegt
vor, dass nicht auch immergrüne Holzgewächse von kurzer Vegetationszeit
bestehen könnten, und hierdurch erklärt sich, ganz abgesehen
von besonderen Schutzmitteln gegen die Winterkälte, dass
solche Laubsträucher, wie das nordamerikanische Rhododendron,