Falle würde daher eine Einführung des Baums vom Festlande, im
andern eine natürliche Wanderung in entgegengesetzter Richtung,
•durch den Golfstrom vermittelt, anzunehmen sein.
Die Menge verschiedener Arten von Bäumen und Sträuchern in
den Wäldern ist so bedeutend, dass ihre Anzahl der aller übrigen
Phanerogamen in der westindischen Flora gleich steht1). Unter den
Sträuchern der Oleander- und Myrtenform sind an endemischen Arten
am reichsten die Rubiaceen (z. B. Rondeletia, Psychotria) , die
Myrtaceen {Eugenia. Calyptranthes), die Melastomaceen (Clidemia,
Calycogonium) und die Euphorbiaceen (Croton, Phyllanthus) ; im Gebirge
treten mehrere Ericeen mit ähnlicher Belaubung in den Vordergrund.
Die Form der Zwergpalmen [Sabal, Copernicia) , denen
einige Cycadeen sich anschliessen (Zamia), ist ein Erzeugniss dürrer
Felsküsten bis zu den Bahamas.
Lianen und Epiphyten sind gleich mannigfaltig in den feuchten
Wäldern und in denen, wo die Vegetation durch Dürre unterbrochen
wird, stehen jedoch in einem gewissen Gegensatz, zum Theil nach
den Familien, denen sie angehören, oder auch nach der Bildung der
Ernährungsorgane. Im Urwalde herrschen die eigentlichen Lianen
mit holzigen Stämmen, ihr Wachsthum ist üppiger, zuweilen umhüllen
sie die Bäume wie ein Flechtwerk: im trockenem Klima
überwiegt die Convolvulusform, weil die Verstärkung des Stamms,
der dort zu den Baumkronen strebt, entbehrt werden kann, wenn
der Boden heller beleuchtet ist. Die Lianen Westindiens habe ich
auf 8 Procent der Gesammtzahl von Gefässpflanzen geschätzt1) : die
Familien, unter welche sie sich vertheilen (mehr als 12), sind in den
meisten Tropenländern die nämlichen.
An den Epiphyten ist der Einfluss, den die Dauer der Regenzeit
auf die Vegetation ausübt, am allgemeinsten wahrzunehmen.
Im Savanenklima dienen die Bäume den Formen der Bromelien und
der Cacteen zur Stütze; häufig werden sie durch Loranthaceen und
durch fadenförmige Parasiten (z. B. Cassyta) ihres Safts beraubt;
selbst an dem mächtigen Baumwollenbaum sind jene Feigen (z. B.
Ficus pertusa) keine seltene Erscheinung, die mit ihren Luftwurzeln
den Mutterstamm umspannen und erdrücken, wodurch gerade hier
das Sprichwort entstanden ist, dass der Kreole in der Umarmung des
Schotten erstickt werde. An den Bäumen des feuchten Urwalds
herrschen die Farne vor, in dem verschwenderischen Spiel ihres
Blattumrisses sind sie gleichsam die lebenden Arabesken an den
Säulen des Laubgewölbes, von den kolossalen Formen, deren Rosetten
zuweilen mehrere Armslängen messen (z. B. Gymnopteris,
Polypodimn aureum) , bis hinab zu dem durchscheinenden Gewebe der
zierlichen Trichomaneen, die nach ihrer Grösse und Zartheit den
Laubmoosen gleichen und von denen allein mehr als 40 Arten bekannt
geworden sind. Die atmosphärischen Orchideen endlich sind
sowohl in feuchter, als in periodisch austrocknender Luft, aber durch
ungleiche Arten vertreten.
Unter allen Vegetationsformen Westindiens drücken die Cacteen
und die Farne den grössten Gegensatz des Klimas aus: die ersteren
aber beschränken sich hier auf die warme Region, weil nur in dieser
die Dürre des Bodens und die Trockenheit der Luft ihrer Vegetation
gemäss ist; die letztem werden auf den Gebirgen am häufigsten,
an denen der Wasserdampf sich am stetigsten verdichtet, indem sie
nur der Feuchtigkeit und des Schattens bedürfen und gegen die
Temperatur unempfindlicher sind. In ähnlichen Gegensätzen dürrer
und feuchter Standorte bewegen sich auch die Formen der Agaven
auf der einen, der Scitamineen und der meisten Aroideen auf der
andern Seite, welche aber sämmtlich zugleich ein Warmes Klima erfordern.
Unter allen Familien der westindischen Flora ist die der
Farne die grösste, allein sie enthalten wegen der leichten Beweglichkeit
ihrer Sporen im Passatwinde nur eine geringe Anzahl von endemischen
Arten.
Vegetationsformationen und Regionen. Bis zu den
Gipfeln bewaldet, sind die gebirgigen Inseln mit dem indischen
Archipel zu vergleichen und die Regionen, wie dort, durch allmälige
Uebergänge unter einander verbunden. Ihre Vegetation hat Oersted
in seiner Schrift über JamaikaTI) am anschaulichsten geschildert und
die Regionen selbst nach durchschnittlichen Plöhengrenzen bestimmter
zu unterscheiden versucht. Die Literatur ist übrigens an Darstellungen
dieser Art so dürftig, dass wir uns fast nur auf diese
Insel beschränken müssen, die jedoch nach ihrer Lage, nach der
Höhe des im Osten gelegenen Gebirgsstocks der blauen Berge
(7500 Fuss) und der Verschiedenheit des Klimas an der Lee- und
Windseite wohl als Typus des Gesammtbildes der westindischen Vegetation
dienen kann.
Die Südküste von Jamaika wird an ihren Lagunen von Mangrovewaldung,
auf trockenerem Boden von Cocos-Pflanzungen umsäumt.
Dann folgen Alluvialebenen, von felsigen Höhen aus Kalk