Marchfeld und die Karpaten reicht, wodurch zuletzt die ungarische
Flora begrenzt wird, die bis zur Balkanlinie, den Steppen am schwarzen
Meere und bis Podolien die südöstliche Zone bildet. Diese drei
Zonen entsprechen einigermaassen bestimmten Grenzwerthen des
Seeklimas, wenn man dasselbe durch die Temperaturunterschiede
des wärmsten und kältesten Monats ausdrückt, die erste dem von
io—140 R., die zweite von 14—180, die dritte von 18—19048).
Es wäre wünschenswerth, für jede der drei Zonen des Buchenklimas,
wie in Russland, bestimmte Vegetationslinien einzelner Gewächse
zu Grunde zu legen. Die wenigen Bäume, welche sich hiezu
eignen könnten, haben eine zu enge klimatische Sphäre, und doch
wirft ihre Verbreitung einiges Licht auf den Zusammenhang zwischen
Klima und Vegetation. In diesem Sinne können wir die Kastanie
(Castanea) für die französische, die Edeltanne [Pinus Picea) für die
deutsche und die Cerris-Eiche [Quercus Cerris) für die ungarische
Zone als Charakterbäume gelten lassen. Diese drei Bäume sind dem
westlichen und südlichen Europa gemeinsam, aber jenseits der Alpen
erheben sich die Waldungen, die sie bilden, über der Ebene in
ein höheres Niveau, während sie diesseits das Tiefland, aber bis zu
ungleichen Polargrenzen, bewohnen.
Die Kastanie geht am weitesten nach Nordwesten. Durch ganz
Frankreich verbreitet, erreicht sie das südliche England«), von wo
ihre kontinentale Vegetationslinie längs des Rheinthals (Mosel) bis
zur Schweiz (Bodensee) verläuft, um dann erst jenseits der Alpen
eine eigene Region zu bilden, welche das ganze Mittelmeergebiet
umfasst. Die Kastanie fehlt also nur den nördlichen Gegenden der
westlichen Zone. Ihre Vegetationslinie ist diesseits der Alpen eine
Nordostgrenze, und, indem dieselbe der der Buche parallel verläuft,
weicht sie von den meisten Gewächsen des Westens ab, die in südöstlicher
Richtung aufhören. Das Kulturgebiet des Kastanienbaums
reicht noch weiter nach Nordosten bis zu einer Linie, die von Eng-
land über den Harz (Blankenburg) und Sachsen (Dresden) nach
Ungarn (Pesth) geht und also ebenfalls der Buchengrenze parallel
liegt. Aber hier werden die Früchte in den meisten Gegenden nicht
mehr reif, was z. B. an den warmen Gehängen des Wiener Waldes
noch der Fall ist, nicht aber oder nur ausnahmsweise in Mitteldeutschland.
Hieraus, sowie aus dem Vorkommen im Süden, worüber
uns das Mittelmeergebiet belehren wird, dürfen wir schliessen,
dass die Kastanie, unter ähnlichen Lebensbedingungen wie die verwandte
Buche stehend, einer längeren Entwickelungsperiode bedarf,
als sie jenseits ihrer klimatischen Nordostgrenze findet. Wie aber
ist es nun zu erklären, dass Vegetationslinien dieser Art im westlichen
Europa so viel seltener sind als solche, die sich mit ihnen
kreuzen? Wir können unter den Pflanzen der westlichen Zone zwei
Klassen nach ihrem Wohngebiet unterscheiden. Die eigenthümlich-
sten sind diejenigen, die, wie gewisse Eriken [z. B. Erica einerea\ s°)
sich stets in einem beschränkten Abstande von der Küste halten und
daher durch eine südöstliche Vegetationslinie begrenzt sind. Die
übrigen dehnen sich südwärts zu östlicher gelegenen Meridianen aus,
aber die meisten derselben (z. B. Ilex , Buxus) haben demohngeachtet
in höherer Breite gleichfalls eine südöstliche Vegetationslinie,- die im
Süden dann eine gesetzmässige Richtungsänderung s1) erleidet und
oft plötzlich, entweder erst jenseits der Alpen oder auch schon in
Süddeutschland, in eine Nordgrenze übergeht. Wohngebiete des
Südens,'die übrigens nur bis zu einer bestimmten Breite reichen,
erhalten hiedurch längs des atlantischen Meeres einen westlichen
Schenkel, der bei dem Hülsenstrauch {Ilex) bis Norwegen hinaufreicht.
Es ist der Einfluss der mit abnehmender Breite wachsenden
solaren Wärme, die längs der Küste durch milde Winter und verlängerte
Vegetationszeiten ersetzt wird, wodurch die Gestalt solcher
Wohngebiete zu erklären ist. Hierin sind also dieselben Bedingungen
enthalten, die auch den nordöstlichen Vegetationslinien der Kastanie
und Buche zu Grunde liegen. Würden wir den äussersten Fundort
des Hülsenstrauchs in Norwegen mit dem östlichsten am Pontus
verbinden, so wäre diese Linie ebenfalls eine Nordostgrenze. Der
Unterschied liegt nur darin, dass eine grosse Lücke das westliche
von dem südlichen Wohngebiet trennt, und diese Lücke scheint dadurch
bedingt zu sein, dass durch die höhere Lage des Binnenlandes
und mit dem Abstande von der Küste die Winter strenger und die
Entwickelungsperioden verkürzt werden. So finden wir auch zwischen
den reinen Nordostgrenzen und denen, die solche harmonisch
gelegenen Kurven darstellen, je nach der klimatischen Sphäre der
einzelnen Pflanzen allmälige Uebergänge. Wir dürfen daher annehmen,
dass in dem einen wie in dem anderen Falle die Dauer der
Vegetationszeit das diese Pflanzengrenzen bestimmende Moment sei,
oder bei gewissen Arten die zunehmende Winterkälte, oder dass
beide Einflüsse zugleich wirksam sind. Aber auch zu den rein westlichen
Pflanzen führen zuweilen Andeutungen ähnlicher Verbreitungs-
G r i s e b a c h , Vegetation der Erde. I. 2. Aufl.