jedoch auf die verschiedenen, das südliche Polarmeer erkältenden
Einflüsse schon hier näher einzugehen, genüge es zu bemerken, dass
die Vertheilung von Wasser und Land in hohen südlichen Breiten
für die Erwärmung des Erdkörpers die ungünstigste ist. Das Festland
der südlichen Polarzone erwies sich, als Ross es erreichte, von
jeder Vegetation entblösst: der einzige Fall liegt hier vor, dass die
Schneegrenze bis zum Meeresspiegel herabsinkt und dem Erdboden
das organische Leben ganz versagt ist. Aber nicht die niedrige
Temperatur hoher Breiten allein und die Strömungen und Eisfelder,
die von hier ausgehen, sind dem Klima der gemässigten Zone Südamerikas
nachtheilig, sondern auch die Feuchtigkeit unermesslicher
Meeresflächen, die Nebel- und Regenmassen, welche die Westküste
des Festlands gerade bis zu derjenigen Polhöhe fast beständig einhüllen
und tränken, wo der Charakter der antarktischen Flora im südlichen
Chile aufhört. Denn von hier aus beginnt längs der Andenkette
eine von der Sonne durchglühte Küstenzone, die ein heiterer
Himmel fast ebenso beständig umspannt.
Unter solchen Bedingungen sondert sich demnach auf diesem
eng umschlossenen Küstenstreifen gebirgigen Landes eine eigene
Flora aus, welche bis zu zehn Breitengraden über den Wendekreis
hinausreicht (bis 340 S. B.) und die nördlichen und mittleren Provinzen
Chiles in sich fasst. Diese näher kennen zu lernen und sie
von der südchilenischen zu unterscheiden, ist jetzt unsere Aufgabe.
Ich nenne sie eine Uebergangsflora, weil ihr Naturcharakter noch
Vieles mit der regenlosen Küste des tropischen Peru gemein hat, aber
doch schön der gemässigten Zone angehört. Von zusammenhängendem
Baumwuchs fast überall entblösst3), findet diese Flora da einen
natürlichen Abschluss, wo im südlichen Chile die dichten und immergrünen
Wälder beginnen, von denen weiterhin bis zum Feuerlande
die Westküste Amerikas bedeckt ist. So abgetheilt wird die nördlichere
dieser beiden Küstenfloren auch klimatisch theils durch ihre
hohe Wärme, theils durch ihren Winterregen und die Unterbrechung
ihrer Vegetationsperiode während des Sommers charakterisirt: dieselbe
kann in dieser Beziehung mit Kalifornien und mit der Mediterranflora
Europas verglichen werden. Unbestimmter ist der klimatische
Unterschied von der peruanischen Küste, und nicht so sehr der
stärker gekrümmten Temperaturkurve oder den Niederschlägen, die
in der Richtung zum Wendekreise auf hören, verdankt Chile eine
selbständige Physiognomie, als der südwärts zunehmenden Fruchtbarkeit
des Landes, der grösseren Mannigfaltigkeit der Vegetation
und einer überwiegenden Menge endemischer Pflanzen.
Bei der Vergleichung von Peru mit Chile kann man Coquimbo
(30° S. B.) als klimatischen Wendepunkt betrachten. Hier fällt nur
noch wenig Regen, während eines Winters werden nur fünf bis
sechs Güsse erwartet3), und indem schon zu Copiapo (27 S. B.)
alle tropfbaren Niederschläge aufhören und die Garuas nun an ihre
Stelle treten, geht die Flora allmälig in den Charakter der Wüste
von Atacama über2). Dieselbe Abnahme des Regens in der Richtung
zum Wendekreise wird aber auch in den übrigen Theilen des
Gebiets bemerkt. An der Südgrenze ist die Intensität des Winterregens
sehr bedeutend, sie beträgt zu Santiago [ 3 3 V 2 S . B . j 4) ungefähr
ebenso viel wie in der Lombardei (etwa 40 Zoll und mehr):
aber schon 15 g. Meilen weiter nach Norden soll die Regenmenge
bereits um die Hälfte vermindert sein. Die Schneefelder der nahen
Kordillere liefern indessen einigen Ersatz, sofern durch das Schmelzen
derselben auch die Thäler des nördlichen Chile befeuchtet werden
und ungeachtet der Dürre ihres Klimas fruchtbar sind. In Santiago
und wahrscheinlich im ganzen Bereich der chilenischen Flora ist die
Belaubung aller einheimischen Holzgewächse immergrün, obgleich
die Niederschläge nur im Winter fallen und in der Hauptstadt vom
September bis zum Mai der Himmel ununterbrochen heiter ist3).
Wie am Fuss der peruanischen Anden herrschen auch in Chile
bis zur Breite von Santiago nur Nord- und Südwinde, ihr Wechsel
richtet sich nach den Jahrszeiten. Beim Südwinde ist der Himmel
stets wolkenlos, und der Nordwind bringt den Winterregen, dei
erstere erwärmt sich auf seinem Wege, der letztere kühlt sich ab.
Wie an den kälteren Gebirgshöhen Perus die Garuas sich zu tropfbaren
Niederschlägen steigern, so scheint hier ein ähnliches Ver-
hältniss mit zunehmender Polhöhe einzutreten : die Küstennebel der
Wüste von Atacama verwandeln sich in den chilenischen W interregen,
weil hier die Abnahme der Wärme im Winter grösser ist.
Denn darin erkennt man doch auch hier den Charakter der gemässigten
im Gegensatz zur tropischen Zone, dass bei fast unveränderter
Mitteltemperatur der Unterschied des wärmsten und kältesten
Monats, der in Lima wenig über 70 betrug3), in Santiago beinahe auf
140, also auf das Doppelte gewachsen ist6). Dabei hat die sudhemisphärische
Januarwärme hier in stärkerem Verhältniss zugenommen
(23 °, 2 R.), als die des Juli (90, 6) gemindert ist, aber noch merk