Vorstellungen über ihren genetischen Zusammenhang abzulei en,
desto entschiedener scheint es geboten, sich dm Frage zu stellen, m
wie weit es möglich ist, die heutige Anordnung der Vegetation aus
physischen und physiologischen Kräften zu erklären, ie inner c
des Bereichs der Erfahrung liegen. Zu diesen gehört die Variation
der von einander abstammenden Individuen durch Acclimatisation
und andere den Plan der organischen Gestaltung verändernde Einflüsse
• aber, wie ansprechend auch die genetische Verknup ung ei
Schöpfungen, welche nach einander die Erde bewohnt haben, erscheinen
mag, so verlässt man doch den Boden der Thatsachen,
indem man sich Vermuthungen über den Ursprung der weiter aus
einander liegenden Formen, der Arten, der Gattungen und Familien
von Pflanzen und Thieren hingiebt. Dass diese Begriffe von dem
der Variationen nicht streng zu scheiden sind, ist kein Grund ihnen
eine und dieselbe Entstehungsweise zuzuschreiben und die Kraite,
durch welche allmälige Formveränderungen erzeugt werden für die
einzigen zu halten, mit denen die Natur ihren auf Mannigfaltigkeit
der Wechselwirkungen gerichteten Zweck erreicht hat. Das Bestreben,
die Aufgaben der Forschung einzuschränken und das dci
Beobachtung Zugängliche von den unbekannten und unerreichbaren
Bahnen der organischen Entwicklung abzuscheiden, verbürgt allem
einen methodischen Fortschritt, wobei der Zukunft uberlassen bleibt,
tiefer in die Geheimnisse der Schöpfung einzudringen, ohne che U r sachen
durch blosse Vorstellungen ersetzen zu wollen
Die'räumliche Vergleichung der Vegetation fuhrt zui Untei
Scheidung von kleineren Abschnitten und von grösseren Gebieten,
von denen es sich leicht nachweisen lässt, dass ihre Absonderung
von Einflüssen abhängig ist, welche den Kräften jeder einzelnen
Pflanze, sich immer weiter über den Erdboden auszubreiten beschränkend
gegenüberstehen. Von den topographischen Ghede-
mno-en der Landschaft, den Formationen der Vegetation, ausgehend,
die vorzugsweise auf der Beschaffenheit des Bodens und der Ver-
theilung des darin enthaltenen Wassers beruhen, erheben wir uns,
indem wir den Blick über weitere Räume ausdehnen, zu der Vorstellung
von natürlichen Floren, in deren Bereich die Pflanzenformen
und ihre Anordnung einen gewissen Grad von Gleichartigkeit er
kennen lassen. Allein so sehr bei ihrer Unterscheidung die klimatischen
Bedingungen in den Vordergrund treten, denen jede in einem
solchen Vegetationsgebiete einheimische Pflanze auf das Genaueste
entsprechen muss, so ist man doch nicht im Stande, eine Einthcilung
der Erde hierauf allein zu begründen, schon desshalb nicht, weil bald
in derselben Landschaft nach dem Relief des Bodens die Gegensätze
wechselnd sich berühren, bald die Uebergänge auch in den Tiefebenen
oft erst allmälig eintreten. So geht, um ein Beispiel des
letzteren Verhältnisses anzuführen , das Seeklima Europas nach und
nach im Inneren des Kontinents verloren, und damit ändern sich
auch einzelne Bestandtheile der Vegetation, aber nicht derCharakter
der ganzen Flora. Dann aber wiederholen sich auch ähnliche Klimate
in weit entlegenen Gegenden beider Hemisphären, sowie auf den
durch die grossen Meere geschiedenen Kontinenten der heissen und
der südlichen gemässigten Zone, ohne doch gleiche Gewächse erzeugt
zu haben. Nur da ist eine klimatische Begrenzung der natürlichen
Floren möglich, wo, wie an den äussersten Waldlinien des
nördlichen und südlichen Russlands, die Physiognomie der Landschaft
sich plötzlich ändert, wenn zugleich ein Grenzwerth in der
Vertheilung der Wärme oder in der Periodicität der atmosphärischen
Niederschläge überschritten wird.
Wären alle Pflanzen gleich wanderungsfähig und in ihrer Ausbreitung
unbeschränkt geblieben, so würden die kräftigsten Organisationen
alle übrigen verdrängt und den ganzen der Vegetation dargebotenen
Raum auf der Oberfläche des Planeten eingenommen
haben. Das ober s te Gesetz, welches der dauernden A b sonderung
von natür l ichen Floren zu Grunde l ie g t ,
muss man daher in den Schranken erbl icken, welche
ihre Ve rmi s ch u n g .gehemmt oder ganz verhinder t
haben. Dass sie neben einander bestehen, beweist schon, dass sie
von bestimmten, schöpferischen Orten ausgingen, welche ihre Vege-
tationscentrenT) genannt werden, deren Anzahl unbestimmt und von
der Menge der einheimischen Arten abhängig ist. Wäre die Entstehung
der einzelnen Pflanzen nur von den Bedingungen abhängig gewesen,
die gegenwärtig ihre räumliche Anordnung beeinflussen, so
müssten wir in entfernten Ländern oft dieselben Organisationen
wiederfinden. Es würden nicht Einwanderungen unter unsern Augen
stattfinden können, wenn die Erde überall erzeugt hätte, was sie in den
einzelnen Klimaten zu erhalten fähig ist. Nur an bestimmten Orten
hat sie die ersten Keime ausgestreut, aber diese Orte waren unzählig
und ohne Symmetrie angeordnet, wie die Sterne des Firmaments,
und jeder hatte die Fähigkeit, eine bestimmte organische Gestaltung