230 II. Waldgcbiet des östlichen Kontinents.
über das atlantische Meer, die in diesen Breiten im natürlichen Verlauf
der Dinge erfolgt wäre, sind nur zwei oder drei Beispiele bekannt
(die Standorte von zwei nordamerikanischen Pflanzen in Irland, der
Orchidee Spiranthcs cernua und des Eriocaidon septangulare, des einzigen
Vertreters derRestiaceen in Europa in den Sümpfen von Conne-
mara und auf der Insel Skye; sodann in umgekehrter Richtung die
Ansiedelung der europäischen Calluna in Newfoundland, auf welche
wir an einem anderen Orte zurückkommen).
Ebenso spärlich sind die Ansiedelungen aus entlegeneren Florengebieten,
die sich oft auf den Handel und die Schifffahrt zurückführen
lassen (z.B. Cotula coronopifolia in den deutschen Küstenlandschaften
an der Nordsee, Galinsoga parviflora aus Mexiko, u. a.). So eröffnet
auch im Gebiete selbst der Verkehr zuweilen neue Bahnen der
Pflanzenwanderung, wovon ein mehrfach besprochener Fall vorkam
2o6) , als plötzlich eine sehr auffällige Synantheree (.Xanthium
spinosum) sich massenhaft von Ungarn aus in das südliche Deutschland
verbreitete, deren dornige Früchte sich im Vliess weidender
Schafe festhängen und, mit der Wolle ausgeführt, erst unter dem
Abfall der Webereien zur Keimung gelangten.
in.
MITTELMEERGEBIET.
Klima. Die Küstenländer am mittelländischen Meer sind durch
einen gemeinsamen Charakter der Vegetation verbunden, durch
deren schöne Formen ebenso sehr, wie durch das mildere Klima, die
Sehnsucht des Nordländers nach dem Süden geweckt wird. Wenn
auch nicht überall im dunkeln Faub die Goldorange glüht und die
afrikanische Palme nur in einzelne Gegenden verpflanzt ward, wo
sie nicht einmal ihre Früchte reift, so übt doch die Landschaft einen
eigenthümlichen Zauber aus, dessen Reiz sogar die Alten in ihrem
unentwickelten Natursinn lebhaft empfunden haben, und dessen
Eindruck sie erkennen lassen, so oft sie ihre Heimath dem finstern
Norden gegenüberstellen. Selbst das Unorganische scheint sich am
Mittelmeer mit einem reicheren Farbenschmuck zu beleben. Die
dunklere Färbung des Himmels und des Meers, die scharfen Konturen
am Horizont, die selbst dem niedrigen Hügelrücken eine gewisse
Bedeutung verleihen, die Durchsichtigkeit der Atmosphäre,
wodurch Fernes und Nahes zu einem inhaltsvollen Bilde verknüpft
wird, alles dies sind Folgen der während des Sommers regelmässig
von Norden nach Süden bewegten Luftströmung, in welcher die
Dünste sich auflösen und die Wolken sich nicht anhäufen können.
In dem Glanze, den die Sonne dann über der Landschaft ausbreitet,
verschönern sich auch die Pflanzenformen. Die aufstrebenden Zweige
der Pinie, die tiefen Farben schlanker Cypressen heben sich schärfer
von der reinen Luft ab, und selbst den bläulichen, matten Duft des
Olivenhains möchte man neben den grellen Lichtern nicht vermissen.
Hat die kühle Regenzeit des Winters den Reiz dieser Eindrücke