
 
		selten,  wenn  sie  aus  dem  Norden  stammen l88),  aber  es  giebt auch  
 Ausnahmen,  es  giebt Pflanzen,  deren Heimath nach  ihrem Vorkommen  
 oder  ihrer  systematischen Verwandtschaft  in  den Alpen  liegt,  
 und  deren Wanderung  innerhalb  derselben  beschränkt bleibt,  während  
 sie  doch  die Fjelde  oder  andere  sehr  entfernte Orte  erreichen.  
 Einen  ausgezeichneten Fall  dieser Art  bietet  eine  Gentiane  (G. pur-  
 pur ed) ,  die in der alpinen Region der Schweiz häufig ist,  in den Alpen  
 aber vom Mont Cénis  aus  in  östlicher Richtung  das Rheinthal  nicht  
 überschreitet,  indem  jenseits  desselben  in Tirol  eine verwandte Art  
 ( G. pannonica)  auftritt,  welche nun von hier aus,  wie jene,  die Alpenmatten  
 bis  Steiermark bewohnt und auch  die südlichen Karpaten  erreicht. 
   Die so scharf getrennten Wohngebiete dieser beiden Gentianen  
 werden von  einer dritten,  ebenfalls nahe  stehenden Art  [G. punctata)  
 nicht bloss umfasst,  sondern  auch  in  den Karpaten  und Sudeten,  sowie  
 auf dem  Scardus  in Macédonien  überschritten.  Nun  findet  sich  
 aber  die  westliche  Art  [G.  pur purea)  an  ähnlichen  Standorten  auf  
 den  norwegischen Fjelden wieder,  wo  ich  sie,  ununterscheidbar von  
 der  Schweizer Pflanze,  bei Röldal  in Tellemarken  beobachtet habe.  
 Ausserdem  ist  sie noch  auf  dem  nördlichen Apennin  und  in  einer  
 klimatischen  Varietät  in  Kamtschatka,  angeblich  auch  in  Siebenbürgen  
 einheimisch.  Wäre  dies  ein Fall,  wo  eine  früher  allgemeiner  
 verbreitete  alpine  Pflanze,  durch  andere verdrängt,  sich nur  noch  an  
 gewissen  entfernt  von  einander  gelegenen Orten  erhalten  hätte,  so  
 ist  nicht  zu  begreifen,  weshalb  sie  in  den Alpen  von  der  östlichen  
 Art  so  streng abgesondert  ist.  Ihr Vorkommen  in  den westeuropäischen  
 Gebirgen  erinnert  an  dasjenige  der  atlantischen Pflanzen  des  
 Tieflands,  aber klimatische Ursachen,  welche  die Beschränkung  auf  
 den Westen  veranlasst haben könnten,  sind  bei  einem Gewächse  der  
 alpinen  Region  nicht  nachzuweisen.  Es  giebt  noch  einige  andere  
 Fälle ähnlicher Verbreitung,  bei  denen die Wanderungen den Bahnen  
 von Zugvögeln  entsprechen  und  in  der Meridianrichtung  weiter  als  
 in  der  westöstlichen  zu  verfolgen  sind.  Eine  Synantheree  (Hiera-  
 cium  aurantiacum)  verhält  sich  wie  eine/westeuropäische  Gebirgspflanze  
 mit  südlichem Verbreitungsschenkel,  der von Frankreich  bis  
 zu  den  südlichen Karpaten  reicht.  Diese  Pflanze wächst  nicht  bloss  
 in Gesellschaft jener Gentiana auf den norwegischen Fjelden,  sondern  
 auch  in  einigen  tiefgelegenen  Wiesenmooren  des  nordwestlichsten  
 Deutschlands  (Bremen,  Hoya),  wo  ich  sie,  fern  von  jeder Gartenkultur, 
   unter  örtlichen Verhältnissen  auffand,  die  eine Ansiedelung 
 durch Mitwirkung  von  in  dieser Richtung  aus Norwegen  nach  dem  
 Süden  ziehenden Sumpfvögeln wahrscheinlich machen.  Auf dieselbe  
 Quelle  lässt  sich  auch  das  merkwürdige  Wohngebiet  der  Aldro-  
 vanda  i89)  beziehen,  einer Wasserpflanze,  die  sporadisch  eine  von  
 Nordosten nach Südwesten  sich erstreckende Zone von Pommern und  
 Lithauen bis zur  Garonne und zum  Po bewohnt.  Allein hätten Zugvögel  
 jene  Gentiane verbreitet,  so  ist,  die  systematische Richtigkeit  
 der  Thatsachen  vorausgesetzt,  nicht  zu  begreifen,  wie  sie  nach  
 Siebenbürgen  und  eine  Varietät  derselben  gar  nach  Kamtschatka  
 hätte gelangen  sollen.  Ich  weiss  keine  andere Vermuthung  auszusprechen, 
   als  dass  verschiedene  Ursachen  hier  zusammengewirkt  
 haben,  um  eine  so  verwickelte Erscheinung zu veranlassen,  theils  die  
 Verdrängung  aus  einem  ehemaligen  grösseren Wohngebiet  und  die  
 Zurückweisung  der Ansiedelungen] durch verwandte Arten  von  stärkerer  
 Organisation,  theils  die  Erweiterung  derselben  durch Ueber-  
 tragung des winzigen und mit einem häutigen Flügelrande umgebenen  
 Samens  im  Gefieder,  im  Kropf  oder  Darmkanal  der Vögel,  wenn  
 nicht auch  in  den  Strömungen  der  atmosphärischen Luft.  Aber  es  
 lässt  sich  nicht  läugnen,  dass  anscheinend  der vorliegende Fall  im  
 Darwinismus  eine  ansprechendere Erklärung  finde,  wenn angenommen  
 wird,  dass  aus  derjenigen  Gentiane  [G. punctata),  deren Wohngebiet  
 in  mehreren Richtungen  übergreift,  unter  geänderten physischen  
 Bedingungen  die  beiden  anderen  Arten  durch  Umbildung  
 entstanden  seien.  Indessen  ist  zu  erinnern,  dass  dieser Hypothese  
 Schwierigkeiten  entgegenstehen,  deren Lösung  ausserhalb  des Bereichs  
 der Erfahrung  liegt,  nämlich  zuerst,  dass  die drei Arten ungeachtet  
 ihrer Verwandtschaft  doch  in  ihrem Bau  so  sehr  abweichen,  
 wie  dies  bei Varietäten von  Gentianen nie beobachtet wird,  während  
 doch  keine Uebergänge Vorkommen,  wohl aber zwischen  zwei  derselben  
 (G. punctata  undpurpurea)  eine hybride Bildung,  sodann dass  
 die Verschiedenheit  der  äusseren Bedingungen,  die  ihre Umbildung  
 bewirkt haben sollen,  völlig unbekannt bleiben,  endlich dass auch die  
 weiten Lücken  des Wohngebiets nicht  erklärt sind,  sondern dieselben  
 Einschränkungen  der Wanderung voraussetzen,  wie  dies  der Fall  ist,  
 wenn  man  sie  als  selbständig  entstanden  sich  vorstellt.  Es möchte  
 daher  auch  hier  die  grössere  Einfachheit  der  Migrationshypothese  
 zur Empfehlung gereichen,  welche die Verwandtschaft  der drei Arten  
 von  ihrem Ursprung  aus  den  Centren  desselben  geographischen  Systems  
 und das bald übergreifende, bald gesonderte Wohngebiet davon