getrennten Vegetationscentren haben hier doch ähnliche Organisationen
erzeugt, die gewissen gemeinsamen Faktoren des Klimas, der
Bewässerung, des Waldschattens anzupassen waren. In der Reihenfolge
der vorherrschenden Familien ss) treten bei der Vergleichung
mit Europa diese Aehnlichkeiten hervor, wenn wir auch ihren Bedingungen
nicht überall zu folgen vermögen. Die Cruciferen, die
Umbelliferen und Caryophylleen sind vermindert, die dem feuchten
Humusboden entsprechenden Cyperaceen und Ericeen sind vermehrt.
Unter den Synanthereen, der grössten Familie in beiden Kontinenten,
überwiegen hier die üppiger vegetirenden Asteroideen und He-
liantheen, die Anthemideen und Cichoraceen Europas sind nur durch
ein kleine Anzahl von Gattungen schwach vertreten.
Auf der anderen Seite konnte zwar im Allgemeinen die Ungleichheit
der Waldzonen als ein Ausdruck der Verschiedenheiten
ihres Klimas gelten, aber von gewissen Eigentümlichkeiten ihrer
Vegetation ist doch keine klimatische Beziehung nachzuweisen. Das
üppigere Wachsthum des Unterholzes und der Schattengewächse des
Waldes kann als eine Wirkung des stärkeren Regenfalls aufgefasst
werden, aber die Mischung der Laubholzbestände, die Höhe der
Bäume im Oregongebiet und im Gegensatz dazu ihre durchschnittlich
geringere Grösse in den atlantischen Staaten bleiben unerklärt. Es
sind dies Erscheinungen aus dem Lebenskreise der einzelnen Arten
oder sie entsprechen dem Bildungstypus bestimmter Vegetationscentren,
gleichsam als ein Zeugniss von dem Streben der Natur nach
Mannigfaltigkeit der Landschaftsbilder. Durch die Feuchtigkeit des
Klimas kann die Höhe des Baumstamms befördert werden, wenn dadurch
das Wachsthum der Gipfelknospe beschleunigt wird. Aber
auch das Gegentheil kann eintreten, wenn es darauf ankommt, durch
frühzeitige Unterdrückung dieses Wachsthums den Gefahren der
Sturmwinde sicherer auszuweichen. Die Mischung der Bestände
wird sich da erhalten, wo demselben Centrum verschiedene Bäume
entsprossen sind, dereh Lebensbedingungen übereinstimmen und
deren Kräfte, auf ihrem Standorte sich zu behaupten, im Gleichgewichte
stehen. Im Bereich anderer Centren können ebenso viele
Arten vorhanden sein, aber die einzelnen unterscheiden sich durch
ihre Nahrungsbedürfnisse und trennen sich nach den Bodenarten,
die ihnen Zusagen und ihre Lebensenergie erhöhen.
Durch die Kolonisation ist eine umfassende Ansiedelung europäischer
Gewächse, erfolgt, die neben der Bodenkultur in die Physiognomie
der nordamerikanischen Wälder umgestaltend eingreift.
Diese Pflanzen hat Asa Gray <6) in seinen Untersuchungen über die
Statistik der Flora von den einheimischen oder durch natürliche
Wanderungen einheimisch gewordenen Arten sorgfältig ausgeschieden,
ihre Anzahl beläuft sich nach ihm in der nördlichen Laubholzzone
auf 260 Arten. Durch ihre Vertheilung in den atlantischen
Staaten wird ihr Ursprung unmittelbar vor Augen gelegt. Man hat
bemerkt, dass sie an der Ostseite der Alleghanys, die früher mit dem
europäischen Ackerbau in Verbindung trat, weit häufiger sind als
im Inneren. Die Kulturpflanzen begleitend und mit dem aus Europa
eingeführten Saatkorn verpflanzt, haben sie an manchen Orten
massenhaft wuchernd die einheimische Vegetation fast ganz verdrängt
(zu den häufigsten gehört Echium vulgare in einigen Gegenden
Virginiens). Je weiter man über die Alleghanys in das Innere
Nordamerikas eindringt, wo der Wald erst später gelichtet wurde,
desto mehr treten diese fremden Erzeugnisse zurück, die künftig ohne
Zweifel auch hier ihre Kraft in dem Kampfe um den Boden bewähren
werden. Denn in dem gleichmässiger bewaldeten Nordamerika sind
unter den einheimischen Stauden und Kräutern die Schattengewächse
am stärksten vertreten und weniger Arten auf den offenen Boden
angewiesen als in Europa. Die ersteren können nach der Lichtung
des Waldes nicht fortbestehen, und nun fallen diesen Räumen, denen
die beschattenden Bäume entzogen sind, zuerst die Kulturen, dann
aber auch jene zahlreichen Pflanzen zu, welche aus den waldlosen
und intensiver beleuchteten Formationen Europas abstammen und
die zugleich die p'einde der Kultur sind.
Gr i sebach, Vegetation der Erde. II. 2. Aufl. 17