6000 Fuss), wiewohl sie auch auf diesem Gebirge ihre Aequatorial-
grenze erreicht. Aehnlich wie mit der Fichte mag es sich auch mit
der Arve verhalten, von welcher beobachtet worden ist 2), dass sie
häufig an Nordgehängen höher ansteigt als bei südlicher Exposition.
Aber auch die Buche reicht in den nördlichen Kalkalpen in ein etwas
höheres Niveau, und hier scheint ein anderer, ein thermischer Zusammenhang
zu Grunde zu liegen: es ist eine neue Andeutung des
bei den Karpaten erwähnten Verhältnisses, dass die Masse der
Bodenanschwellung, also die Hochfläche, insofern sie den Eigenschaften
des kontinentalen Klimas sich nähert, durch die längere
Dauer des Winters auf solche Bäume, die eine Verkürzung der Vegetationszeit
nicht ertragen, nicht wie sonst elevirend, sondern depri-
mirend einwirkt.
Betrachten wir die Physiognomie der Alpen in ihrer Beziehung
zu den Hülfsquellen, die sie der Volkswirthschaft darbieten, so
können anderen Hochgebirgen gegenüber manche grosse Vorzüge
nicht verkannt werden, die nicht bloss der Wohlfahrt der Bewohner
zur Stütze dienen, sondern sie zugleich an die landschaftliche Grösse
und Schönheit ihrer Heimat fesseln. Die angemessene Vertheilung
und Lage der Thäler, die sparsame Schonung der abgelagerten Erdkrumen
und selbst die Ausbreitung der Schneemassen sind hier in
Betracht zu ziehen. In allem diesen liegt ein Ebenmaass, eine Vollendung,
die vielleicht in keinem anderen alpinen Gebirge erreicht
wird und die Pracht der Alpennatur hoch über die gewaltigen Massenbildungen
des Himalaja und auch des Kaukasus erhebt. Oft spricht
man nur von den Schrecken des Hochgebirgs, den Gletschern, die
den fruchtbaren Boden verkümmern, den Lawinen und Geröllstürzen,
die alles Werthvolle vernichten, von der Verheerung durch die
Ströme, der Einengung des Kulturbodens durch den übermässigen
Umfang der Höhen, aber darüber soll man nicht vergessen, was die
Natur auch unter solchen Bedingungen zu gewähren vermag. Segen
spendend wirken die Gebirge nicht bloss in die Ferne, indem sie die
Wolken verdichten, über das Tiefland die Flüsse nach den Thälern
abgesondert vertheilen, als unerschöpfliche Speicher aus ihren
Quellenursprüngen dem Pflanzenleben die mineralischen Nahrungsstoffe
zuführen und im Bereiche des fliessenden Wassers die Oberfläche
des Erdbodens stetig erneuern, sondern durch ihre Wälder,
ihre Bergwiesen und Alpenmatten besitzen sie auch im eigenen Haushalte
ihrer Natur eigenthümliche Grundlagen menschlicher Thätigkeit.
Nirgends aber sind diese Gaben des Hochgebirgs auf eine angemessenere
Weise vertheilt als in einem grossen Theile der Alpen,
nirgends in Europa bieten die alpinen Matten den Heerden eine
reichere Sommerfrische, der die in den Waldgürtel hinabreichenden
Bergwiesen noch eine herbstliche Nachhut folgen lassen. Zuweilen
sind, wie auf der Seisser Alp bei Botzen, die Böschungen der alpinen
Region so weit ausgebreitet, dass Hunderte von Sennhütten Raum
finden. Zugleich aber ist die reiche Gliederung der Thäler, die in
die einzelnen Gruppen der alpinen Gipfel oft so tief eingreift, durch
ihren Umfang und durch die zu Terrassen abgestufte Grundfläche,
welche das fruchtbare Erdreich zurückhalten, genügend, einen mäs-
sigen Ackerbau zu begründen und die Heerden den Winter hindurch
zu ernähren. Und so kann die Viehzucht, die Milchwirthschaft sich
in einem richtigen Verhältniss zu der Grösse der Alpenmatten entwickeln
, die von der Waldgrenze bis zur Linie des ewigen Schnees
gleichartiger als auf den Fjelden des skandinavischen Nordens bewachsen
sind. Denn auf die mannigfaltigste Weise, durch angemessene
Neigung des Bodens, durch den Schutz des Waldgürtels, durch
Seen, in denen das Wasser sich beruhigt, scheint die Natur bestrebt,
den zerstörenden Kräften der hinabstürzenden Fluthen entgegen zu
wirken und die aus der Verwitterung des Gesteins hervorgehenden
Erdkrumen zu sammeln. Die Feuchtigkeit, welche umso reichlicher
den Boden tränkt, je grösser der Umfang des Firns über der Schneelinie
ist, hat Zeit, an den sanften Wölbungen zwischen den Hoch-
thälern sich hinlänglich zu erwärmen, während die Thalgründe selbst
sich mit Gletschern füllen und im Inneren derselben das Uebermaass
des Wassers aufnehmen, wo es zugleich durch die Last des gleitenden
Eises mit fein zerriebenen,, die Fruchtbarkeit erhöhenden Schlamm-
theilen bereichert wird. Aber zwischen dem, wodurch die organische
Natur gestützt, und wodurch sie gehemmt wird, ist ein unendlicher
Wechsel der Beziehungen geboten, und diese Individualisirung der
Thäler und Gebirgsgruppen nach ihrer Lage, ihrer Grösse, ihrer
Neigung und ihren Felsgebilden steigert den Reiz der Alpenlandschaft,
der, wo man ihn auch geniesst, immer wieder neue, farbenreiche
Bilder liefert. Es wäre vergeblich, einzelne Abschnitte des
Gebirgs, wie sie schon durch den verschiedenen Charakter seiner Bewohner
angedeutet sind, nach Maassgabe der gebotenen natürlichen
Hülfsquellen zu unterscheiden: nur ganz im Allgemeinen lässt sich
vielleicht behaupten, dass die südlichen Alpen weniger als die nörd