nämlich ergeben, dass die endemischen Pf lanzen in demselben
Maasse zahl reicher werden, als die Hinderni s se
ihrer Ve rbr e i tung wachsen. Stellen wir uns vor, dass die auf
bestimmten Vegetationscentren entstandenen Organisationen den
physischen Bedingungen derselben am vollständigsten entsprachen,
so ist bei der Anpassungsfähigkeit, die wir an den Gewächsen kennen,
anzunehmen, dass sie von da aus in einem gewissen Umfange sich
durch Fortpflanzung ausbreiten mussten, wenn sie ungehemmt durch
äussere Einflüsse sich selbst überlassen blieben. Wenn sie aber
zarter waren als diejenigen, welche den Raum bereits inne hatten,
wenn abweichende Bodenverhältnisse, Gebirge oder Wasserflächen
ihren Ursprungsort abschlossen, so mussten sie da verharren, wo sie
entstanden waren. Sind sie hingegen früher auf grösseren Räumen
als gegenwärtig vorhanden gewesen, so werden sie bei ihrem all-
mäligen Untergange sich hier und dort längere Zeit als anderswo
erhalten, eine Weile zeigen sie sich noch sporadisch, aber ihr Vorkommen
ist nicht durch mechanische Hindernisse bezeichnet, welche
ihre Wanderung beschränken.
Die Pflanzen, welche wir in Europa an einen einzigen Standort
gebunden finden, sind zwar wenig zahlreich, aber sie sind fast ausnahmslos
Gewächse des Hochgebirgs, deren Wanderungen bei eingeschränkter
klimatischer Sphäre und geringer Fortpflanzungsfähigkeit
schon die Thalbildungen als ein unüberwindliches Hinderniss
entgegenstehen. Sie gleichen den endemischen Erzeugnissen einsamer
Inseln im Ocean und sind, wie diese vom Meer, von Abgründen
rings umschlossen, die sie nicht überschreiten können. Fast nur in
den Alpen sind solche Fälle bekannt, wo die gruppenweise geordneten
alpinen Gipfel so geeignet sind, in diesem Sinne zurückhaltend
zu wirken. Solche Erscheinungen sind ziemlich regellos und fast
nur über die südliche Alpenkette vertheilt, wo die örtlichen Einflüsse
am verschiedenartigsten sind, auf einzelne Punkte Piemonts, der
Lombardei, Südtirols und Kärnthens. Einzelne Beispiele kennen wir
auch aus den Pyrenäen, deren klimatische Gliederung den Wanderungen
hinderlich ist.
Wenden wir uns von diesen äussersten Graden der Beschränkung
des Wohnorts, auf welche wir zurückkommen werden, zu der
Verbreitung endemischer Pflanzen des Gebiets überhaupt, so ist auch
hier der Gegensatz des Gebirgs zu den Ebenen höchst auffallend.
Weit überwiegend sind die Gebirgspflanzen an engere Räume gebunden
und kehren auf entfernt gelegenen Höhenpunkten nicht wieder,
wo sie dieselben Bedingungen des Fortkommens finden würden. Die
Grösse des Raums, [den die Pflanzen bewohnen, steht in geradem
Verhältniss zu ihrer Wanderungsfähigkeit, in umgekehrtem zu den
Hindernissen, die der Wanderung entgegenstehen. In den grossen
Tiefebenen bestehen solche mechanische Hindernisse nicht, hier sind
die Vegetationscentren nur da noch deutlicher erkennbar, wo Gebirge
die Wanderung aufhalten. Eine Reihe endemischer Pflanzen besitzt
das Tiefland Ungarns, welches rings von den Karpaten und den mit
den Alpen sie verbindenden Höhenzügen umschlossen ist, und deutlich
lässt sich wahrnehmen, wie die Oeffnung des Donauthals manche
Erzeugnisse der ungarischen Flora stromaufwärts bis Wien und auf
das Marchfeld, abwärts in die bulgarische Ebene, oder wie sie das Thal
der Morawa nach Serbien hat gelangen lassen. Das übrige Deutschland
hat gar keine endemische Pflanzen aufzuweisen, die französischen
sind entweder Gebirgserzeugnisse oder diejenigen, welche der Gas-
cogne eigen sind, verbreiten sich ihrer klimatischen Sphäre gemäss
mehr oder minder weithin an den Küsten des atlantischen Meers. In
der grossen Tiefebene des nördlichen Europas finden wir fast nur
klimatische Grenzen der Verbreitung, die südlichen, die westlichen,
die östlichen Arten verlieren sich nordwärts, ost- oder westwärts
ganz allmälig eine nach der anderen und ausserdem kreuzen sich die
Vegetationslinien auf mannigfaltige Weise. Auch der Ural, an dem
doch gewisse Arten eine mechanisch wirkende Schranke finden lSl),
wird von der Mehrzahl überstiegen, und erst im östlichsten Asien
treten neue endemische Centren auch im Tieflande des Amur auf,
der von Sibirien durch den Stanowoi und Chingan abgesondert ist:
denn die zahlreichen eigentümlichen Pflanzen Dauriens gehören
nicht hieher, weil ihr beschränktes Vorkommen von dem Steppeneinfluss
der Gobi und daher von Einwanderungen aus einem anderen
Florengebiete abzuleiten ist.
Die Vegetationscentren der mittel- und nordeuropäischen Gebirge
bilden, nach dem Reichthum ihrer endemischen Erzeugnisse
geordnet, folgende Reihe: Alpen (190), Pyrenäen (88), Karpaten
(29), Cevennen (2), Ural (1). Aus keinem anderen Gebirge sind
mir Pflanzen bekannt geworden, die demselben ausschliesslich angehörten.
Die Ziffern beziehen sich auf die Dokumente meiner
Pflanzensammlung, die ich, um Schwierigkeiten der Systematik zu
entgehen, den folgenden Untersuchungen zu Grunde lege. Zuerst