gegen das Amurland dem chinesischen Tieflande offener gegenüberliegt.
Wo der Amur unweit seiner Mündung die Küstenkette durchschneidet
(53°N.B.), ändert sich die Physiognomie der Natur plötzlich,
die Vegetation nimmt einen nordischen Charakter4°) an, die
Laubwälder verschwinden, Nadelhölzer, Tannen und Lärchen herrschen
wieder, wie im Inneren Sibiriens. Südwärts hat man diese
Flora längs der Meerenge der Tartarei (bis 4g°N.B.) wenig verändert
gefunden. Die Nordhälfte der gegenüberliegenden Insel
Sachalin, von welcher der südliche Theil der japanischen Flora zugesprochen
ward, gleicht ebenfalls den nördlichen Küstenländern
des Meerbusens von Ochotsk4I) , wo das Klima einen gemischten
Charakter zeigt und kühle Sommer mit strenger Winterkälte verbindet.
Die Landschaft ist mit Tundren bedeckt, auf welche die
Zwerg-Arve [P. Cembra pumila). von den Bergen herabsteigt. Die
Wälder bestehen aus Lärchen und Birken (B. alba) , wie im hohen
Norden Sibiriens.
Erst die Halbinsel Kamtschatka sondert sich als letzte und östlichste
Vegetationszone durch ein milderes Seeklima von dem übrigen
Festlande, aber deren Flora ist noch wenig genau bekannt. Als
Charakterbaum derselben kann man vielleicht die kamtschadalische
Birke (.Betula Ermani) bezeichnen. Denn wiewohl dieselbe auch die
Küstenkette Ostsibiriens überschreitet und auf den Höhen der Südhälfte
von Sachalin beobachtet worden ist42), so verhält sie sich
doch wahrscheinlich ähnlich wie die sibirischen Nadelhölzer, die dem
Amurlande nicht fehlen, aber unter dessen günstigeren Vegetationsbedingungen
daselbst die Gebirgsregionen, nicht aber, wie in Sibirien,
das Tiefland bewohnen.
Nördlich von der Mündung des Amur wird das Klima des Litorals
bald noch rauher als an der Meerenge, am ochotskischen Golf
besteht die Vegetation nur aus einem »lichten, oft verkrüppelten
Lärchenwald« 4°) und ist mit den nördlichsten Wäldern Sibiriens zu
vergleichen. Auf Kamtschatka hingegen wechselt der kühle Sommer
des Seeklimas mit gemässigter Winterkälte «). Das Litoral des
Festlandes44) hat im Umkreise des Meerbusens von Ochotsk und
über die Amurmündung hinaus die viel strengeren Winter des Binnenlands,
von dem es sich durch grössere Feuchtigkeit, durch beständige
Nebelbildungen unterscheidet. Hiedurch wird die Sommerwärme
gemindert, an der Mündung des Amur noch nicht erheblieh45)
, aber doch dabei ein Grenzwerth überschritten, der die Vegetationsperiode
auf ein kürzeres Zeitmaass einschränkt, so dass an
der Küste die Nadelhölzer, welche im Inneren in das Gebirge rücken,
nun in die Ebene hinabsteigen. Von dem Klima Kamtschatkas weiss
man43) , dass hier die Sommerwärme wenig höher ansteigt als im
Litoral von Ochotsk; da aber der Winter bei weitem milder ist, so
wird auch die Vegetation früher erwachen und daher in Kamtschatka
eine Periode der Entwickelung von ähnlicher Dauer wie im Amur-
lancle möglich sein, während doch die geringere Sommerwärme
dessen südlicheren Laubhölzern nicht genügt.
Fassen wir nun die Vertheilung der Bäume in Russland und
Sibirien im Ganzen zusammen, so ist ihre Anordnung in allen Fällen
auf die Dauer der Vegetationszeit zurückzuführen, deren Verkürzung
entweder auf der steilen Temperaturkurve des kontinentalen Klimas
oder auf der Abnahme der solaren Wärme beruht, und die zugleich
dadurch bestimmt wird, dass die verschiedenen Baumarten während
ihrer einzelnen Entwickelungsphasen sich gegen die Temperatur ungleich
verhalten. Von den grossen, natürlichen Abschnitten des
Gebiets entsprechen die Eichenwälder des europäischen Russlands
und des Amurlandes der längeren, die Nadelwälder, in welche die
Birke eintritt, der kürzeren, unter diesen die Lärchen der kürzesten
Vegetationsperiode, und in der Mitte stehen die gemischten Bestände
Kamtschatkas, wo die Entwickelungszeit verlängert, aber die
Sommerwärme vermindert ist.
In dem Buchenklima des westlichen Europas sind die Verhältnisse
nicht so einfach. Hier giebt es Gewächse, welche die Winterkälte
des Binnenlandes nicht ertragen, andere, die bei der niederen
Sommerwärme der Küste nicht bestehen können, und bei diesen
Beschränkungen ist die ungleiche Dauer der Vegetationsperiode
ebenfalls in Betracht zu ziehen. Die Sommerwärme wächst gegen
Südosten mit der steigenden solaren Wärme und mit dem Abstande
von der Küstenlinie: Vegetationslinien von gleicher Lage, wie die
der Edeltanne und des Weinstocks, lassen also auf eine Abhängigkeit
von diesem klimatischen Werthe schliessen. Die Winterkälte
aber nimmt nach Nordosten zu, weil auf sie die Polhöhe in entgegengesetztem
Sinne wirkt und die Einflüsse des Meers und des atlantischen
Golfstroms diese Wirkung mässigen. Da nun die Pmt-
wickelungsperiode der Pflanzen in derselben nordöstlichen Richtung
verkürzt wird, so entsteht hier die schon bei der Buche berührte