Stammorganismen, die bei ihrer Wanderung sich mehr oder weniger,
oder auch gar nicht verändert hätten. Lassen wir indessen die Hypothesen
über ihre Abstammung zur Seite, so darf doch ein wesentlicher
Unterschied zwischen vikariirenden und identischen Arten
nicht übersehen werden. Während nämlich die ersteren an so entfernten
Orten der Erdoberfläche Vorkommen können, dass ein Austausch,
selbst in früheren geologischen Perioden, undenkbar erscheint,
wie bei manchen Eriken des Kaplandes und Europas, ist
es hingegen bei identischen Arten beinahe immer möglich, aus der
Form des Wohngebiets und aus den Hülfsmitteln, die zur Bewegung
zu Gebote stehen, auf wirklich erfolgte Wanderungen zu schliessen.
Im ersteren Falle ist das oben berührte Gesetz in Wirksamkeit, dass
ähnliche Klimate auch ähnliche Organisationen erzeugen, was bei
den zahlreichen Parallelen zwischen den Tropenländern so besonders
deutlich ist, ohne dass eine Wanderung über die Breite des Oceans
angenommen werden kann. Ebenso ist das Klima der Ostküsten
unter den nördlichen Breiten beider Kontinente in mehrfacher Beziehung
ähnlicher als das von Japan und Kalifornien. Das Gemeinsame
besteht darin, dass in beiden Fallen die Polarwinde über das
Meer, die äquatorialen über das Festland kommen, und aus diesem
Grundverhältniss lassen sich die bedeutendsten klimatischen Gegensätze
der Ost- und Westküsten befriedigend ableiten. Es ist daher
begreiflich, dass die Floren der Ostküsten einander ähnlicher sind
als die von Ost- und Westküsten, auch ohne dass irgend ein Austausch
zwischen ihnen stattgefunden hat. Bei den identischen Arten
von weiter oder lückenhafter Verbreitung haben wir dagegen die
Aufgabe, den Mitteln, die zu ihren Wanderungen dienten, nachzuforschen,
wenn wir an der Einheit ihrer Entstehungsorte fest-
halten.
Bleiben wir indessen nur bei diesen letzteren stehen, so hat
Asa Gray auch für diese ein Problem aufgestellt, welches, wenn es
thatsächlich begründet wäre, die Ansichten über die ursprünglichen
Wanderungen der Pflanzen bedeutend beeinflussen müsste. Er
meint nämlich, dass mit den heute wirksamen Kräften ein Austausch
zwischen Japan und den vereinigten Staaten nicht möglich
sei, und dass daher geologische Veränderungen allein dazu dienen
könnten, die Gemeinsamkeit ihrer Erzeugnisse zu erklären, wobei
auch er natürlich immer die Einheit der Entstehungsorte voraussetzt.
Pflanzen, die das östliche Waldgebiet Nordamerikas bewohnen,
können sich nicht über die Behringsstrasse und die Aleuten
verbreiten, weil sie das dortige Klima nicht ertragen, und, wenn
sie nun auch in den Staaten des Westens, in Kalifornien und am
Oregon, fehlen, können sie auch nicht über das stille Meer nach
Japan gelangt oder von da eingewandert sein. Diese Verbindungen
setzen daher nach der Meinung Asa Gray’s Aenderungen des Klimas
voraus, dis einer geologischen Vorzeit angehören, und deren Annahme
in den vegetabilischen Ueberresten der Tertiärperiode ihre
Begründung finde. In den miocenischen Schichten von Vancouver 49)
sind Holzgewächse (Palmen, Laurineen, Ficus) nachgewiesen, die
jetzt die Westküsten Amerikas in diesen Breiten nicht mehr bewohnen,
wohl aber in Japan ihre Analogieen besitzen, und unter diesen
einige, die von Bäumen der südlichen atlantischen Staaten nicht zu
unterscheiden sind (z. B. Persea carolinensis). Zu dieser Zeit, ist
die Schlussfolgerung Asa Gray’s, konnten demnach Wanderungen
über alle Meridiane zwischen den Ostküsten beider Kontinente
stattfinden, die jetzt nicht mehr möglich sind. Ich kann hierin
doch nichts erkennen als die allgemeine geologische Thatsache,
dass die klimatischen Absonderungen der Erde durch alle früheren
Zeitalter hindurch allmälig fortgeschritten und die einzelnen Floren
erst nach und nach bestimmter individualisirt worden sind. Wanderungen
konnten daher allerdings in früheren Perioden über
weitere Räume sich erstrecken als gegenwärtig. Dass aber wirklich
die heutige Vegetation ein so hohes Alter habe, steht doch
nicht so fest, als dass man nicht versuchen müsste, andere Erklärungen
aufzufinden, die sich auf die in der Gegenwart wirkenden
Kräfte einschränken.
Eine genauere Untersuchung der wirklich identischen Arten in
Japan und Nordamerika führt mich vielmehr dahin, nur in wenigen
Fällen Wohngebiete anzunehmen, deren Lücken unerklärlich wären.
Schon Miquel’s Verzeichniss zeigt eine weit geringere Uebereinstim-
mung zwischen Nordamerika und Japan als zwischen Japan und
anderen Floren der alten Welt, selbst den europäischen. Aber dasselbe
muss noch bedeutend reducirt werden. Unter 81 Arten, die
Miquel für identisch erklärt, und die allerdings in Alaska nicht bestehen
können, finde ich 41, die auch im Westen Nordamerikas
einheimisch sind und also noch täglich ihre Samen über das stille
Meer ausstreuen können. 17 Arten sind nach meiner und anderer
Botaniker Ansicht nicht identisch oder zweifelhaft und gehören