einer in ein fremdes Klima übergegangenen Art sich bedient, der zu
unpassender Zeit eintretenden Erwärmung Widerstand zu leisten, so
möchte ich doch schliesslich noch eine Thatsache erwähnen, welche
vielleicht künftig einiges Licht über diesen Punkt verbreiten wird.
In Jahren anomal veränderter Temperaturkurve verhalten sich die
Pflanzen, deren Blüthezeit in verschiedene Monate fällt, nicht gleichartig.
ImJ. r86g machte ich diese Beobachtung, als der April in
Norddeutschland ungewöhnlich warm, der Juni um so kälter war.
Frühlingspflanzen, Zwiebelgewächse [Gagen), beschleunigten ihre
Vegetation ungemein, nicht aber die erst im Mai blühenden Orchideen,
deren Knollen durch die Aprilwärme nicht zum Treiben veranlasst
wurden, und am wenigsten die Stauden (z.B. Umbelliferen),
die im hohen Sommer zur Blüthe gelangen, und die, ohne durch die
Frühlingswärme beeinflusst zu sein, durch den kalten Juni so zurückgehalten
wurden, dass sie zum Theil um mehrere Wochen in ihrer
Entwickelung zurückblieben. Dies sind offenbar ganz ähnliche Erscheinungen,
wie die der verspäteten Eichenbelaubung in südlichen
Ivlimaten. Nähme man an, dass der Winterschlaf nur scheinbar eine
I eriode völligen Stillstands wäre, so liesse sich denken, dass diejenigen
Processe, die zu dieser Zeit verborgen sich vollziehen, erst
vollendet sein müssen, ehe die gesteigerte Wärme auf die nachfolgenden,
sichtbar hervortretenden Phasen der Vegetation wirken
kann. Nach dieser Vorstellung bliebe die Eiche gegen die Wintertemperatur
in Nizza unempfindlich, weil ihre Organe noch nicht zur
Belaubung vorbereitet sind, so wenig wie die Orchideenknollen von
1869 zum Blühen es waren, als der warme April an ihnen vorüberging.
Vielleicht werden vergleichende Untersuchungen über die
anatomischen Zustände des Gewebes zu verschiedenen Zeiten des
Winters einst über diese Verhältnisse näheren Aufschluss geben.
Werfen wir nun noch einen Rückblick auf die Cerealien, so erscheint
auch die Verkürzung ihrer Entwickelungszeit im Süden unter
einem neuen Gesichtspunkte. Nicht alle Gewächse sind, wie die
Bäume, an bestimmte Monate desjahrs gebunden, sondern es giebt
auch nicht periodische, und dazu gehören namentlich die Cerealien,
von denen angenommen wird, dass man sie zu jeder Zeit säen und
ernten könne, vorausgesetzt dass sie die erforderliche Wärme und
Feuchtigkeit finden. Was mag nun wohl der Grund sein, dass man
im südlichen Italien den Weizen um so später säet, je wärmer das
Klima wird, in Rom zu Anfang November, in Neapel in der Mitte
dieses Monats und'in Palermo erst in den ersten Tagen des December?
Sollte nicht die Erfahrung dazu veranlasst haben, dass auch
hier die Saat zwar bei sinkender Temperatur keimt, bald aber in
ihrem Wachsthum still steht, bis das Thermometer wieder zu steigen
beginnt und nun erst die der Blüthezeit nöthige Wärme gesichert ist?
Die klimatischen Beobachtungen lehren, dass der Decembci und dei
Januar in Neapel wärmer sind als in Rom, die folgenden Monate
aber nicht, wogegen in Palermo während der ganzen Zeit vom December
bis zum April das Thermometer höher steht als in Neapel.
Kommt es also nur darauf an, dass, so lange die Temperatur sinkt,
der Weizen kräftig genug wird, um den winterlichen Stillstand zu
ertragen und für das spätere Wachsthum genugsam vorbereitet zu
sein, so kann dies in Sicilien noch im December erreicht werden, in
Rom aber nicht, und man muss daher um so früher säen, je kälter
die Monate werden, die dem Wintersolstitium vorausgehen. Wäre
die Vegetation des Winterweizens eine stetig fortschreitende, überall
wo die Wärme sich im Winter über 6° hält, so ist unerklärlich,
warum die Entwickelungsperiode sich in Palermo gegen Neapel verkürzt,
da an beiden Orten die Temperatur des kältesten Monats
höher steht. Wenn aber das Sinken und Steigen der Wärme dabei
von Einfluss ist, so hängt es von der Temperatur der ersten Monate
des Jahrs ab, wie früh die Ernte eintritt.
Alle diese Thatsachen weisen darauf hin, dass es nicht die
Mittelwärme der drei feuchten Jahrszeiten ist, die uns im Gebiete
des Mittelmeers einen klimatischen Maassstab für die Vegetationsperiode
giebt, sondern dass die Monate, in denen die Tempeiatur
steigt, viel einflussreicher auf das Pflanzenleben wirken als die des
Herbstes, wo sie sinkt. Die Herbstphasen sind eigentlich nur als
Vollendung und Abschluss dessen anzusehen, was im Frühhnge vorbereitet
war. Diese Auffassung wird auch dadurch unterstützt, dass
die bedeutendsten Verschiedenheiten, die der Vegetationscharakter
der einzelnen Länder zeigt, von der Winter- und Prühlingswarme
und von dem Eintreten der trockenen Jahrszeit in weit höherem
Grade abhängen als von dem Klima des Herbstes. Ueber die Dauei
der Vegetationszeit während der ersten Jahreshälfte, also bei steigender
Temperatur bis zum Aufhören des Regens, lassen sich folgende
Angaben zusammenstellen, die theils unmittelbare Beobachtungen
über die Wachsthumsperiode der Pflanzen sind, theils sich
auf die klimatischen Messungen beziehen, denen ich die Mittel