Niveau verbreiten. Man darf daher wohl als allgemeines Ergebniss
dieser Untersuchung annehmen, dass die mittlere Schneelinie bereits
in Lappland in ihre tiefste Lage eintritt, weil in noch höheren Breiten
der niedrige Sonnenstand sich wenig mehr ändert und die zunehmende
Tageslänge auch diesen Unterschied auf hebt, und dass, wo
sie noch mehr als in Lappland herabgedrückt ist, dies den örtlichen
Einflüssen zuzuschreiben ist.
Vegetationscentren. Die Vertheilung der Vegetation in der
arktischen Flora lässt sich von den örtlichen Bedingungen des solaren
Klimas und der Bodenwärme ableiten, nicht aber in allen Fällen die
Anordnung der Arten, welche, ohne allgemein durch die Polarländer
verbreitet zu sein, nur im Bereich bestimmter Meridiane Vorkommen.
Wo das wirkliche Wohngebiet einer Art enger ist als das mögliche,
wie Boden und Klima es bedingen, da hebt das historische Problem
an, es muss untersucht werden, ob die Erscheinungen aus den Bedingungen
der Pflanzenwanderung zu erklären sind, welche, von
einem ursprünglichen Centrum ausgehend, bis zu ihren heutigen
Grenzen fortgeschritten sind.
Das merkwürdigste Ergebniss der Untersuchungen über die
Anordnung der arktischen Pflanzen besteht darin, dass die grönländische
Flora mit dem alten Kontinent in einer engeren Verbindung
steht als mit Amerika. Abgesehen von der Gesammtmasse der arktischen
Arten, die rings um den Pol mehr oder minder gleichmässig
verbreitet ist, zählt Hooker38) 39 Pflanzen, die auf den Inseln im
Norden von Amerika, nicht aber in Grönland Vorkommen, daeegen
18 europäische, die in Grönland wiederkehren und jenseits der Baf-
finsbai gar nicht gefunden sind, und fast ebenso viele, die nur sporadisch
in Labrador oder den White Mountains auftreten und daher
ebenfalls als von Osten nach Amerika eingewandert zu betrachten
sind. Die Baffinsbai bildet eine Vegetationsgrenze etwa für den
achten Theil der Plora der arktisch-amerikanischen Inseln, und ein
ebenso grosser Theil der grönländischen Pflanzen hat diesen Meerbusen
nicht oder kaum überschritten, ln der Flora Grönlands findet
Hooker nur 6 Arten, die nicht auch in Europa oder Nordasien einheimisch
wären, und auf diese beschränkt sich die Verknüpfung mit
den Erzeugnissen des amerikanischen Kontinents. Wenn das Meer
den Wanderungen der Pflanzen als eine Schranke entgegentritt, deren
hemmende Wirkung in gleichem Verhältniss mit der Entfernung der
Küsten wächst, so bietet uns die Absonderung der grönländischen
Flora von Amerika eine entschiedene Ausnahme von diesem allgemeinen
Gesetze. Denn im Norden ist Grönland durch den engen
und mit einer selten sich lösenden Eismasse erfüllten Smithsund mit
Grinnelsland und dadurch mit dem arktischen Amerika auf das engste
verbunden; die Baffinsbai selbst ist verhältnissmässig schmal gegenüber
der grössten Meeresbreite des ganzen bekannten Polarbeckens,
welche die grönländische Ostküste von Skandinavien oder gar von
Asien trennt, woher doch, wie ich glaube annehmen zu dürfen, die
Pflanzen nach diesem Polarlande eingewandert sind.
Hooker hat den Versuch gemacht, diese und andere Eigen-
thümlichkeiten der grönländischen Flora, die er mit Recht als den
Schlüssel zu dem Vertheilungsgesetze der arktischen Pflanzen betrachtet,
aus Darwins Hypothese 3$) über die Wanderungen derselben
in der Glacialzeit abzuleiten. Diese Hypothese nimmt an. dass die
heutige Flora Skandinaviens aus älteren geologischen Perioden
stamme und vor der Glacialepoche über die Polarzone gleichmässig
verbreitet gewesen sei. Als dann nach einer beliebten Vorstellungs-
weise ein arktisches Klima über den ganzen Planeten sich ausgebreitet
habe, seien die Polarpflanzen immer mehr nach dem Aequator zurückgedrängt
und bei wiederkehrender Wärme auf ihre früheren
Wohnorte zurückgekehrt, indem sie zugleich in die alpinen Regionen
der südlichen Gebirge emporstiegen, um sich hier dauernd anzusiedeln.
Hooker meint nun, dass bei dieser rückkehrenden Wanderung,
die nach der Richtung der Meridiane erfolgte, der Archipel
des arktischen Amerikas aus dem Kontinent Gewächse empfangen
konnte, die nicht nach Grönland gelangten, weil dieses nach Süden
in das atlantische Meer ausläuft und daher nur diejenigen Arten
wiederempfing, die während der Glacialzeit sich im südlichen Theile
des Landes selbst erhalten konnten. Ich möchte gegen diese Hypothese
unter so vielen Einwendungen, die sich darbieten, mir hier nur
eine einzige Bemerkung erlauben, indem ich glaube, dass, wenn einfachere
Erklärungen möglich sind, es überflüssig wäre, näher auf
jene Vorstellungen einzugehen. Wenn es wirklich eine Zeit gab, in
welcher der ganze Planet mit Eis bedeckt war oder doch auch nur
das Klima der heutigen Polarländer besass, so konnte damals das
Baumleben nirgends bestehen. Dieselben Naturforscher nun, die
kein Bedenken tragen, eine Glacialzeit in diesem Sinne vorauszusetzen,
nehmen zugleich an, dass die heutigen Wälder mit denen der
Braunkohlenperiode in einem genetischen Zusammenhänge stehen,