trockenen Jahrszeit die Atmosphäre in der nordindischen Ebene zu
trüben pflegen, bedingen andere Pflanzenformen als der heitere, von
der Sonne durchglühte Himmel der Savane auf den Sundainseln. Ein
drittes, viel bedeutenderes Moment liegt in dem Dampfgehalt der
Luft, unter dessen Einwirkung die Tropen die höchste Fülle und
Ueppigkeit der Vegetation erreichen. Nicht als ob der Wasserdampf
zur Saftmenge der Gewächse unmittelbar beitrüge, sondern darin
besteht der Einfluss der feuchten Atmosphäre des Jungle auf das
Pflanzenleben, dass die Wasserströmung im Gewebe verlangsamt
wird, wenn durch die beschränkte Verdunstung weniger Saft verloren
geht. Gewisse Organisationen der Tropenzone, wie die Farne,
die Orchideen, die Piperaceen, bedürfen dieses langsamen, aber ununterbrochenen
Saftstromes, um das Gleichgewicht zwischen der
Aufnahme des Wassers durch die Wurzeln und der Abgabe durch
die Blätter zu behaupten.
Vegetationsformen. Die tropischen Vegetationsformen haben
in ihrer Bildung so viel Gemeinsames, dass es passend erscheinen
könnte, von einer allgemeinen Betrachtung derselben auszugehen.
In den Wäldern findet sich nur selten der einfache, auf grossen
Flächen übereinstimmende Baumschlag der gemässigten Zone, der
auf der geselligen Verbindung gleichartiger Individuen beruht, die
verschiedensten Formen von Holzgewächsen sind unter den Tropen
in demselben Bestände vereinigt und die vorherrschenden, die in der
Gestaltung ihres Laubes und ihrer Verzweigung nicht sogleich das
Eigentümliche im Einzelnen erkennen lassen, zeigen, wenn man die
Blüthen und Früchte beachtet, eine Mischung besonderer Arten nicht
bloss, sondern auch von ungleichen Gattungen und Familien. In
den tropischen Pflanzensammlungen bilden daher die Holzgewächse
stets den überwiegenden Bestandtheil. Aehnliches wiederholt sich
in den zahllosen Schlinggewächsen und den auf den Baumstämmen
befestigten Epiphyten, welche das dunkle Laubdach beschattet und
in deren reicher Fülle die tropische Flora Vielförmigkeit vegetativer
Bildungen und höchste Raumbenutzung anstrebt. Die Savanen sodann
stehen zwrar weit gegen die Wälder in der Verschiedenartigkeit
ihrer Erzeugnisse zurück, aber auch sie folgen in den meisten
Tropenländern denselben Normen der Gestaltung. Mehr als fünfzig-
grössere Familien Ir), fast die dreifache Anzahl von den über die
ganze Erde verbreiteten Hauptgruppen, sind in der heissen Zone
entweder vorherrschend vertreten oder derselben fast p-anz eipenthümlich,
indem sie die Wendekreise nur in vereinzelten Gattungen
oder Arten überschreiten, und mit wenigen Ausnahmen bewohnen
sie mehr oder minder gleichmässig alle Tropenländer.
Indessen hat eine zusammenfassende Darstellung der Tiopen-
veo-etation die von solchen allgemeinen Andeutungen zu bestimmteren
Umrissen fortschreitet, immer das Bedenkliche, durch erhöhte
Uebersichtlichkeit an Wahrheit einzubüssen, wie dasMotto zu Ritters
Erdkunde, dass der Irrthum leichter als das verwirrende Urtheil m
der Wissenschaft zu beseitigen sei, warnend zu erwägen giebt. Man
müsste alle Tropenländer aus eigener Anschauung vergleichen können
um sicheren ^.uges das ihnen Gemeinsame aufzufassen. Die
Quellen, denen wir zu folgen haben, leisten dies nicht, und wir werden
daher an die Literatur, je nachdem sie in der Darstellung der
einzelnen Floren die eine oder andere Seite der tropischen Natur in
den Vordergrund stellt, uns anschliessen müssen, ohne zu verschweigen
, dass manche aus einer einzigen Landschaft geschöpfte
Anschauungen auch auf andere Gebiete ihre Anwendung finden,
und ohne Wiederholungen gleichartiger Gegenstände zu scheuen, die
leichter zu ertragen sind als voreilige Verallgemeinerungen. ie
Münzenden Schilderungen des amerikanischen Urwalds haben Man
chen in Verwunderung gesetzt und unbefriedigt lassen mussen, wenn
er in Ostindien doch nur wenig von seinen gesteigerten Erwartungen
verwirklicht fand. Und doch stehen die Pflanzenformen des indischen
Archipels denen Südamerikas, wo die Ueppigkeit vegetativen
Lebens zur höchsten Energie sich entfaltet, so wenig nach, dass nach
Zollinger’s Versicherungzi) mehrere unter den von Martius heraus
gegebenen brasilianischen Landschaftsbildern auch als Typen der
Vegetation von Java gelten können. Aber das ist gerade das C m-
rakteristische für das tropische Asien, dass, wie es alle Abstufungen
des Tropenklimas umfasst, auch die Vegetation vom grössten Reichthum
bis zur Aermlichkeit der Wüste sich vereinfacht. Diesem
Hauptverhältniss gegenüber scheint es weniger bedeutsam, dass die
Kultur hier in weit grösserem Umfange die ursprünglichen Naturzustände
gestört hat als in den übrigen tropischen Kontinenten. In
der That ist die Bevölkerung Indiens weitaus die dichteste unter
allen Tropenländern und erreicht ebenso hohe Ziffern«) wie: in
Europa und China. Auch hat der Anbau des Bodens in vielen Gegenden
Hindostans die meisten Züge tropischen Pflanzenlebens \ ei
wischt: indessen ist Java nicht weniger stark bevölkert und doch