aus den feuchten Aequatorialwäldern die Regenzeit, welche das
Leben der Vegetation erneuert. Diesen Savanen, die nach Norden
imd W esten bis an den Fuss der Gebirge reichen, treten in den beiden
anderen Himmelsrichtungen die Wälder des Tieflands entgegen,
im Süden, im Gebiete der Bifurkationen des Orinoko und Amazonas
in einer so mächtigen Ausdehnung, dass dadurch der Austausch der
Pflanzen mit denen der klimatisch verwandten Campos Brasiliens
fast vollständig verhindert wird. Hier kann die Südgrenze der Sa-
vanen von Venezuela etwa unter den sechsten Grad nördlicher Breite
gesetzt werden, wo Humboldt, den Orinoko hinauf fahrend, die
Wälder von Atures betrat, die in allmäligen Uebergängen in die des
Amazonenstroms hinüberführen (6°—2 0 N. B.). Die noch viel entschiedenere
Vegetationsgrenze auf der pacifischen Seite des Kontinents,
welche durch die Regenlosigkeit der peruanischen Küste bedingt
wird, rückt hingegen, wie bemerkt, einige Grade südwärts
über den Aequator hinaus. Zwischen diesen beiden so ungleichen
klimatischen Wendepunkten aber ist die Erhebung der Anden so
übereinstimmend gebildet, dass die Flora dieses Gebirgs sich fast
unverändert bis zum Isthmus fortsetzt. Durch die Meridianzone der
Kordilleren wird wie durch einen Keil die Vegetation des Magda-
lenenthals von der Westküste Neu-Granadas abgeschieden.
Vegetationsformen und Formationen. Wenn wir in der
alten Vv eit die Tropenländer in weitem Umfange zusammenfassend
und bei aller örtlichen Verschiedenheit durch die Vermischung ihrer
Erzeugnisse verbunden darzustellen versuchten, in Amerika dagegen
eine grössere Reihe von abgesonderten IAoren unterscheiden, so ist
damit nicht gemeint, dieser Kontinent sei einem grösseren klimatischen
Wechsel unterworfen oder mannigfaltiger gegliedert als das
indische Monsungebiet, sondern diese Auffassung hat darin ihren
Grund, dass der Austausch der Vegetationscentren durch den Küstenumriss
, die Gebirge und das Klima dort in weit höherem Grade erschwert
wird. Von der grossen Mehrzahl der in den einzelnen Floren
einheimischen Gewächse wird weder das Meer Westindiens, noch das
Meridiangebirge der Anden, noch die breite Zone von äquatorialen
Urwäldern am Amazonas, die Hylaea Humboldt’s, überschritten. Die
Ebenen des tropischen Amerikas unterscheiden sich durch den systematischen
Charakter ihrer Floren, durch die Fülle endemischer
Arten, nicht aber in gleichem Maasse durch ihre Vegetationsformen,
die in den einzelnen Gebieten je nach den klimatischen Bedingungen
wiederkehren und daher einer erneuten Aufzählung nicht weiter bedürfen.
Sie können in Mexiko und Brasilien, an beiden Wendekreisen
und am Aequator übereinstimmen, wenn sie auch um so
mehr durch verschiedene Gattungen und Arten vertreten werden, je
ferner ihre Heimathsorte von einander entlegen sind. Allein da jede
Flora doch eine besondere klimatische Stellung hat und eine so
grosse Mannigfaltigkeit verschiedener Vegetationsformen, wie Mexiko
sie darbietet, sich in Südamerika kaum irgendwo wieder so eng zusammendrängt,
so scheint es angemessen, auf das Unterscheidende
hinzuweisen, welches in dem Vorherrschen gewisser Formen liegt
und noch bedeutsamer aus ihrer Anordnung sich ergeben wird. Eine
vergleichende Darstellungsweise wird zu wählen sein, um das Bild
der amerikanischen Tropenlandschaft zu vervollständigen. Aber, wie
bisher, soll auch hiebei nicht sowohl nach einer umfassenden Berücksichtigung
aller Gesichtspunkte gestrebt werden, als vielmehr nur
diejenigen zur Sprache kommen, die aus den Schriften der bedeutendsten
Reisenden uns entgegentreten.
Vom tropischen Urwald gab Humbold eben in Venezuela, am
oberen Orinoko, die erste anschauliche Schilderung6), auf welche
wir in der Darstellung des äquatorialen Gebiets zurückkommen. In
den Wäldern von Guiana, am Essequebo, hat Richard Schomburgk?)
ihre Vegetationsbedingungen von einer Seite aufgefasst, welche schon
früher von Kittlitz8) bei seinem Aufenthalt auf den Karolinen sinnreich
behandelt worden war. Es ist das Problem ihrer Beleuchtung,
es ist nachzuweisen, wie die Lichtquellen, die für die Thätigkeit der
Blätter unerlässlich sind, denselben ungeachtet der Ueppigkeit des
den Boden beschattenden Wachsthums überall zu Gebote stehen.
Wo Feuchtigkeit und Wärme unter den Tropen einen hohen Grad
erreichen, wiederholt sich stets die Verbindung verschiedener Vegetationsformen
und der Gegensatz in der Gestaltung und Grösse der
Baumstämme: in Guiana ragt über dem geschlossenen Laubdache
des Urwalds als wichtigstes Nutzholz die Mora [Dimorphandra ex-
celsa) , eine Leguminose der Tamarindenform, 160 Fuss hoch frei
empor.
Nachdem Schomburgk den gedrängten Wuchs der Bäume, die
Lianen, welche sie mit unzerreissbaren Netzen verknüpfen, nachdem
er die Epiphyten geschildert, von denen die hingestürzten wie die
lebenden Stämme bekleidet sind, verweilt er bei der Beleuchtung
dieser Wälder, die schon durch die häufige Umwölkung des Himmels