Kanäle, aus denen der Strom in der trockenen Jahrszeit zurücktritt,
entstehen Dickichte von Bambusen, die das wiederkehrende Wasser
zur raschen Entfaltung- treibt.
Die Wälder am Rio Negro unterscheiden sich von denen am
Amazonas durch die Seltenheit der Palmen und Lianen1*). Sie
werden von den Indianern zu den Capoes18) gerechnet, worunter
sie die aus der Ferne einem Hügel gleichenden Waldbildungen verstehen,
wo die Höhe des Baumwuchses nach der Mitte des Bestandes
zunimmt, der am Rande in Gebüsche und Zwergbäume übergeht.
Ihr Substrat besteht im Gegensatz zu dem im Amazonenthal vorwaltenden
tiefen Thonboden aus einer Sandsteinformation ” ), auf welcher
die Erdkrume daher leichter abtrocknet. Die nach Beleuchtung
strebenden Lianen fehlen, weil diese Wälder durch Gebüsche unterbrochen
und gelichtet sind; die Laubhölzer I9) erreichen nicht die
Höhe des Wachsthums wie im E te ; eine der wenigen Palmen wird
nur 15 Fuss hoch [Leopoldinia pulchra) , aber die Feuchtigkeit der
Luft über dem schwächer bewässerten Boden ist durch Aroideen und
durch Massen von epiphytischen Farnen angedeutet. So nahe es liegt,
diese Eigenthümlichkeiten von der abweichenden Beschaffenheit der
das Wasser durchlassenden Erdkrume abzuleiten, so genügt dies
doch nicht, die Grenzen der Formationen bis ins Einzelne zu erklären.
Bates bemerkt, dass dieselbe geognostische Unterlage am Amazonas
auf die Bildung des Waldes ohne Einfluss bleibt, und Spruce nimmt
einen saekularen Wechsel zwischen diesen Capoes und dem Ete an,
in dessen Innerem die ersteren, wie der Ueberrest einer älteren
Vegetation, inselförmig auftreten.
Jede Vegetationsformation, die eine längere Zeit hindurch bestanden
hat, muss, auch wenn sie dem Boden durch die Verwesung
ihrer Organe die Mineralstoffe zuriickgiebt, welche sie ihm entnommen
hatte, nach und nach verändernd auf die Beschaffenheit der
Erdkrume einwirken, schon deshalb, weil ihre Wurzeln in eine gewisse
, mittlere Tiefe reichen, die sie auslaugen, ohne derselben
Schicht einen Ersatz zu bieten, den sie vielmehr der Oberfläche zuwenden.
Allgemein ist die Abhängigkeit der Formationen von der
geognostischen Unterlage so aufzufassen, dass, wo der Charakter
der Erdkrume in ihren physischen Einflüssen auf die Wasserverthei-
lung oder in den chemischen Nährstoffen eigenthümlich ausgeprägt
ist, auch eine bestimmte Vegetation sich dauernd behaupten kann,
wo aber die Ablagerung der Mineralkörper weniger scharf gesondert
ist und ihre Anordnung mittlere Verhältnisse zeigt, auch derZeit
nach ein Gewächs leichter das andere verdrängt und, je nachdem
die Lage und Form der Bestandtheile des Bodens sich ändert, bald
diese, bald jene Gruppe den Sieg davon trägt. In den Wäldern,
deren Wurzelgeflecht gewöhnlich tiefer liegt als bei anderen Vegetationsformen,
wird ein saekularer Wechsel am leichtesten eintreten,
mag derselbe nun ein natürlicher sein, wie ihn Spruce im vorliegenden
Falle annimmt, oder mag er durch künstliche Lichtungen herbei-
o-eführt werden, denen in Brasilien stets ein Gemisch von neu auf-
tretenden Bäumen und Sträuchern nachfolgt, die Bildung der Ca-
poeires, welche daher wohl mit diesen Capoes am Rio Negro verglichen
werden können, die dem Ete-Walde voraus gehen und durch
diesen streckenweise ersetzt werden sollen.
Von dem Strom und den Kanallinien, die ihn begleiten, kann
man in das Innere der Waldbestände, wo das ewige Dunkel herrscht,
nirgends einblicken, weil ihre offenen, hell beleuchteten Säume stets
durch einen besonderen Rahmen von Vegetationsformen, wie durch
ein dichtes Gehäge, umschlossen werden. Eine eigenthümliche Formation
bekleidet die zahllosen flachen Inseln des Amazonas, wo gewöhnlich
aus dem Weidengesträuch2) die bleichen Cecropien als einzige
höhere Baumform hervorragen9), deren gewaltiges Bombaceen-
laub vom Gipfel der abstehenden Aeste sich ausspannt und seine
untere Silberfläche, vom Passat gehoben, emporstreckt. Der Wasserspiegel
selbst aber wird von dem Röhricht des 15 bis 20 Fuss hohen
Pfeilgrases umsäumt (.Arundo saccharoides) , dessen wollige Rispen
sich garbenförmig ausbreiten. Eine viel üppigere, in geselligem
Wachsthum wuchernde Vegetation verdeckt das Ufer des Igapo-
waldes, wo aus den Laubmassen der Scitamineen und Musaceen sich
reihenweise grössere Palmen, wie die dornige Jawari, erheben (Astro-
caryum Jauari) , oder die gedrängten 15 Fuss hohen Stämme einei
Aroidee (.Montrichardia) auf dem schlammigen Boden vereinigt stehen9).
So sehr alle diese Verbindungen der Ufer- und Inselgewächse
wechselnd in einander übergehen, so lassen sich doch auch hier
schon die Hauptformationen des Waldes dadurch unterscheiden,
dass da, wo der Ete unmittelbar von den tief eingeschnittenen
Kanälen berührt wird, die Bambusen die vortheilhaftesten Bedingungen
des Wachsthums finden, und dass in dem sandigen Gebiete
des Rio Negro die unansehnlichen Gesträuche jenen reicheren
Pflanzenwuchs verdrängen.