Spuren von Vegetationscentren auf den Tertiärkalken der gebirgs-
losen Karaiben nachgewiesen werden, wie es doch auf den noch jüngeren
Bildungen der Bahamas der Fall ist. Weder der geognostische
Bau an sich, noch die wahrscheinliche Dauer des insularen Bestehens
lassen einen Zusammenhang mit der Anordnung der Centren
erkennen. Wenn man auch muthmaassen darf, dass, je später eine
Insel aus dem Meere hervortauchte, die Bedingungen zur Entstehung-
endemischer Erzeugnisse um so seltener eingetreten sind, so konnten
doch durch erleichterten Austausch diese Zeichen ihrer geographischen
Absonderung auch auf dem ältesten Boden wieder verloren
gehen. Der Unterschied der Ergiebigkeit von Jamaika und Cuba
aber ist aus der physischen Beschaffenheit beider Inseln leicht zu
erklären: die Mannigfaltigkeit der Standorte ist überall die Ursache
des erhöhten Reichthums einer Flora. Jamaika hat höhere und ausgedehnte
Gebirge, ein verwickeltes Relief, einen wechselnden geo-
gnostischen Bau, und vor Allem sind hier die klimatischen Gegensätze
der beiden Abhänge einer westöstlich streichenden Hebungslinie
von entscheidendem Einfluss. Cuba ist gleichmässiger gebaut
und die Hochgebirge sind auf engen Räumen zusammengedrängt.
Alle diese Verhältnisse wirken zusammen, die Pflanzen Jamaikas
in ihrer Ausbreitung zu beschränken, und, sofern die Vegetationscentren
unter dem allgemeinsten Gesetze der organischen Natur,
dem der Adaptation stehen, so war ihnen hier ein weiterer Spielraum
zu ihren Bildungen gegeben als in Cuba.’
Nimmt man an, dass die vom Festlande eingewanderten Pflanzen
eine grössere Kraft haben, sich auszubreiten, als die an Ort und
Stelle erzeugten, so erklären sich daraus zwei anscheinend zusammenhangslose
Erscheinungen, von denen die eine auf die Anordnung
der Individuen, die andere auf das Verhältniss der Arten zu den Gattungen
sich bezieht. Die nächste Folge ist, dass die endemischen
Pflanzen zurückweichen, dass sie weniger gesellig, oft nur noch an
einzelnen Standorten anzutreffen sind und zuletzt vielleicht ganz aussterben,
sowie dass diese Verdrängung in demselben Maasse zunimmt,
als mit der Kolonisation die Ansiedelung fremder Gewächse befördert
wird. So sahen wir, wie sehr in Jamaika die Physiognomie der
Landschaft sich seit der Ankunft der Europäer verändert hat. Ferner
steht hiermit aber auch die andere Thatsache in Verbindung, dass
aus den endemischen Arten die grössten Gattungen der Flora hervorgehen.
Von grossen Gattungen besitzen immer nur bestimmte
Arten jene eigenthümlichen Kräfte, womit die physischen und physiologischen
Hindernisse auf ihrer Wanderung überwunden werden,
die schwächer ausgestatteten bleiben auf dem engen Raume ihrer
Heimath zurück. Die ersteren sind gleichsam mit den stärksten
Waffen gerüstet, um zu wuchern und sich massenhaft fortzupflanzen:
vom Klima und Boden am wenigsten abhängig, dehnen sie weiter
und weiter ihren Wohnort aus und mögen zuletzt auch das Meer
überschreiten. So kommt es, dass die Inseln eines Archipels aus
der Ferne nur einzelne Arten von den Gattungen des Festlandes
empfangen, während sie selbst Gattungen mit zahlreichen Arten36)
nach dem Gesetz der räumlichen Analogie ihrer Centren erzeugt
haben. Man kann daher die endemischen von den eingewanderten
Pflanzen oft schon dadurch unterscheiden, dass die Artenzahl in der
Gattung höher ist3?). Dieser Unterschied wird freilich durch die
endemischen Monotypen und dadurch verdunkelt, dass wegen der
Nähe des Festlandes von zahlreichen kontinentalen Gattungen auch
in Westindien einzelne endemische Arten entstanden sind.
Die auf einem fremden Boden angesiedelten Arten bringen in
gewissen Fällen klimatische Varietäten hervor, und diese von den
wirklich endemischen Arten aus einander zu halten, ist oft eine
schwierige Aufgabe für den Systematiker. Wie die Varietäten sich
zu ihren Stammarten verhalten, so stehen auch oft die endemischen
Arten und selbst die Gattungen zu denen des Kontinents in naher
Verwandtschaft. Diese Steigerung der insularen Eigenthümlich-
keiten, die nur dem Grade nach verschieden scheint, hat den Anhängern
des Darwinismus zur Stütze ihrer Ansichten gedient, indem
sie in dem Endemismus der Archipele überhaupt nur eine allmälig
eingetretene Umbildung der Organismen des P'estlandes zu erkennen
meinten. Allein neben der nachweisbaren Variation eingewanderter
Pflanzen und neben den Beispielen räumlicher Analogie der endemischen
Arten und Gattungen bieten die Archipele auch Reihen von
Organisationen, die mit dem Nachbarlande in keiner Beziehung
stehen 38). In Westindien sind die endemischen Gattungen (gegen ioo)
überwiegend monotypisch (mehr als 60) , und gerade unter diesen
finden sich die eigenthümlichsten Bildungen. Sie können nicht eingewandert
oder aus eingewanderten hervorgegangen sein, wenn ihre
Organisation den Normen nicht der räumlichen, sondern der klimatischen
Analogie sich unterordnet oder im System überhaupt eine
unvermittelte Stellung einnimmt. Gleich andern Archipelen, oder
Gr i seba c h , Vegetation der Erde. II. 2. Aufl.