dem Hochlande verdrängen müssten, nun nicht mehr fortkommen
und ihrer Ausbreitung daher ein freierer Raum vergönnt ist. So
entbehren die Pinheiros, die auf dem Tafellande von S. Paulo selbst
mit den Grasfluren abwechseln, hier auch der meisten übrigen tropischen
Vegetationsformen: allmälig verlieren sich jenseits des
Wendekreises die Lianen, der Wald wird einförmig, eine grosse
Menge von Farnkräutern vegetirt im Schatten der Bäume31). So
grosse Waldbestände finden sich in Minas nur auf dem geneigten
Boden der Gebirgsketten, nicht auf dem Tafellande selbst.
Mit zunehmender Feuchtigkeit verschwinden auf der Küstenterrasse
auch jenseits des Wendekreises die geschlossenen Pinheiros
und werden in der Provinz Santa Catherina durch gemischte Laubwälder
ersetzt, die sich bis zu den Grenzen von Uruguay erstrecken
und von Unterholz und Rohrgräsern oft undurchdringlich durchwachsen
sind. Wenn auch die Mischung der Bestandtheile des Urwalds
hier allmälig geringer wird und die Stämme, frühzeitig von
Stürmen niedergestreckt, nicht dieselbe Stärke erreichen wie unter
den Tropen, so sind ihre Kronen doch ebenso dicht, wie dort, mit
Epiphyten bedeckt2). Der Mato virgem hat seine Ausläufer am
atlantischen Meere so weit nach Süden ausgebreitet, als die wachsenden
Unterschiede der Wärmevertheilung nach den Jahrszeiten es
gestatten.
Wo die Urwälder Brasiliens gelichtet und die freien Stellen der
Natur überlassen werden, entsteht der Capoeira, ein Gehölz, dessen
Bäume, mit Sträuchern gemischt, durchgehends von denen des Mato
virgem verschieden sind28). Hier fehlt es an symmetrischer Ausgleichung
der Formen, und die weniger schöne Gestaltung des Laubs
und der Blüthen gewährt einen unerfreulichen Anblick. Diese regelmässige
Wiederkehr von Holzgewächsen, die meistens eine rauh
behaarte, also wahrscheinlich kieselreiche Blattfläche zeigen und
wodurch das geglättete Laub des ursprünglichen Waldes verdrängt
wurde, führt zu der Ansicht, dass ihre mineralischen Nahrungsstoffe
von denen der früheren Vegetation verschieden sind und
dass ihre Samen für einen solchen säkularen Wechsel seit einer entfernten
Vorzeit im Boden aufgespart wurden, um nun zur Keimung
zu gelangen, nachdem das Erdreich für das Gedeihen der bisherigen
Bäume erschöpft war. Die alten Stämme mochten sich bis zu einer
zufällig oder absichtlich eingetretenen Katastrophe erhalten, und
doch kann der Fall eintreten, dass die Erdkrume für den Baumwuchs
überhaupt zu sehr verarmte, so dass auch der Capoeira nicht
zur Ausbildung gelangt. Dann dauert es eine längere Zeit, bis wieder
Bäume aus dem niedrigen Gestrüpp sich erheben. Aber zuletzt
werden unter dem Einflüsse der Verwitterung und durch die Gewässer
wieder frische Quellen der Fruchtbarkeit flüssig, und schliesslich erscheint,
indem auch der Capoeira verdrängt wird, die alte Pracht des
Tropenwalds aufs Neue wiederhergestellt. Weit ungünstiger gestalten
sich diese Verhältnisse auf dem Tafellande der Campos, wo
die tiefen Ansammlungen des Humus selten sind und die schwache
Erdkrume auf dem anstehenden Gestein der Höhenzüge leicht vollständig
von den Holzgewächsen erschöpft werden kann. Denn je
grösser ein Stamm wird und je fester sein Gewebe ist, desto vollständiger
werden die mineralischen Nahrungsstoffe in dem der Verwesung
entzogenen Holzkörper gebunden. Grosse Flächen, die früher von
Capoes oder Catingas bewaldet waren, findet man jetzt in Minas
Geraes verödet und kaum zum Weidegrunde tauglich, indem sie sich
theils mit einem werthlosen, geselligen Farnkraut (.Pteris caudata),
theils mit einem klebrigen, unvertilgbaren Grase (.Melinis minutiflora)
bekleidet haben, welches zwar gern vom Vieh gefressen wird, aber
demselben nachtheilig sein soll15).
Wie die Bäume überhaupt nach Maassgabe ihres Umfangs und
der stärkeren Wasseraufnahme dem Boden mehr mineralische Bestandtheile
dauernd entziehen müssen als kleinere Gewächse, so erscheinen
auf den Campos neben den Catingas und den vereinzelten
Stämmen des Taboleiro coberto, wenn die Erdkrume weniger Nahrungbietet,
zusammenhängende Gesträuchformationen, die den feuchteren
Küstenlandschaften fehlen und deren Zusammensetzung bereits
erwähnt wurde. Carrascos heissen sie, wenn die Höhe ihres Wuchses
dem Reiter gestattet über sie hinweg in die Ferne zu schauen,
oder auch, wenn sie nur ein niedriges Gestrüpp bilden, Carrasceinos
dagegen, wenn sie sich zu 20 oder 30 Fuss erheben8). Sie scheinen
also in diesem tropischen Klima die Sträucher des Kaplandes doch
an durchschnittlicher Höhe des Wachsthums zu übertreffen.
Sowie alle diese Formationen der Campos durch Uebergänge
verbunden sind, so lösen sich auch die Carrascos zu einzelnen, über
die Ebene zerstreuten Sträuchern auf (Campo serrado) oder weiden
durch die baumartigen Liliaceen ersetzt (Campo aberto). Erst, wenn
die Holzgewächse fast ganz verschwinden, dehnt sich die reine Grasflur
mit ihrem reichen Blumenschmuck über uneimessliche Flächen