die Epiphyten, bis auf das kleinste Farnkraut am Boden zeigen ein
Streben nach excentrischer Ausbreitung, welches den einzelnen Organen
nicht gestattet, auf einander zu lasten, sondern in beständig
SIch kreuzenden Linien überall Zwischenräume bildet für den Durchgang
der Luft und des Lichts«. Hier spricht die Natur den Menschen
an wie in den edelsten Werken mittelalterlicher Baukunst
deren Spitzbögen arabischer Herkunft jene Durchbrochenheit bei
riesigen Massen und höchstem Reichthum an Ornamenten von den
mit ihren Fiederblättern sich berührenden Palmen entlehnt zu haben
scheinen. Eben durch dieses Streben aller Gewächse zu den nach
aufwärts reichlicher gespendeten Lichtquellen wird die Unterschei
düng der einzelnen Bestandteile des Tropenwaldes in noch höherem
Grade erschwert als durch die Unzugänglichkeit des Bodens : von
den Lianen sind oft nur die blattlosen Axen zu erblicken die bei
ihrem unbegrenzten Längenwachsthum die übrigen Organe in den
aubkronen verbergen, und die Epiphyten sind nur aus der Ferne
sichtbar, wenn sie die lichteren Stellen zu ihrem Stützpunkt aufsuchen
Als zweite Haupt-Formation in dem Waldgebiete Guianas unterscheidet
Richard Schomburgk die Vegetation der Stromufer am Rande
6S Urwalds, wie sie aus dem nördlichen Brasilien durch Martius und
1 oppig allgemein bekannt geworden. Hier überwindet im freieren
Raume und^ auf dem feuchteren Grunde das Unterholz die zurücktretenden
Dickstämme, ein Gürtel von Bambusen und breitlaubigen
Urticeen der Bombaceenform [Cecrofia] stellt sich in den Vordergrund
weiche Lianen überspinnen die Bäume und Gebüsche wie in
einem hochwuchernden Gehäge, an dessen Uferrande sfchön blühende
t roideen undScitamineen die reichste Mannigfaltigkeitnoch erhöhen
Das Ufer des Meeres wird in Guiana von Marschälluvionen um-
säumt, deren die Bodenkultur sich grösstentheils bemächtigt hat10).
lese neuen Landbildungen fahren unter dem Einfluss derManorove-
waldungen fort, sich zu erweitern, die unter ihre gewöhnlichen Be-
s andtheile, die Rhizophoren und Avicennien, auch Combretaceen
( Lagunculand] und Urticeen [Ficus) aufnehmen .Die Lebenskraft dieser
den Schlamm der Flüsse zurückhaltenden Rhizophoren ist so gross,
dass nach Seeman’s Beobachtung in Panama 4), wo die Fluth 22 Fuss
hoch steigt, die Brandung oft über ihre Kronen braust, ohne ihrem
Wachsthum zu schaden, indem sie durch das Gebäude ihrer Luftwurzeln,
wie durch ebenso viele Anker, imMeeresboden fest verwahrt sind.
Unter den Baumformen des Urwalds herrschen, wie in anderen
Tropenländern, die des Lorbeer und der Tamarinde: nur vereinzelte
Stämme verlieren in der trockeneren Jahreszeit ihre Belaubung
(einige Erythroxyleen und Bignoniaceen). Unter den übrigen sind
in Guiana die Leguminosen und Rubiaceen, sodann die Laurineen
und Euphorbiaceen die häufigsten : auch sie beginnen, wiewohl
immergrün, mit der Regenzeit neue Blattknospen zu treiben IO).
Die grössten Bäume auf dem Isthmus von Panama erreichen nur
eine Höhe von 90 bis 130 Iniss*) und werden daher von der Mora
in Guiana überragt. Von den die dikotyledonischen Laubhölzer begleitenden
Palmen sind daselbst etwa 60 Arten angeführt: am zahlreichsten
sind die kleineren, fiederblättrigen Geonomen und Bactris-
Arten, unter den Fächerpalmen sind die Mauritien [M. flexuosa) am
weitesten verbreitet, welche den feuchtenBoden sowohl des Urwaldes
als der Savanen bewohnen und auf dem Parime - Gebirge bis zum
Niveau von 4000 Fuss ansteigen IO). Eine gesellige Art dieser Gattung
[M. setigera) bekleidet einen grossen, aus sumpfigem Erdreich
gebildeten Theil der Insel Trinidad11). Im Delta der Ströme vom
Orinoko bis zum Amazonas tritt eine Palme mit ungetheilten Blättern
auf (Manicaria saccifera) , die an Grösse (15 bis 20 Fuss) der afrikanischen
Ensete wenig nachstehen. Die Pisangform selbst (.Heli-
conia), die überall im Schatten der feuchten Urwälder den Palmen
folgt, erreicht unter dem Einfluss der Seewinde, wie in Java, auch
auf der Küstenkette von Venezuela ein ungewöhnlich hohes Niveau :
noch oberhalb der Region, wo die Ericeensträucher herrschen, 6600
Fuss über dem Meere, fand Humboldt12) auf der Silla von Caracas
ein fast undurchdringliches Gebüsch von fünfzehnfüssigen Stämmen
aus dieser Vegetationsform gebildet. Die Farnbäume und Bambusen
sind in Südamerika diesseits des Aequators weit weniger allgemein
als die Palmen, deren Mannigfaltigkeit in der Richtung zumAequator
zunimmt. Südwärts vom sechsten Breitengrade sah Humboldt in
den Wäldern am Orinoko die Farnbäume verschwinden, die an der
nördlichen Abdachung von Venezuela häufig sind, und in der Voraussetzung,
dass sie an ein gemässigtes und feuchtes Klima gebunden
seien, meinte e r12), dass sie nur da zu den Küsten hinabsteigen
, wo der Boden sich erhebt und wo sie zugleich in tiefem
Schatten geborgen sind. Indessen finden sie sich in Guiana nicht
bloss auf den Höhen derParime-Berge, sondern auch an den Stromufern
des Tieflands und im Westen sowohl an der Bai von Choco
als auf dem Isthmus von Panama. Nur die Sonnenstrahlen fliehen