Bildung stechender Organe auf Kosten der Belaubung erfolgt. Denn
nur diesen kommt eine bestimmte klimatische Beziehung zu, wodurch
sie sich der Spartiumform unmittelbar anschliessen. Ob die Blätter
minder zahlreich werden, weil an den Zweigen die Endknospe verkümmert
und sich in einen Dorn verwandelt, oder ob ihre Grösse
verringert ist, weil gewisse Theile ihres Gewebes sich nicht ausbilden
und zu stechenden Spitzen verholzen, ist hiebei gleichgültig. In
beiden Fällen ist die verdunstende Oberfläche des ganzén Gewächses
kleiner als sie ohne die Dornen sein würde, und dadurch der Organismus
einem trockeneren Klima angepasst. Wenn aber eine Pflanze
reichlich belaubt ist und doch an dem Rande des Blatts, wie der
Hülsenstrauch [Ilex) 1 Dornen trägt, oder die Nebenblätter zu solchen
Gebilden umformt (z. B. Paliurus) , oder endlich nur oberflächliche
Stacheln aus der Oberhaut entwickelt, wie die Rose, kann von solchen
klimatischen Bedingungen nicht die Rede sein. An Ueber-
gängen, wo die Bedeutung der Organe zweifelhaft wird, fehlt es bei
dieser Auffassung freilich ebenso wenig, wie bei irgend einer anderen
physiologischen Eintheilung der vegetativen Gebilde. So sind die
Dornsträucher mit allen übrigen Strauchformen verknüpft, und aus
den einfacheren, den typischen Fällen, ist das Gesetz abzuleiten,
welches den Pflanzen den geeigneten Wohnort gab. Zwischen den
immergrünen Dornsträuchern der Spartiumform und den dornigen
Genisteen, welche Blätter besitzen, ist kaum eine Grenze zu ziehen
möglich. Zuweilen ist das Laub sogar zusammengesetzt und kann
doch sehr vergänglich sein [Calycotome]. Hier bleiben die Zweige
oft lange grün und ühernehmen die Blattfunktion, die lange Vegetationsperiode
des Westens ist ihnen gemäss, wenn auch nicht für alle
Arten. Die meisten anderen Dornsträucher hingegen sind nicht so
gebaut, dass die Axentheile zur Ernährung beitragen können. Die
Stengelglieder bleiben kurz und verholzen rasch, die Höhe des
Wuchses ist geringer. Dies ist die Form der Dornsträucher, welche
erst im Steppenklima zur grössten Mannigfaltigkeit gelangt, und die
von hier in die Küstenlandschaften der östlichen Halbinseln hinabsteigt.
Wir werden sie in der Folge näher zu betrachten haben,
aber schon hier ist ein Verhältniss zu erwähnen, woraus ihre klimatische
Stellung hervorgeht. Durch keine Pflanzenform wird das
persisch-anatolische Hochland bestimmter charakterisirt als durch
die Traganthsträucher {Astragalussect. Tragacantha), deren gedrängte,
zierliche Fiederblätter in Dornen auslaufen, und deren Stämme,'
nachdem die Blättchen abgefallen, durch die stechenden Blattstiele,
die sich dauernd erhalten, noch viel stärker bewaffnet sind. Diese
Strauchform nun bewohnt nicht bloss die Küsten Thraciens und
Macédoniens [A. thracicus), sondern auch die höchsten und entlegen-
stenBerge des ganzen Mittelmeergebiets, vomAthos und vom Ida in
Kreta bis zum Aetna und zur Sierra Nevada, ja sogar bis zur südlichen
Alpenkette [A. aristatus). Fast alle diese Traganthsträucher
im Westen und Süden des Mittelmeergebiets wachsen auf alpinen
Gebirgshöhen. Welche klimatische Verwandtschaft besteht nun zwischen
dem Steppenklima Vorderasiens und dem Aetna? Gemeinsam
ist die Kürze der Vegetationszeit, es ist ein ähnliches Verhältniss
wie dasjenige, welches die alpine Region mit der arktischen Flora
und in einigen Fällen auch mit der der russischen Ebene verbindet.
Die Verkürzung der Stengelglieder, die wir bei den Traganthsträu-
chern finden, ist das Gegentheil von den langgestreckten Ruthen des
Spartium, sie ist ein Ausdruck für verkürzte Entwickelungsperioden,
wo die Blätter möglichst rasch sich entfalten müssen, um Zeit für
ihre Thätigkeit zu gewinnen. Dieser Bau wiederholt sich auch bei
anderen Dornsträuchern, deren Heimath im Osten liegt (z. B. Acan-
tholimon, Poterium spinosum). Wo der Winter neben der trockenen
Jahrszeit das Pflanzenleben einschränkt, treten solche Bedingungen
ein. Deshalb steigen dieTraganthgebüsche in der Nähe der Steppengrenze
bis zur Küste Thraciens hinab, bewohnen in Griechenland
niedrigere Höhen als weiter westwärts, und sind in Spanien gleichfalls
nicht bloss in der alpinen Region, sondern auch in den tieferen
Plateaulandschaften vertreten (A. Clusii). Nur eine Art fügt sich
diesem Verhältniss nicht, indem sie, dem Westen eigenthiimlich,
noch an der Küste der Provence angetroffen wird [A. massiliensis).
Die orientalischen Dornsträucher bieten nun aber ausser ihrer kürzeren
Entwickelungszeit noch ein anderes klimatisches Moment dar,
indem sie eben wegen ihrer Dornen der Dürre zu widerstehen geeignet
sind. Auch in dieser Beziehung finden sie, wie wir weiter
unten sehen werden, in der alpinen Region Südeuropas ähnliche
Bedingungen wieder wie in den Steppenlandschaften, und sind
daher von den feuchteren Gegenden der nördlichen Alpenketten
ausgeschlossen. An Mannigfaltigkeit der Arten stehen die Dornsträucher
im Mittelmeergebiet der Steppenflora bei Weitem nach,
namentlich wenn man die Genisteen und andere Uebergangsformen
nicht berücksichtigt. Im Ganzen zähle ich etwa 30 entschieden