gebungen des Goktschai-Sees, wo im Spätsommer die Heerden von
fernher zusammenströmen und auf reichen Alpentriften weiden,
während das übrige Hochland längst verdorrt ists6). In der That
geht hier die Vegetation langsamer von Statten als im übrigen Armenien,
wo die Entwickelung sich so beschleunigt, dass stellenweise
das durch Irrigationen bewässerte Getraide in zwei Monaten von der
Saat bis zur Ernte reift. Allein dieser klimatische Gegensatz findet
eben auch nur im Sommer statt, der im inneren Armenien wolkenlos,
dürr und heiss ist. Im Winter hingegen, der in der Regel vom
Oktober bis zum Mai, also volle acht Monate dauert 3*), treiben stürmische
Nordostwinde vermöge der offenen Lage des Araxesthals den
Wasserdampf bis zu den westlichen Gebirgen von Erzerum. Die
klimatische Eigentümlichkeit des armenischen Randgebirgs beruht
zugleich darauf, dass hier die östlichen Winde, die vom kaspischen
Meere kommen, fast das ganze Jahr überwiegen37). Eigentlich
äquatoriale Luftströmungen scheinen in Armenien deshalb ausgeschlossen
zu sein, weil in südwestlicher Richtung die Taurusketten
fortstreichen. Aber der häufigere Wechsel des Windes in der kalten
Jahrszeit fördert auch in den inneren Thälern den Niederschlag, der
in Gumri noch 1 7 Zoll beträgt.
Die Verbreitung schmelzender Schneefelder, die reichliche
Spende des fliessenden Wassers und die durch den heiteren Himmel
gesteigerte Sommerwärme sind die Bedingungen der Bodenkultur in
diesem Hochlande und stehen dadurch mit der historischen Bedeutung
und Entwickelung des armenischen Volks in engem Zusammen-
hang. Ein Land, welches, von Hochsteppen oder Alpenwiesen
bedeckt, nach Meereshöhe und Relief nur der Sennwirthschaft zugänglich
erscheint, und wo in der That nach Zerstreuung der ursprünglichen
Bewohner, wie in Anatolien, Nomaden umherschweifen,
ist dennoch schon frühzeitig der Gesittung eines Ackerbau treibenden
Kulturvolks theilhaftig geworden, weil die Irrigationen durch zahlreiche
Flüsse erleichtert und die rasche Reife der Ernten durch die
kontinentale Plateauwärme gesichert ist. Unter solchen Begünstigungen
reicht der Getraidebau am See Wan und am Bingöl-Dagh
nahebei zu 6500 Fuss und die über 6000 Fuss hohe Ebene von Erzerum
gewährt ergiebige Weizenernten, während in dem umwölkten
Kessel des Goktschai schon bei 5500 Fuss nur noch die Gerste fortkommt
und in manchen Jahren nicht einmal zur Reife gelangt33).
Wo aber der Himmel im Sommer heiter ist, bedarf es nur des fliessenden
Wassers, um selbst Kulturgewächse wärmerer Gegenden zuzulassen.
Auf der Hochebene amUrmia-See werdenBaumwolle, Sesam
und sogar Reis gebaut, die Feige gedeiht daselbst an geschützten
Orten, und Weinbau wird an den Ufern des Wan bis zum Niveau von
etwa 5500 Fuss betrieben: überall aber, sagt Wagner, Unfruchtbarkeit,
Verödung und Armuth, wo entweder die Schneeberge oder die
durch sie gespeisten Flüsse fehlen, oder wo die Neigung des Bodens
der Bewässerung hinderlich ist37).
Die Ebenen Mesopotamiens und Babyloniens heben sich bis zum
Fusse des Gebirgs, aus dem der Euphrat und Tigris in dieselben ein-
treten, nirgends über das Niveau von 700 Fuss. Da sie gegen Nordosten
durch die Erhebungen des Zagros im persischen Kurdistan
völlig geschützt sind, steigert sich hier die Wintertemperatur zu der
der geographischen Breite entsprechenden Wärme38). Und doch ist
das Klima excessiv zu nennen, indem die glühende Hitze des Sommers
in Bagdad zu einer Höhe steigt (2 7 °R .), die im tropischen
Ostindien nicht übertroffen wird und ihres Gleichen erst in der Sahara,
sowie an den Küsten Arabiens und des persischen Golfs findet. Es
zeigt sich hier, wie die Sonne auch noch in dieser Breite (330) wirken
kann, wenn ihre Gluth nicht durch die Bewölkung einer tropischen
Regenzeit gemässigt wird, wenn der Himmel im Sommer stets
heiter, die Atmosphäre trocken und der Boden höchst erwärmungsfähig
ist. In dieser Jahrszeit herrschen in Bagdad westliche und
namentlich südwestliche Winde 39), die aus dem heissen und dürren
Hochlande Arabiens und Syriens kommen und daher keinen Wasserdampf
herbeiführen. In der mesopotamischen Ebene selbst ist die
leichte, ausgedörrte Erdkrume mit Gerollen der unterliegenden Kalkformation
gemischt 4°), die durch die Sonnenstrahlen stark erhitzt
werden. Im Winter geht die Richtung der herrschenden Winde nach
Nordwest39) über, und nun spendet die kältere Luft Armeniens und
Kurdistans durch ihre Mischung mit der Atmosphäre der warmen
Niederung einen Niederschlag, der den Frühling der Steppe mit
Blüthen schmückt. Die Vegetationszeit Mesopotamiens ist demnach
ebenso rasch vorübereilend als da, wo der Sommerpassat aus Nordosten
weht. Nach Ainsworth’s 4I) Schilderung der Entwickelungsphasen
zu Mosul (36° N. B.) keimen im feuchten Februar die Pflanzen
, welche die einzige Zierde der Steppe bilden; März und April
umfassen ihreBlüthenperiode, und schon im Mai herrscht die trockene
Jahrszeit. Bis zum Ende dieses Monats war Alles bis auf die Arte