Die meisten endemischen Pflanzen der Sandwich-Inseln bewohnen
die Waldregion (900'bis 5600 Fuss): nur etwa 20 Arten
kommen auch anderswo vor 5 ° ) . Der herrschende Waldbaum, dieKoa
(.Acacia Koa), breitet seine Kronen über ein verwachsenes Dickicht
von immergrünem Unterholz aus*1). Die Koa verbindet, wie gesagt,
den Typus der neuholländischen Acacien, bei denen das Mimosenlaub
unterdrückt wird, mit den tropischen Arten, die dasselbe ausbilden.
Sollte dieser Baum wirklich derselbe sein wie die ähnliche Acacie
von Bourbon, so möchte man hierin einen bestimmten Ausnahmsfall
von der Einheit der Vegetationscentren erblicken: in der That wird
dies noch von zwei anderen Gewächsen angenommen, die dem Sandwich
Archipel mit Bourbon gemeinsam sein sollen (.Boehmeria stitularis
und Carex Commersoniana). Sind sie dagegen bei genauerer
Vergleichung als besondere Arten zu unterscheiden, so kann man die
Erscheinung mit der Verwandtschaft der arktischen und antarktischen
Flora vergleichen und sie auf das Gesetz der klimatischen
Analogieën zurückführen. Auch unter den übrigen Bäumen, welche
die Koa begleiten, finden sich einige australische Gattungen (.Metro-
sideros, Myoporum): eine derselben (Santalmn) ist durch die Ausfuhr
des wohlriechenden Santelholzes bereits selten geworden. Bei den
Holzgewächsen des Unterholzes, welches aus mannigfachen Sträu-
chern und kleineren Baumformen gemischt ist, kommen solche systematische
Beziehungen zur australischen Flora nur vereinzelt vor
(bei Exocarpus, Scaevola, Cyathodes): die meisten stehen überhaupt
in keinem nähern Verhältniss zu einem bestimmten Stammkontinent.
Die grösste, fünf endemische Gattungen umfassende Reihe von Arten
(29) bildet eine abgesonderte Gruppe der Lobeliaceen. In diesen
und anderen Fällen, bei den Violaceen (.Isodendrion), den Caryophyl-
leen (Alsinidendron), den Geraniaceen (Geranium arboreum) und den
Synanthereen (Raillardia, Wilkesia, Hesperomannia) treten hier Holzgewächse
in p'amilien und Gattungen auf, bei denen die Bildung
holziger Stämme auf den Kontinenten ganz ungewöhnlich oder auf
entlegene Länder beschränkt ist. Waren es auf den atlantischen
Archipelen Halbsträucher, die diesen oceanischen Typus zeigten, so
sind es hier wirkliche Holzgewächse, die in der Wolkenregion stetig
fortwachsen können nnd also nicht nöthig haben, gegen Unterbrechungen
ihrer Entwickelung sich durch bloss unterirdische Stämme
zu schützen, wie die ihnen verwandten Stauden periodischer Klimate.
Andere Sträucher und Bäume und auch die meisten übrigen endemischen
Gewächse der Sandwich-Inseln stehen als durchaus selbständige
Erzeugnisse mit den Floren der verschiedensten Küstenlandschaften
des stillen Meers in systematischer Beziehung, theils mit
dem tropischen Asien, theils mit Nord- und Südamerika, oder mit
den übrigen oceanischen Archipelen52). Unter den endemischen
Sträuehern sind nächst den Lobeliaceen die Rubiaceen (28), die Ru-
taceen (17) und die Araliaceen (7) am zahlreichsten. Durch die
monokotyledonischen Holzgewächse ist die Flora mit den Inseln des
indischen und stillen Meers verknüpft (durch die den letzteren eigen-
thümliche Palmengattung Pritchardia, ferner durch Freycinetia, Dra-
caena, Flagcllaria): aber im Gegensatz dazu fehlen andere asiatische
Formen, wie die epiphytischen Orchideen und unter den Bäumen die
Ficus-Arten.
Ueber der Waldregion ist der Maunaloa fast ganz von Lavaströmen
bedeckt, und in einem geringen Abstande von den umwölkten
Höhen verschwindet daher bereits fast jede Vegetation (bei 6600
Fuss): über dem Niveau von 8400 Fuss wurde daselbst ausser einem
durch vulkanische Dämpfe befeuchteten Moose keine einzige Pflanze
mehr aufgefunden4®). Dass aber selbst Bäume an weit höher
gelegenen Standorten die Bedingungen ihres Bestehens finden, beweist
der noch etwas höhere Vulkan Maunakea, der nicht aus Laven,
sondern aus losen Eruptivstoffen aufgebaut ist. Diese tragen einen
zerstreuten Grasrasen und, wiewohl die Sträucher über dem geschlossenen
Waldgürtel fast ganz verschwinden, reicht in vereinzeltem
Wachsthum der Manati-Baum (die 20 bis 30 Fuss hohe Leguminose
Edwardsia grandiflora) bis zum Niveau von 10300 Fuss, über welches
hier einige andere Pflanzen noch eine Strecke weit hinaufgehen
[bis 11300 Fuss]4®). Der Manati gehört zu einer Gattung, die über
entlegene Länder und Inseln zerstreut ist: die nächst verwandten
Arten wachsen wiederum auf Bourbon, andere auf Neuseeland und
eine derselben zugleich an der Magelianstrasse. Auch in Hawaii, wie
auf den übrigen Sandwich-Inseln, hat übrigens die offene Gebirgs-
region nur äusserst wenige und fast keine alpine Pflanzen geliefert:
auf Maui sind gewisse Sträucher für die waldlosen Höhen charakteristisch
(z. B. ein Vaccinium, die Synanthereen Raillardia und
Argyroxiphium, u. a.).
Die Gesammtzahl der auf den Sandwich-Inseln beobachteten
Phanerogamen beträgt weniger als 600 Arten53), von denen mehr
als 60 Procent (gegen 370 Arten) endemisch sind: von Farnen und