Traganthsträucher kann sich in kurzer Zeit ausbilden und thätig
werden. Die Hochsteppen des Orients von Anatolien bis Afghanistan
sind auf diese Weise gebaut, Armenien ragte durch seinen
Schneereichthum hervor, und eben diese Gegenden bringen die zahlreichsten
Arten von Trag'anthsträuehern hervor 92). In Centralasien
von Tibet bis zum Altai und Daurien, wo viel weniger Schnee fällt,
sind sie durch die Caraganen vertreten, bei denen die Stengelglieder
länger sind, und, indem die Blätter aus einander rücken, auch ein
langsamerer Fortschritt der Ernährung anzunehmen ist. In dem
Tieflande der kaspischen und Aral-Steppen fehlen sie ebenfalls jenseits
des Kaukasus ganz: hier fliehen die Sträucher überhaupt den
besseren Boden, fast nur unter den Halophyten kommen sie vor und
als blattlose Gebilde werden sie erst in der Wüste vorherrschend, wo
die so spärlich gegebene Feuchtigkeit Pflanzenformen fordert, die
noch viel langsamer vegetiren, aber sich dafür auch lange frisch erhalten.
Bei den Traganthsträuchern ist die Benutzung des vorübergehenden
Wasserzuflusses intensiver und dient einer reicheren Fülle
von Blüthen, sowie jener starken Gummierzeugung zur Vorbereituno-,
wodurch sich ihre Rinde erneuert; ihre geringe Grösse, die Folge
der Unterdrückung der Stengelglieder, verschafft ihnen den Vortheil
der winterlichen Schneedecke. Die übrigen Dornsträucher nähern
sich dieser Form des Wachsthums, wenn sie mit der Verbreitung der
Traganthsträucher übereinstimmen (Acantholitnon): in anderen Gegenden
ist die Zahl der Arten von dornigen Holzgewächsen gering,
aber die Organisation mannigfaltiger. Die Natur gefällt sich, die
enden Organe an den Sträuchern durch gehemmte Bildungen
verschiedenster Art zu erzeugen, bald aus erhärtenden Blattstielen
(Traganthsträucher, Caragana, IIctliniodendron], bald aus verkümmerten
Knospen (Alhagi, Eversmannia, Balanites) , oder auch aus
der Blattspitze selbst [Acantholimon]. Einen eigenthümlichen Fall
bemerkt man unter den Stauden Afghanistans : indem die Seitentheile
eines einfachen Blattes verwesen, bildet sich die Mittelrippe zu einem
Dorn aus, in einer Gattung, in welcher solche Formänderungen als
etwas ganz Fremdartiges erscheinen [Draba hystrix). Bei einem den
Rosen verwandten Strauch der Kirgisensteppe [Hulthemia) sind, wie
bei diesen, die Stacheln nur Auswüchse der Oberhaut, aber doch
beschiänken sie die Laubentwickelung in dem Grade, dass statt des
Fiederblatts nur eine einfache Blattfläche übrig bleibt.
Durch die Dornsträucher ist das Steppengebiet vielfach mit den
Nachbarländern verknüpft, indem dieselben Arten aus einer Flora
in die andere übergehen, mit den angrenzenden Küsten des Mittelmeers,
wie früher bemerkt wurde, und mit den dürren Landschaften
Afrikas und Indiens, mit diesen letzteren besonders durch die Mimoseenform
, von welcher einige wenige , aber gesellige Arten von
Syrien und Mesopotamien bis zum Kaukasus Vorkommen. Die Westgrenze
ihrer zusammenhängenden Verbreitung fand Ainsworths3) in
Anatolien an einem Nebenfluss des Halys in der Nähe von Sinope,
wo Mimoseen mit dem Traganth ein fast undurchdringliches Gestrüpp
bildeten. Auch bei dieser Pflanzenform entstehen die stechenden
Organe auf verschiedene Weise, entweder aus der Oberhaut [Erosopis
Stephaniana), oder durch die Umbildung von Nebenblättern [Acacia
albida).
Die Bekleidung der Steppen mit Dornsträuehern verringert
ihren Werth als Weideland, aber unter den Säugethieren, welche
aus Centralasien abstammen, ist wenigstens dem Kameel die Fähigkeit
zu Theil geworden, sie als Futter benutzen zu können [Alhagi
camelorum). Von den Heerden der Nomaden bleiben auch gerade
die häufigsten Steppengräser und manche Stauden unberührt, wenn
der Rasen durch die erhärtete Oberhaut zu fest wird (Stipa) oder das
Laub zu kräftige Dornen trägt [Cousinia). Auf den zarteren Gräsern,
die sich nur kurze Zeit erhalten, und auf den weichen Stauden, die
im Frühling auf das Mannigfaltigste sich darbieten, beruhen die Vorzüge
der Grassteppen.
In dem Wachsthum der Stauden lassen sich zwei entgegen-
gezetzte Bildungsrichtungen unterscheiden , die zwar vielfach durch
Uebergänge verbunden sind, aber doch auf besondere Seiten des
Steppenklimas hinweisen. Um mit erwachendem Frühlinge sogleich
in ergiebiger Weise thätig zu sein, entwickelt sich über dem Boden
eine Laubrosette: nun bleiben entweder die Stauden niedrig, wenn
bald die gedrängten Blüthen nachfolgen, oder der Stengel erreicht
eine beträchtliche Höhe, gerade wie in den kontinentalen Klimaten
des Waldgebiets, wenn die rasche Steigerung der Wärme auf das
Wachsthum der Vegetationsorgane von Einfluss ist. Im ersteren
Falle erinnert der Bau an die Analogieën des arktischen und alpinen
Klimas. Die kurzen Stengelglieder der Traganthsträucher wiederholen
sich oft bei den Stauden der gleichen Gattung [Astragalus],
und in der Fähigkeit, die Vegetationsorgane auf die verschiedenste
Weise dem Steppenklima anzupassen, scheint der Grund von der