auch und so mannigfaltig die Vegetation dieser Matten unter dem
Einfluss der Feuchtigkeit werden kann, so ist doch ihr Werth für die
grössere Thierwelt nur gering. Sie scheinen von der Natur viel mehr
für die Insekten als für die Säugethiere bestimmt zu sein. Nicht
die Hirsche der nordischen Wälder, nicht die Antilopenheerden der
afrikanischen Savanen, sondern Ziegen und Schafe nähren sich auf
den steinigen Weidegründen Südeuropas.
Fassen wir nun zum Schluss die Pflanzenformen der immergrünen
Region in einem Rückblicke zusammen, so tritt uns aus ihrer
Gesammtreihe überall dasErgebniss entgegen, wie die Natur bestrebt
ist, in dieser Zone des Winterregens durch allmälige Uebergänge den
Norden mit den tropischen Bildungen zu vermitteln. Allein dies geschieht
in den einzelnen Kontinenten nicht auf dieselbe Weise und
wir werden daher sowohl in Asien , wie in Nordamerika eigenthüm-
liche Vergleichungspunkte und Unterschiede aufzusuchen und zu erklären
finden. Am Mittelmeer ist die Anzahl der Holzgewächse, die
in den feuchteren Tropenlandschaften den überwiegenden Theil der
ganzen Flora bilden, gegen Mitteleuropa schon bedeutend vermehrt,
und andere Pflanzenformen, wie die Rohrgräser, zeigen, der verlängerten
Entwickelungsperiode entsprechend, eine höhere Kraft. zu
gesteigerter Grösse emporzuwachsen. Auf der anderen Seite sind
aber auch die einjährigen Gewächse in der Mediterranflora an gewissen
Orten überwiegend zahlreich8l). Zu der gewohnten Vegetation
der gemässigtenZone treten von tropischen Formen die immergrünen
Laubhölzer und Palmen, von den letzteren jedoch, sofern
man das ursprünglich Gegebene ins Auge fasst, nur der schwache
Abglanz der Zwergpalme. Aber noch viel unbedeutender erscheint
der Antheil tropischer Familien an der Zusammensetzung der Mediterranflora,
wenn man die Vegetation des östlichen Asiens und der
wärmeren Gegenden Nordamerikas gegenüberstellt. Am Mittelmeer
giebt es nui einzelne Arten zon Myrtaceen, Laurineen, Terebintha-
ceen, I almen und Acanthaceen, während in den beiden anderen
Kontinenten solche Uebergänge zu den tropischen Organisationen
viel zahlreicher in die gemässigte Zone eindringen. Es scheint, dass
der breite, afrikanische Wüstengürtel der Vermischung mit den Erzeugnissen
tropischer Klimate entgegenstand, indem die einzige Verbindungsstrasse
mit dem Sudan^ die des Nilthals, die Mediterranflora
unmittelbar kaum berührt.
Vegetationsformationen. Die Physiognomie der Natur ist
durch den Einfluss des Menschen im südlichen ebenso sehr, wie im
mittleren Europa, aber in anderer Weise geändert worden. Die ursprünglichen
Wälder haben sich in noch weiterem Umfange vermindert,
aber ausgedehnte Baumkulturen, die Pflanzungen vonOel- und
Maulbeerbäumen bieten einigen, gewiss auch klimatischen Ersatz.
In vielen Gegenden hat nicht so sehr der Anbau des Bodens die
Wälder verdrängt als dessen Vernachlässigung und der Holzbedarf
so vieler Jahrhunderte. Oder wo einst, wie in Sicilien, der Ackerbaublühte,
der immer am vortheilhaftesten auf Kosten des Waldbodens
sich entwickelt, haben mit den Rückschritten der Kultur nicht
wieder Bäume, sondern andere Gewächse die unbebauten Fluren
eingenommen. Lange Zeiträume hindurch schützen die Wälder sich
selbst, aber, ist einmal dieser Schutz hinweggefallen, so bedarf es
noch viel längerer Perioden, bis die stetige, aber so langsam fortschreitende
Erneuerung der unorganischen Nahrungsstoffe im erschöpften
Erdreich so weit fortgeschritten ist, dass das Baumleben
wieder aufs Neue erwachen und sich verjüngen kann. So ist es
geschehen, dass weit grössere Räume im Süden als im Norden von
Europa brach liegen und im natürlichen, wie im industriellen Kreislauf
der organischen Bildungen die Quellen des nationalen Reichthums
seit dem Alterthum gesunken sind.
Doch tragen auch ursprünglich gegebene Verhältnisse dazu bei,
ungeachtet des reicheren Klimas im Süden die Wagschale zu Gunsten
des mittleren und westlichen Europas zu senken. Die geognostische
Grundlage ist in einem grossen Theile des Mittelmeergebiets einförmiger;
harte Kalkgesteine, die häufig vorherrschen, sind weniger
geeignet, zu fruchtbaren Erdkrumen zu verwittern, und die Bewegung
der Nahrungsstoffe erleidet jedes Jahr in den dürren Monaten einen
Stillstand, wenn das fliessende Wasser zu versiegen droht. Wie
nachtheilig solche Einflüsse wirken, zeigt sich in den örtlich oft so
nahe gerückten Gegensätzen höchster Ergiebigkeit des Bodens und
öder Wüstenei, wovon Spanien zahlreiche Beispiele liefert. In den
durch Natur oder Kunst reicher bewässerten, freilich nur sparsam
über Südeuropa vertheilten Alluvialebenen sind die Felder noch
ebenso fruchtbar wie zu den Zeiten der Römer und Araber. In der
Lombardei, deren Erdkrumen aus den Quellgebieten der Alpenflüsse
unaufhörlich erneuert werden, ist, wie schon der ältere Saussure als
denkwürdige Thatsache anführt, keine Abnahme der Fruchtbarkeit
seit den ältesten Zeiten nachzuweisen 82).