zu schützen, ohne die Mittel dazu in der beschleunigten Verdunstung
ihrei Blattflächen zu besitzen, und dieses Verhältniss wird daher bei
der Betrachtung der einheimischen Pflanzenformen sehr zu beachten
sein. Wie aber auf der anderen Seite dieselben durch die Winterkälte
von der Einwanderung in das nördliche Gebiet zurückgehalten
werden, ergiebt sich aus anderen Erscheinungen. Zuerst erkennen
wir diesen Zusammenhang' in den Vegetationslinien des westlichen
Seeklimas, in der so viel bedeutenderen Vermischung der Pflanzenarten
des Südens und Nordens in Frankreich und bis nach Irland.
Eine der ausgezeichnetsten Formen des Mittelmeergebiets, die immergrünen
Sträucher, überschreiten dessen Grenzen an den westfranzösischen
Küsten, wie sie kultivirt den milderen Winter Englands
ertragen, wogegen diejenigen, die gegen den Frost am wenigsten
empfindlich sind, doch nicht tief in den Kontinent eindringen. Sodann
beruht auf dem Schutz, den die Alpen an ihrem südlichen Fuss
gegen die Winterkälte gewähren, zum grössten Theil der schroffe
und einladende Gegensatz, der beim Eintritt in die lombardische
Ebene so lebhaft empfunden wird. Denn die südliche Vegetation,
die das Gestade der italienischen Seen schmückt, entwickelt sich in
einem Klima, wo es auch im Sommer nicht an Niederschlägen fehlt2),
der Winter aber selbst für die Kultur der Orangenbäume nur unbedeutende
Sicherungsmittel erheischt. Von allen Gewächsen der
Mediterranflora ist der Oelbaum dasjenige, welches am besten sich
eignet, die klimatischen Grenzen des Gebiets festzustellen. Auch
von diesem Baume ist es bekannt, wie empfindlich derselbe gegen
den Prost ist, und wie die ungewöhnliche Kälte einzelner Jahre dem
Olivenbaum gefährlich wird und die Pflanzungen vernichtet3).
Sind nun aber auch die Regenlosigkeit des Sommets und die
Milde des Winters die wichtigsten Eigenthümlichkeiten des Klimas,
die auf die Vegetation in den Ländern am Mittelmeer einwirken, so
würde man dieses Gebiet doch sehr einschränken müssen, wollte man
hiernach dessen Umfang bestimmen. Was man Mediterranflora nennt,
den Inbegriff derjenigen Pflanzenformen und Formationen, wodurch
sich diese Küstenländer am auffallendsten von den Nachbargebieten
unterscheiden, ist freilich an jene klimatischen Charakterzüge gebunden.
Allein durch^ die plastische Gestaltung der Oberfläche erfährt
das Klima einen so mannigfaltigen und über so weite Räume
ausgedehnten Wechsel, dass für die Mediterranflora oft nur ein
schmaler Küstensaum übrig bleibt und auch dieser ganz verloren
Beschränkung der Mediterranflora auf die Küstenlandschaften. 235
gehen kann. Gerade die Mischung verschiedener Klimate, die auf
diesen Halbinseln so mannigfach sich berühren und absondern, ist es
gewesen, was von Seiten der Natur zu der alten Blüthe der Civilisation,
zu den vielfach gesonderten nationalen Entwickelungen mächtig
beigetragen hat, und was sich ebenso noch heute in den vegetabilischen
Produkten der einzelnen Landstriche abspiegelt.
Jede der vier grossen Halbinseln, die den bedeutendsten Theil
des Mittelmeergebiets einnehmen, hat ihren eigenen, klimatischen
Charakter theils durch die Gebirgszüge, die sie umsäumen und erfüllen,
theils durch die ungleiche maritime Lage erhalten. Nach
diesen Bedingungen ist auch die Mediterranflora, die oft nur eine
immergrüne Küstenregion bildet, in verschiedenem Umfange entwickelt
oder zu Uebergangsbildungen umgestaltet, die sie mit anderen
Vegetationsgebieten verknüpft. So wird es erforderlich, auf das
Einzelne einzugehen und die klimatische Stellung der einzelnen Länder
zu vergleichen. Indessen ist zuvor ein allgemeineres Verhältniss
anzuführen, welches aus dem Einfluss des atlantischen Meers entspringt
und, je weiter man nach Westen vorrückt, allmälig immer
mehr in die örtlichen Bedingungen der Vegetation eingreift.
Wenn man bedenkt, wie gross die Küstenentwickelung in Südeuropa
ist, wie bis zum Pontus die Meeresbreiten so tief in die entlegensten
Theile des Kontinents eindringen, dass alle Länder sich
halbinselförmig gestalten, so sollte man erwarten, dass das Seeklima,
welches diesseits der Alpen die Anordnung der Vegetation
bestimmte, im jenseitigen Gebiete überall gleichmässig sich ausprägen
müsste. Aber die kleineren Binnenmeere haben nicht die
gleiche Kraft, die Gegensätze der Temperatur abzustumpfen, wie
der grosse Océan. Es machen sich daher, wie man aus den Höhengrenzen
der Vegetation schliessen kann, die Unterschiede der Temperatur
Variation auch im Bereich des Mittelmeers geltend. Je
weiter man sich von der atlantischen Küste entfernt, desto mehr
nimmt unter gleichem Niveau auch hier die Winterkälte zu *), und es
verkürzt sich daher auch die Entwickelungszeit des Pflanzenlebens.
Da sich auf den Halbinseln Südeuropas nur selten ausgedehnte Tiefebenen
finden, sondern alle Länder von Gebirgszügen reich erfüllt
sind, so sprechen sich diese Einflüsse am deutlichsten in denNiveau-
grenzen solcher Pflanzen aus, die gegen die Winterkälte empfindlich
sind oder einer längeren Dauer ihrer Vegetation bedürfen. Im Osten
bedecken daher die Formen der immergrünen Region fast überall