der Nordseite niemals verschwindet, umschleiert eben nur die Region
des Lorbeerwaldes: oberhalb desselben, sowie an den südlichen und
westlichen Abhängen bleibt der Himmel über dem Kieferwalde den
giössten Theil des Jahrs hindurch nebelfrei2). Die Lorbeerwälder
der kanarischen Inseln sind denen von Madeira ganz ähnlich gebildet,
wenn auch einige endemische Holzgewächse auftreten, da auch
diese zu dem atlantischen oder südeuropäischen Formenkreise gehören
(z. B. Ilex platyphylla und cananensis, Arbutus canariensis).
Die Maquis, in welchen auch die Baumhaide nicht fehlt, unterscheiden
sich durch ihre Cisten (den endemischen C. vaginalis und
den siideui opäischen C.monspeltensis) und durch mehrere eigenthüm-
liche Genisteen, von denen oberhalb der Baumgrenze die weisse Re-
tama (Spartocytisus nubigenus) hoch in die Region (bis 8700 Fuss)
hinaufreicht, wo die Nächte kalt, die Tage trocken und warm
sind. In beiden Fällen ist es die klimatische Analogie mit dem spanischen
Plateau, die in verwandten Pflanzenformen sich abspiegelt.
Mit der mitteleuropäischen Flora lässt sich nur der Kieferwald zusammenstellen,
der an die geschlossenen Bestände der Edeltanne
erinnern soll und, ohne von anderen Bäumen oder Unterholz begleitet
zu sein, bis auf eine spärliche Vegetation von Stauden kein anderes
Gewächs in seinem Schatten duldet: aber nur im Wuchs ist die
kanarische Kiefer den Nadelhölzern unserer Gebirge ähnlich, ihre
Nadeln sind beinahe einen Fuss lang, ihre Verzweigung reicht fast
bis zum Boden herab10). Eine alpine Vegetation ist am Pik von
Teneriffa kaum zu bemerken und der Gipfel des Bergs pflanzenlos,
was aus denselben Gründen sich erklärt, die beim Aetna erörtert
wurden.
Die umfassende, systematische Bearbeitung der kanarischen
Hora von Webb und Berthelot22) ergab noch nicht ganz 1000 Ge-
tässpflanzen (977), und diese Zahl ist seitdem nicht beträchtlich erhöht
worden. Von endemischen Arten sind 27—28 (269), von
atlantischen 6—7 Procent (64) darunter begriffen, aus Europa ist
der grösste Theil der übrigen eingewandert (581, also 60 Procent
der Gesammtzahl). Die Mehrzahl der endemischen Pflanzen gehört
ebenfalls zu europäischen oder diesen nahe stehenden Gattungen:
auch hier sind die Arten jedoch in vielen Fällen holziger als clort23)
(z. B. bei den Synanthereen, Crassulaceen, Labiaten, Boragineen).
Weit seltener bemerkt man ausschliessliche Beziehungen zu Afrika
(zu Sudan durch die fleischigen Euphorbien, Dracaena, Ceropegia ;
besonders aber ist in dieser Hinsicht das Vorkommen einzelner Arten
von Gattungen der Kapflora hervorzuheben, von Anthospermum,
Manulea, Kleinia). Bei den endemischen Gattungen (15), die meist
monotypisch sind, ist die Verwandtschaft mit den Organisationen des
Stammkontinents in mehreren Fällen klar (unter den Cruciferen bei
Parolinia, den Leguminosen bei Spartocytisus, den Crassulaceen bei
Monanthes und Aichryson, den Umbelliferen bei Todaroa und Asty-
damia, den Synanthereen bei Schizogyne und Lugoa), in andern nur
eine entfernte (unter den Rubiaceen bei Plocama, den Campanula-
ceen bei Canarina, den Gentianeen bei Ixanthus, den Chenopodeen
bei Bosia, den Urticeen bei Gesnouinia). Hierin zeigt sich die selbständige
systematische Stellung der atlantischen Flora, und in noch
höherem Grade bei zwei Monotypen, die zu Gattungen entlegener
Länder in Beziehung stehen (bei Pleiomeris nebst den beiden andern
Myrsineen auf Madeira und den Azoren zur Kapflora, und bei der
Umbellifere Drusa, die von der südamerikanischen Gattung Bowlesia
wenig abweicht).
Es ist indessen der Versuch gemacht worden, die eingewanderten
mit den atlantischen und endemischen Pflanzen unter einem
gemeinsamen Gesichtspunkte zu betrachten. Hooker1) machte darauf
aufmerksam, dass zwischen den letztem und gewissen Ueber-
resten der europäischen Tertiärflora eine nahe Verwandtschaft bestehe,
und schloss daraus, dass hier die Spuren einer Einwanderung
aus jener Periode sich erhalten haben. Es sind jedoch nur wenige
Beispiele eines solchen Verhältnisses bekannt und auch in diesen
Fällen sind die Tertiärpflanzen den atlantischen zwar ähnlich, aber
nicht mit ihnen identisch (z. B. Laurus princeps und canariensis,
Dracaena australis und Draco). Wenn man nun auch, der Vorstellungsweise
Darwin’s folgend, annehmen wollte, dass in langen Zeiträumen
Aenderungen des Baus eintreten konnten, die bei den in
der Gegenwart angesiedelten Gewächsen noch nicht zu bemerken
sind, so ist doch diese Hypothese nicht im Stande, analoge Erscheinungen
von selbständigen Vegetationscentren auf andern oceanischen
Archipelen zu erklären, oder den Unterschied der endemischen und
nicht endemischen Inseln zu beleuchten. Plätte die Isolirung des
oceanischen Standorts die Folge gehabt, Pflanzen der Tertiärperiode
zu erhalten und umzubilden, wie kommt es, dass Island, dass ein
grosser Theil der Südseeinseln von solchen Wirkungen keine Spur
erkennen lässt ? Und doch hat Island in seinem geologischen Bau