Vegetationsformen. Baer hat die Ansicht durchzuführen gesucht
83), dass die Grösse der Gewächse vom Aequator zum Pol stetig
abnehme, aber dieser Satz ist, in einer so allgemeinen Form ausgesprochen,
nicht begründet und passt eigentlich nur auf das Ueber-
gangsgebiet von den Wäldern zu den arktischen Gegenden. Nicht
die Grösse der Bäume, sondern die Mannigfaltigkeit der Holzgewächse
steigert sich mit der Wärme des solaren Klimas. Schon an der Baumgrenze
selbst werden die Bäume oft sogleich hochstämmig, und innerhalt
» der bewaldeten Zonen hat man den höchsten Wuchs nicht
unter denTropen, sondern zwischen den Parallelkreisen 50° und 30°
in beiden Hemisphären, und zwar nicht als allgemeinen Charakter
dieser Breiten, vielmehr nur als Eigenthümlichkeit einzelner Baumarten
angetroffen. In den tropischen Wäldern finden wir eine vollständigere
Benutzung des Raums durch Holzgewächse aus verschiedenen,
gemischt wachsenden Familien, während das Wachsthum des
einzelnen Baums weniger gefördert wird. Es lassen sich vier Hauptformen
von Bäumen in der Richtung von der nördlichen Baumgrenze
bis zum Aequator unterscheiden, von denen zwei durch alle Breitengrade
vertreten, die beiden anderen auf die wärmeren Gegenden eingeschränkt
sind. Die ersteren sind die Nadelhölzer und die periodisch
belaubten Laubhölzer, die letzteren tragen immergrüne Blätter
und zerfallen in dikotyledonische und monokotyledonische Formen.
Sämmtlich können sie eine Durchschnittshöhe von 100 Fuss erreichen
oder auch überragen, aber nur die Nadelhölzer und die diko-
tyledonischen Laubhölzer entwickeln aus dem Gipfel ihres Stammes
eine verzweigte Krone, an deren Aesten das Laub vertheilt ist. Die
monokotyledonischen Bäume vereinigen ihre Blätter zu einer ausgebreiteten
, das einfache Holzgerüst abschliessenden Rosette, wo die
Grösse des einzelnen Organs die Fülle des dikotyledonischen Laubes
ersetzen muss, wie bei den Palmen und demPisang. Die klimatischen
Bedingungen der Vertheilung dieser Formen aus ihrer Organisation
abzuleiten, bieten sich im nördlichen Waldgebiete die Nadel- und
Laubhölzer in doppelter Beziehung dar. Zuerst dadurch, dass sie
für diese Zone typisch sind, indem unter den Tropen die ersteren
entweder ganz fehlen oder in die Gebirge hinaufrücken und nur auf
diesen den Aequator (in Sumatra) erreichen, die letzteren die kürzere
Vegetationszeit der Savanen aufsuchen. Sodann aber sind sie innerhalb
des Waldgebiets selbst in einer regelmässigen Stufenfolge so
angeordnet, dass die Laubhölzer bis zur Baumgrenze nur durch
wenige Arten, wie durch die Birke, vertreten sind, und dass man daher
fast überall einen nördlichen, im Gebirge einen oberen Gürtel
von Nadelhölzern jenseits und oberhalb der Laubwälder selbständig
hervortreten sieht. Um in einem grossen Ueberblick diese Vertheilung
der Wälder von Lappland bis zum Aequator aufzufassen, darf
man sich vorstellen, dass die Zone der nördlichen Baumformen im
westlichen Europa bis zum 45. Breitengrade oder noch einige Grade
weiter hinabreicht, dass die immergrünen Laubhölzer die südliche
Hälfte der Hemisphäre einnehmen, und dass in den Tiefebenen des
Nordens die Nadelhölzer diesseits des Ural von der Baumgrenze bis
zum 60. Parallelkreise, jenseits bis zu den Steppen (50°) oder bis
zum Amurgebiete (53 °) vorherrschen.
Dass es klimatische Bedingungen sind, wodurch die Organisation
dieser Baumformen beherrscht wird, erkennen wir ebenso sehr
aus ihrer physiologischen Lebensgeschichte wie aus ihrer geogra
phischen Anordnung. Für alle Gewächse von unbestimmter Dauer
des Wachsthums besteht die Aufgabe, von einer Vegetationsperiode
zur folgenden das Leben ungefährdet hinüberzuführen. Dazu bedarf
es theils eines Schutzes gegen die klimatischen Nachtheile während
des Winterschlafs, theils der Vermittelung zwischen den Bewegungen,
welche durch diesen Stillstand unterbrochen sind. Zerstörend
wirkt das Klima auf das Gewebe durch die Aenderung^ der Spannungsverhältnisse
, der die Membranen sowohl durch die sinkende
Temperatur als durch Mangel an Feuchtigkeit untenvorfen sind. In
beiden Fällen treten Zerrungen ein, da die organisch verbundenen
Gewebtheile weder gleichmässig noch gleichzeitig von den ver ur-
zenden oder ausdehnenden Kräften ergriffen werden, und um so
mehr wird ihr Zusammenhang, ihre regelmässige Anordnung gefahr
det, je zarter die Membranen sind, je weniger dieselben Widerstan
leisten können. Das allgemeinste Mittel, dem Gewebe Schutz zu
verleihen, besteht daher in dem Verholzungsprocesse, der die Membranen
verdickt, ihre Kohaesion und Elasticität erhöht und dadurch
jene Zerreissungen erschwert, die wir in der Gliederung der Blatt
stiele, in der Oeffnung der Kapseln und Staubbeutel zu bestimmten
Zwecken verwendet finden, aber auch bei dem Absterben der zar
teren Organe in ihrem regellos verletzenden Wirken vor Augen haben
Der Baumstamm dagegen kann sich im stärksten Frost erhaten un
mit dem saftentleerten Gewebe seiner inneren Schichten ohne Ver
wesung fortbestehen, weil seine Membranen im Holz und in der