Die Staudenform ist je nach der Lage und Beschaffenheit der
Oertlichkeit, sowie nach den Gewächsen, die sie begleitet, mannigfaltig
ausgebildet, aber in den meisten Fällen gehört sie nur zu
den untergeordneten Bestandtheilen der Formationen. Reichlich
schmückt sie den lichten Schatten des Laubwalds und die offenen
Raine seiner Umgebungen; in den Rasen der Wiese eingebettet,
prangt sie in einer nach den Monaten wechselnden Reihenfolge verschieden
gefärbter Bliithen und, aus der Grasnarbe mit ihren Blumen
hervorragend, benutzt sie diejenigen Nahrungsstoffe, deren die
Gräser nicht bedürfen, so dass ein gewisses Gleichgewicht zwischen
beiden Erzeugnissen nicht zu verkennen ist. Schon früher wurde auf
die zunehmende Grösse der Stauden in den kontinentalen Klimaten
hingewiesen, in dem tiefen Humusboden der Laubwälder in der
Ukraine erreicht sie neun FussIO°), und gleich bedeutend ist sie in
den Parkformationen des Amurgebiets und namentlich in den Grasfluren
Kamtschatkas, dessen gigantische Doldenpflanzen (s. u.)
Kittlitz dargestellt hat1). Ebenso scheint es auch die Verkürzung
der Vegetationsperiode in den oberen Waldregionen des Hochge-
birgs zu sein, wodurch die Massen von hohen'Aconiten und anderen
Stauden, die man als subalpine bezeichnet hat und die in der Nähe
der Baumgrenze die Rhododendren der Alpen begleiten, mit dem
kontinentalen Klima der östlichen Meridiane in eine gewisse Beziehung
gesetzt werden. Ein bestimmtes Maass der Verkürzung der
Wachsthumsperiode begünstigt die Längsstreckung des Stengels:
kaum ist es jedoch überschritten und zugleich die Temperatur unter
einen bestimmten Grenzwerth gesunken, so treten entgegengesetzte
Wirkungen in dem niedrigen Wuchs, in den gedrängten Laubrosetten
der alpinen Stauden hervor, die an der Baumgrenze fast
unmittelbar auf die hohen , subalpinen Gewächse folgen. Die erste
Bedingung zur Erhaltung einer Art ist die Bliithen- und Fruchtbildung:
wo diese noch hinreichend gesichert ist, sucht die Pflanze
den Umfang der den Blättern übertragenen Arbeit möglichst zu erweitern.
Die Farnkräuter verdienen, da sie in der Physiognomie der
Landschaft durchaus zurücktreten, nur deshalb erwähnt zu werden,
weil das Seeklima die Mannigfaltigkeit ihrer Arten erhöhen soll. Ich
finde indessen für diese Meinung bei der Vergleichung der französischen
und russischen Farnflora kaum eine Bestätigung101); höchstens
zeigt sich darin ein Unterschied, dass einige südeuropäische Arten
sich längs des atlantischen Meeres bis zu den britischen Inseln verbreiten.
Dass aber gleichmässige Wärme und Feuchtigkeit die Farnvegetation
begünstige, obgleich die Bedingungen dieses Verhältnisses
in ihrer Organisation sich bis jetzt nicht erkennen lassen, geht
aus der zunehmenden Pläufigkeit ihrer Individuen in den schattigen
Laubwäldern des Buchenklimas deutlich hervor.
Vegetationsformationen. Je weiter man vom atlantischen
Meere in östlicher Richtung oder von Mitteleuropa zu höheren Breiten
fortschreitet, desto zusammenhängender wird die Waldbekleidung
des Landes. Während man in Frankreich die bewaldete Fläche
auf neun Procent, in den Niederlanden sogar nur auf sechs Procent
des Gesammtareals geschätzt hat, soll sie in den russischen Gouvernements
Archangel, Wologda undOlonez auf über fünfzig, in Skandinavien
auf vier und sechzig Prozent anwachsen102). Sind diese
Ungleichheiten auch grösstentheils nur eine natürliche Folge der
Ausbreitung des Ackerbaus, so bleibt es doch fraglich, in wie weit
ursprüngliche Lichtungen des Waldes anzunehmen sind, die durch
die Beschaffenheit des Bodens bedingt waren. Gegenwärtig lassen
sich vier grössere Abschnitte des Gebiets unterscheiden, wo auch
auf unbeackertem Erdreich die Wälder zurücktreten, die Haideflächen
des westlichen Europas, die Pussten Ungarns, die grossen-
theils mit Gesträuch bewachsenen Sümpfe Russlands und die Grasfluren
des Amurlandes und Kamtschatkas. Von den Haiden der
baltischen Ebene ist nicht anzunehmen, dass sie zu allen Zeiten so
wenig Wald besassen, wie jetzt. Die in den Torfmooren Hannovers
eingeschlossenen Nadelholzstämme weisen auf frühere Bewaldung
derselben hin. Auch unter den mit Cyperaceen bewachsenen
Sümpfen am Steinhuder See findet sich über dem festeren Untergründe
eine starke Lage von versunkenen Bäumen, welche beweist,
dass dieser nun unter der schwankenden Rasendecke überfluthete
Boden ehemals bewaldet war. So mehren sich die Beobachtungen,
dass der durch Alluvionen gehemmte Abfluss des Wassers zuerst
Waldmoore bildete und dann, als die Bäume zu Grunde gingen,
offene Moräste an ihre Stelle traten. Auf den trockenen Haiden der
baltischen Ebene scheinen ebenfalls die Bestände verringert zu sein,
indem der Baumschutz den herrschenden Nordwestwinden gegenüber
zu fehlen begann, nachdem der Wald durch Verbrauch des
Holzes gelichtet war: es ist daher in neuerer Zeit der zweckmässig
geleiteten Forstkultur gelungen, in manchen Gegenden die Kiefer