Solche geologische Aufschlüsse aber suchen wir in den reicheren
Gegenden Australiens vergebens. Dieselben bestehen in verhältniss-
mässig grosser Einförmigkeit theils aus granitischen oder anderen
krystallinischen Gesteinen, theils aus sedimentären Bildungen, und
von den letzteren glaubte man früher, dass sie fast nur die Periode
von der sibirischen Zeit bis zur Steinkohle umfassen. Hierauf gründete
Hochstetter eine Hypothese, um die Organisationsnormen der
australischen Flora zu erklären2?). Indem er die Tertiärablagerungen
für sehr unbedeutend und beschränkt hielt, erklärte er
Australien für den ältesten Kontinent der Erde und meinte, dass
der Charakter der Fauna und Flora mit den fossilen Resten aus dem
Jura oder überhaupt aus der Sekundärzeit übereinstimme und, in
dieser Periode geschaffen, sich seitdem unverändert fortgepflanzt
habe. Diese Hypothese wird durch die neueren Forschungen über
die Geologie Australiens widerlegt. Die umfassenden Untersuchungen
Selwyn’s 28) ergeben, dass zwei Drittel der Oberfläche von Victoria
aus tertiären Bildungen bestehen. Ferner fand Hargraves2S,,
dass die inneren, granitischen Ebenen von Swan River von einem
»weissen, kreideartig aussehenden Sedimentärgestein mit Salzinkru-
stationen« bedeckt sind. Wenigstens der südliche Theil der Umwallung
des Kontinents hat sich also viel später, als Hochstetter
annahm, unter dem Spiegel des Meers befunden, und die Vegeta-
tionscentren Victorias begannen erst ihre Thätigkeit, als die Tertiärbildungen
wieder gehoben waren. Man könnte zwar zur Rettung
jener Hypothese behaupten, die hohen Gebirge des Südostens hätten
sich stets als Festland erhalten und die Organismen der Jurazeit bewahrt,
um sie später wieder dem tertiären Erdreich mitzutheilen.
Allein auf das Flachland des Südwestens passt diese Erklärung nicht,
es sei denn, dass das dortige Sediment sich als eine jüngere Meeresbildung
nicht bewährte. Afrika wurde von Murchison2?) aus ähnlichen
Gründen, aber anscheinend mit besserem Rechte, als ältester
Kontinent der Erde aufgefasst, und doch fehlen hier die Beutelthiere,
die Hochstetter’s Meinung hauptsächlich stützen sollten. Alle solche
auf die Zeit bezogenen Schlüsse, in welcher die verschiedenen organischen
Schöpfungen entstanden sind, haben etwas Eückenhaftes und
Dunkles: warum sollte die Natur nicht ähnliche Bildungen in verschiedenen
Perioden wiederholt haben, wenn die physischen Bedingungen
ähnlich waren ? Selbst der Gedanke, dass die lange Zeit
des Fortbestehens eines Kontinents den Reichthum der organischen
Formen fördern müsse, lässt sich nicht sicher verfolgen. Wenn es
auch annehmbar scheint, dass in einer sehr langen Periode die
schöpferischen Zeitpunkte häufiger eingetreten seien oder neue Arten,
wie man jetzt so geneigt ist anzunehmen, aus älteren Stämmen
sich vielfacher hervorbilden konnten, so kann man sich auch mit
gleichem Rechte vorstellen, dass im Kaufe des ununterbrochen fortgesetzten
Kampfes die stärksten Organisationen den Sieg davontrugen
und zuletzt eine einfachere Vegetation und ein formenärmeres
Thierleben zurückliessen. Die Einsichten in den Entwickelungsgang
des australischen Kontinents sind ohnedies noch wenig gereift.
Darwin schloss aus den Verhältnissen des Barriere-Riffs, dass die
Nordostküste bis zur Toresstrasse dem Senkungsgebiete der Südsee
angehöre, wogegen weiter nach Westen und an der Südküste Australien
sich noch jetzt zu heben scheint. Diese Gegensätze säkularer
Hebungen oder Senkungen haben keinen Einfluss darauf, ob Vege-
tationscentren vorhanden sind oder nicht: die meisten Koralleninseln
des stillen Meers haben keine oder wenig endemische Pflanzen, und
in demselben Senkungsgebiete, in Queensland, sind sie reichlich vorhanden.
Ebensowenig geben die geognostischen Bildungen in der
alten Umwallung Australiens irgend einen Aufschluss, wo dieselben
auf weiten Räumen so gleichförmig und in ihrer Plastik oft so einfach
sind, wo dagegen die Vegetationscentren so ungemein ungleich
vertheilt sind und ihr höchster Reichthum gerade auf einer engen
Räumlichkeit sich entfaltet, welche in den äusseren Bedingungen
des organischen Lebens am wenigsten mannigfaltig ist.
Müssen wir demnach die Anordnung der Vegetationscentren in
Australien als etwas Gegebenes ansehen, zu dessen Erklärung vorläufig
keine Aussicht ist, erscheinen sie uns, als wäre ein Säemann
vorübergegangen, der die Körner ausgestreut hätte, so lassen sich
doch in den von der Natur ausgewählten Organisationsformen ähnliche
Gesetze erkennen wie auf den endemischen Archipelen. Dahin
gehört die Abhängigkeit von der geographischen Lage. Je näher
die Centren einander gerückt sind, desto ähnlicher wird die Organisation
der Formen. In einem Gebiete, wo sie dicht gedrängt liegen,
beruht hierauf die Mannigfaltigkeit analoger Bildungen, der Reichthum
der Gattungen an Arten, der Familien an Gattungen. Für
die drei australischen Gruppen finden wir hierüber bei Hooker lehrreiche
Belege s), indem er die Verhältnisszahlen ermittelte und die
geographisch isolirten Gattungen aufzählte. Im Südwesten, wo die