stattlichen Baume wird und diesen veränderten Wuchs dem westlicheren
Klima zu verdanken scheint, in seiner gewöhnlichen Gestaltung
als degenerirt gelten und doch in dieser verkümmerten Form
auf den Karpaten und Sudeten eine Formation von geselligen, jede
andere Vegetation verdrängenden Sträuchern erzeugt haben, während
es da, wo es unter günstigeren Bedingungen sich individuell
vollkommner ausbildet, den kräftigeren Fichten gegenüber sich nur
zu vereinzelten Waldungen entwickelt. Nach dieser Auffassung
läge der Ausgangspunkt der Wanderung im Westen, wo das Klima
das günstigere ist, und dennoch das Massencentrum der Individuen
im Osten, wo die klimatische Varietät im Kampfe mit anderen Gewächsen
erfolgreicher sich vervielfältigte. Hiedurch aber würde
ferner die Meinung derjenigen Botaniker unterstützt werden, nach
welcher eine pyrenäische Kiefer [P. uncinata) für die Stammform des
Krummholzes [P. möntana) zu halten wäre und man also dazu geführt
würde, die ursprüngliche Heimath desselben noch viel weiter
nach Westen, an den von den Karpaten entferntesten Standort zu
verlegen. Fälle dieser Art sind ohne Zweifel selten und scheinen
eine gewisse Aenderung der Organisation vorauszusetzen, aber da
sie möglich sind, so kann durch die Häufigkeit des Vorkommens die
Heimathsfrage nicht entscheidend erledigt werden. Es ist daher
wünschenswerth, dass noch andere Hülfsmittel zu dieser Untersuchung
benutzt werden, und je übereinstimmender die Ergebnisse
ausfallen, desto mehr erhöht sich die Sicherheit des Urtheils. Die
systematische Verwandtschaft der Erzeugnisse verwandter Vegeta-
tionscentren und die Bedingungen der Wanderung, sofern dieselben
auf der Organisation der einzelnen Gewächse und auf ihrer ungleichen
Empfänglichkeit gegen physiche Einflüsse beruhen, sind
beachtenswerthe Momente, besonders geeignet, den Austausch zwischen
den Alpen und der arktischen Flora zu erläutern.
Aus den Untersuchungen über die Vegetation der geographisch
am strengsten abgeschlossenen Floren hat sich ergeben, dass auf den
Inseln desselben oceanischen Archipels die Arten einer Gattung
häufig abgesondert vertheilt sind, und dass in denjenigen Ländern,
die durch eigenthiimliche Erzeugnisse am meisten hervorragen, nicht
allein gewisse Gattungen durch den Reichthum an Arten sich auszeichnen,
sondern auch die vorherrschenden Familien grössere Reihen
von Gattungstypen enthalten. Wenden wir dieses Princip der in der
geographischen Lage begründeten systematischen Verwandtschaft
zusammengehöriger Vegetationscentren auf die Heimathsfrage der
Alpenpflanzen an, so zeigt sich, dass in vielen der reichsten Gattungen
neben einer kleineren Anzahl von endemischen Arten eine
grössere Reihe vorhanden ist, die auf andere Gebirge übergeht.
Diese sodann bilden wiederum eine Stufenfolge von immer mehr
sich erweiternden Wohngebieten, bis einzelne Arten zuletzt die norwegischen
Fjelde erreichen und über diese hinaus in die arktische
Flora eintreten. Solche Vergleichungen führen also auf einem ganz
verschiedenen Wege ebenfalls zu dem Ergebniss, dass in den Alpen
der Ausgangspunkt der Wanderung zu suchen sei, und dass dieses
Gebirge eine viel ergiebigere Quelle von Bildungen war, als man aus
den daselbst endemisch gebliebenen Gewächsen zu schliessen berechtigt
wäre. Allerdings tritt diese Schlussfolgerung in Berührung
mit dem Darwinismus und in Gegensatz zu dieser Lehre, welche die
Entstehung der endemischen Arten aus Umbildung der arktischen
ableiten möchte, aber für unseren gegenwärtigen Zweck genügt es
zu zeigen, dass auch die Migrationshypothese diese Erscheinungen
zu erklären im Stande ist. Aus meinen Verzeichnissen entnehme
ich, dass in zehn grösseren Gattungen l8z), die in den Alpen zusammen
140 Arten zählen, über ein Drittel (48) daselbst endemisch ist,
die übrigen (92), vorausgesetzt dass sie nicht, wie die Saxifragen,
mehrfache Centren besitzen, als von diesem Gebirge ursprünglich
ausgegangen betrachtet werden können. Es wurden hiebei einige
grosse Gattungen absichtlich ausgeschlossen, die in den Alpen zwar
ebenfalls reich an Arten sind , aber von anderen Vegetationscentren
in dieser Beziehung übertroffen werden oder überhaupt an vielen
entlegenen Orten durch besondere Arten vertreten sind. Die Seggen
(Car ex) bilden die grösste Gattung unter den arktischen Gefäss-
pflanzen, und hier ist die Verbreitung zu den Alpen einem besonderen
Verhältniss unterworfen. Von den nordischen Arten (19) kehrt die
grosse Mehrzahl (15) in der alpinen Region der mitteleuropäischen
Gebirge wieder, wo sie zum Theil nur an einzelnen Standorten gefunden
werden. Ausserdem bewohnen fast ebenso viele Seggen (16)
die alpine Region, die der arktischen Flora fehlen, aber diese Gattung
ist nicht auf besondere geographische Centren beschränkt. Bei der
Vergleichung finde ich, dass die arktischen Arten vorzugsweise auf
feuchten Standorten wachsen, die alpinen dem trockenen Boden angehören,
und ähnliche Verhältnisse sind auch bei den meisten Saxifragen
maassgebend, bei denen wir ebenfalls ein arktisches von einem