grossen Gletscher bezogen werden kann. Dass die Braunkohlenflora
in Europa nicht fortbestand, sondern einer neuen Schöpfung, die sie
verdrängte, weichen musste, ist bei dem steten Kampfe der Organismen,
die um so kräftiger sind, je mehr sie den gerade bestehenden
physischen Bedingungen entsprechen, auch ohne Annahme einer
Eisbedeckung wohl zu begreifen.
Unter allen Verbindungen mit den Nachbarländern ist der Austausch
der Flora unseres Gebiets mit der Südeuropas der umfassendste.
Hier gestattet die Art, wie die einzelnen Pflanzen verbreitet
sind, mit noch weit grösserer Sicherheit als im Norden, zu schliessen,
dass die Wanderung in beiden Richtungen stattgefunden hat. Wenn
auch auf den Gebirgen des Südens entsprechende klimatische Verhältnisse
wiederkehren, so ist doch das Vorkommen der in höheren
Breiten einheimischen Gewächse daselbst durchweg ein sporadisches,
sie sind von anderen Arten begleitet, die diesseits der Alpen nicht
gefunden werden. In umgekehrter Richtung verlieren sich diejenigen
Pflanzen der Mediterranflora, die in die französischen oder
ungarischen Vegetationszonen eintreten, allmälig mit den geänderten
klimatischen Bedingungen. So ist es fast in jedem Falle leicht, die
ursprüngliche Heimath der einzelnen Arten zu erkennen, und da die
Anzahl der südlichen Gewächse, welche die Grenzen der Mediterranflora
überschreiten, etwa um das Fünffache geringer ist als die der
jenseits der Alpen wiederkehrenden, die aus nördlicheren Breiten
abstammen, so erhöht sich dadurch der selbständige Charakter der
Flora unseres Gebiets sehr bedeutend.
Schon oben wurde der Verknüpfung der ungarischen Pussten
mit der Flora der Steppen gedacht und gezeigt, dass die Wanderung
hier von den Vegetationscentren in den letzteren ausgegangen und
also in wesentlicher Richtung erfolgt sei. Wiewohl durch dieKarpaten
getrennt, treten die Steppen doch in der Moldau , wo sie zwischen
demSereth und Pruth die Wälder zurückdrängen 2°4), nahe genug an
die Pussten heran, um die Ansiedelungen zu erleichtern. Im umgekehrten
Sinne rücken aber auch zahlreiche Pflanzen des Waldg-ebiets
in die Steppen ein, nicht bloss solche, die wegen der Kürze ihrer
Vegetationsperiode verschiedenen Klimaten angepasst sind, sondern
auch viele andere, weil sie an den Flüssen und auf den Gebirgen
sich wie in ihrer Heimath entwickeln können. Von grösserem Interesse
sind die, wenn auch nur vereinzelten Beispiele, dass Stauden
desHochgebirgs (z.B. Astragalns Onobryckis) in den Steppen wiederkehren,
unstreitig weil dieselben einer kurzen Entwickelungsperiode
bedürfen, die ihnen in beiden Fällen zu Gebote steht, ohne dass sie
von der Wärme oder anderen klimatischen Werthen in gleichem
Grade beeinflusst werden. Aehnliche Beziehungen sind es auch, die
den viel allgemeineren Austausch zwischen dem Altai und den asiatischen
Steppenlandschaften veranlassen, und die der Vermischung
der Flora von Daurien mit der Gobi zu Grunde liegen. Ob in solchen
Fällen die Pflanzen aus der Ebene in das Gebirge anstiegen
oder in entgegengesetzter Richtung sich verbreitet haben, würde bei
näherer Untersuchung vielleicht aus der Massenentwickelung der
Individuen oder aus der systematischen Stellung der Gattungen sich
ergeben. Der westliche Altai, das Quellgebiet der grossen sibirischen
Ströme, ist im Verhältniss zu Daurien feucht, wie die Alpen im
Vergleich mit Südrussland: es werden demnach die Pflanzen des
feuchten Bodens in diesen Gebirgen, die des dürren in den Steppen
entstanden sein und nach diesem Verhältniss die Standorte gedrängt
oder sporadisch sich vertheilen.
Eine Andeutung, dass auch die lange Dauer der Vegetationszeit
als allein wirksamer Faktor in Betracht komme, finde ich in einigen
wenigen Pflanzen 2°5), die Ungarn und P'rankreich gemeinsam sind,
ohne in Deutschland vorzukommen.
Die Verbindungen Ostsibiriens mit der chinesisch-japanischen
Flora sind zwar schon vielfach nachgewiesen, aber die Kenntniss
dieses Verhältnisses ist viel zu lückenhaft, als dass über die Bedingungen
solcher Wanderungen jetzt schon geurtheilt werden könnte.
Die Forschungen Schmidt’s auf der Insel Sachalin, wo beide Floren
sich unmittelbar berühren, weisen auf einen allmäligen Uebergang
von der einen zur anderen in diesen höheren Breiten hin.
Ueber das Verhältniss zu dem Waldgebiete Nordamerikas sind
die Erfahrungen maassgebend, dass die Vermischung mit der Flora
Sibiriens grösser ist als mit der europäischen, und dass diejenigen
Pflanzen, die zugleich in Europa und in den östlichen Staaten wachsen,
durch alle Meridiane des Festlandes, also auch durch Nordasien
und von Küste zu Küste durch den westlichen Kontinent verbreitet
sind. Ausnahmen von dieser Anordnung sind zwar unter den durch
Mitwirkung menschlicher Kultur zufällig angesiedelten Gewächsen
häufig genug (z.B. in Europa Astern und Oenotheren an den Flussufern,
Paspalum distichum in derGascogne, Elodea ca?iadensis in
England und Norddeutschland): aber von einer direkten Uebertragung