Mannigfaltigkeit eingemischter Stauden und der ungeschlossenen
Rasendecke, wodurch sich die Grassteppe so bestimmt von der Formation
der Wiesen unterscheidet, mit jenen Landschaften russischer
Hirtenvölker durchaus übereinstimmend. Schon vor den Thoren von
Pesth, wo ostwärts die Pussten bald beginnen, erblickt man eine bunte
Vegetation von einzeln stehenden, theils Rasen bildenden, theils einjährigen
Gewächsen, zwischen denen überall das sandige Erdreich
nackt hervortritt. Erreicht man weiterhin den natriumhaltigen Boden
in der Theissniederung oder in Siebenbürgen, so wechselt mit der
Gramineen-Pussta die Formation der Halophyten und erinnert an
die russische Salzsteppe. Es wurde indessen schon nachgewiesen,
welche klimatische Gründe der Unterordnung der Pussten unter den
Begriff der Steppen entgegenstehen, und wie ihnen eine höhere wirth-
schaftliche Zukunft zugesprochen werden muss. Aber auch die Vegetation
selbst, so ähnlich ihre Physiognomie erscheinen mag, zeigt
manche Abweichungen, die auf eine Einwanderung der Pflanzen von
auswärts, nicht auf eine ursprüngliche Gemeinsamkeit hinweisen.
Kerner unterscheidet in den ungarischen Pussten auf dem trockenen,
salzfreien Boden drei Formationen von Gramineen112), die des Andro-
pogon, der Thyrsa (Stipa) und der einjährigen Gräser (Bromus).
Von diesen sind nur die Thyrsarasen den Pussten und der russischen
Grassteppe gemeinsam : in der Formation des Andropogon (.A .G ry l-
Ins), die ebenso wie jene von blüthenreichen Stauden auf das mannigfachste
durchwirkt ist, herrscht eine Graminee, die, durch die wär-
- meren Alpenthäler bis zu den Vorbergen der Karpaten verbreitet,
auf einen Ursprung aus Südeuropa hindeutet, und was die geselligen,
einjährigen Gräser betrifft, so sind auch diese nicht von den
Steppen abzuleiten, sondern grösstentheils dieselben Arten, welche
zu einer ähnlichen Formation im Mittelmeergebiete sich vereinigen.
Auch die Halophyten bieten mit der russischen Salzsteppe wenig
Vergleichungspunkte, theils weil sie gewöhnlich nur auf eng begrenzten
Räumlichkeiten auftreten112), theils weil sie viel einförmiger
sind als dort. Die physiognomische Aehnlichkeit der Pussten und
Steppen wird durch die Verschiedenheit im Einzelnen beinahe aufgewogen,
aber der Verlauf der Entwickelungszeiten der Vegetation
ist der nämliche, eine rasch vorübereilende Frühlingsblüthe im Mai
und Juni und ein dürrer Sommer, den die Halophyten überdauern,
um im Herbste ihre Knospen zu entfalten.
Die Formation der Wiesen, deren zusammenhängende Rasendecke
mit den die Gräser begleitenden Stauden in einem angemessenen
Verhältniss steht, ist dem Raume nach, den sie einnehmen, den
Wäldern durchaus untergeordnet. In dem Amurgebiete aber und in
Kamtschatka treten an ihre Stelle ausgedehnte und nicht minder
eigenthümliche Grasfluren, die Gebüsch und Bäume in sich aufnehmen
und dadurch der Landschaft die Physiognomie eines natürlichen
Parks verleihen. Kittlitz ” 3) hat diese Formation, welche das östliche
Asien mit der klimatisch übrigens so fernstehenden kalifornischen
Flora zu verknüpfen scheint, als Waldwiesen oder Grasfluren
aufgefasst und vom Ufer des Awatscha in Kamtschatka bildlich dargestellt.
Radde TI+) entwirft davon auf seiner Reise am Amur die
genaueste Schilderung, aber nicht glücklich ist der von ihm und auch
von Andern gewählte Ausdruck, dieses Parkland als Prairie zu bezeichnen,
indem es zwar die hochwüchsigen Stauden mit den nord-
amerikanischen Prairien gemein hat, aber sich von ihnen durch den
Wechsel der Gräser mit Baumgruppen wesentlich unterscheidet. Der
energische, von Schlingpflanzen der Convolvulusform durchwebte
Graswuchs, die Höhe der Stauden, die eingemischten Laubsträucher,
die Eichengehölze, welche die Bodenschwellungen zu krönen pflegen,
alles dies vereinigt sich am Amur zu einem Landschaftsbilde, welches
nach seinen Bestandtheilen als eine Mischung des Laubwaldes
mit üppigen Wiesen gelten kann, physiognomisch aber vielmehr mit
den tropischen Savanen, nicht aber mit den baumlosen Prairieen zu
vergleichen ist. Die physischen Lebensbedingungen sind freilich
ganz andere wie in wirklichen Savanen. Die Kürze des Sommers
fordert hier den raschesten Entwickelungsgang, dessen Energie durch
das Grundwasser des Stroms und zeitweise durch dessen Austreten
belebt wird. Die tropische Savane wird nicht durch fliessendes Wasser,
sondern durch tropische Regen zu ihrem Wachsthum angeregt,
sie geht durch Trockenheit, die nordische Grasflur durch herbstlichen
Frost in den Winterschlaf über. Die Physiognomie der Parklandschaft
am Amur ist den Grasfluren Kamtschatkas ganz ähnlich.
Kittlitz bemerkt, dass der Rasenteppich auch hier eine erstaunliche
Höhe erreiche, dass denselben Anfangs die Sträucher, die hier und
da emporgewachsen, beschatten, diese in der Folge aber kaum noch
über die rasch entwickelten Halme hervorragen, und dass auch die
mannshohen Stauden ihre reichgefärbten Blüthen bald unter den
Gräsern, denen siebeigemengt sind, verbergen. Allein die Bestand-
theile der P'ormation sind am Amur und in Kamtschatka durchaus