66 I. Arktische Flora.
in demjenigen Meridian, der das östliche Sibirien mit dem Wrangel-
lande verbindet, hat man einen periodischen Wechsel der Strömungen
beobachtet. Nach dieser Grenzbestimmung theilen sich die io
Monotypen s°) der arktischen Flora in der Weise in die beiden Kontinente
, dass bei 3 Gattungen der asiatische (Osmothanmus, Gym-
nandra, Koenigia), bei 4 der amerikanische Ursprung gewiss ist
Merckia, Douglasia, Dodecatheon, Pleuropogon): bei den drei übrigen
lässt sich diese Sonderung nicht mehr deutlich erkennen [Dia-
peusia. Monolepis, Dupontia), doch ist auch bei diesen die amerikanische
Heimath wahrscheinlich. Diese Ergebnisse geben eine deutliche
Vorstellung von der circumpolaren Verbreitung der arktischen
Pflanzen überhaupt. Die Wanderung ist im Polarbecken durch die
Konfiguration des Festlandes und durch die Meeresströmungen so
erleichtert worden, dass in diesen Breiten, wie es noch im Waldgebiete
möglich ist, eine Sonderung der Florengebiete beider Kontinente
nicht durchzuführen sein würde.
Vergleichen wir in dieser Beziehung die Reihe der endemischen
Arten, so bemerken wir, dass unter ihnen nur drei auf Asien, elf auf
Amerika beschränkt sind. Der Uebergang in die alpinen Regionen
ist in Asien, wo hohe Gebirgsketten sich durch die ganze Breite des
Kontinents erstrecken, in weit höherem Grade begünstigt als in
Amerika. Ebenso leicht konnten sich in Europa die arktischen
Pflanzen aus den Tundren nach Lappland, durch die Gebirge bis zu
den Alpen verbreiten, wie wir aus zahlreichen gemeinsamen Pflanzen
erkennen können. Im östlichen Kontinent sind daher nur wenige
Ueberreste der ursprünglichen Vegetation auf die arktische Flora
beschränkt geblieben. In Amerika bieten nur die Rocky Mountains
und das isolirte Gebirge von New Hampshire Raum für die Aufnahme
arktischer Pflanzen, und die ersteren sind sowohl durch ihre Axen-
richtung als die geringe Breite ihrer alpinen Region wenig dazu geeignet.
Hieraus erklärt sich also die Erscheinung, dass in Amerika
die arktischen Pflanzen in den Gebirgen viel spärlicher wiederkehren
als im östlichen Kontinent.
HeerSI) hat zu Gunsten der Darwinschen Hypothese über den
Ursprung der arktischen Flora geäussert, dass man im Polargebiete
Amerikas alpine Gewächse Europas, aber keine amerikanische Ge-
birgstypen antreffe. Allein dies ist nur in Bezug auf die circumpolaren
Arten richtig, die sich eben von Asien aus in beiden Richtungen
mit den Strömungen verbreitet haben, nicht aber passt es auf die-
Ausgangspunkte der Wanderungen. 67
jenigen, in denen sich der Unterschied beider Kontinente ausspricht.
Wie viel leichter der Austausch mit den Waldgebieten in demselben
Kontinente stattfinden konnte, geht daraus hervor, dass in dem
Hooker’schen Katalog der arktischen Flora 12 Gattungen enthalten
sind52) , die in Amerika diesseits und jenseits des Polarkreises Vorkommen,
ohne in den östlichen Kontinent überzugehen. Dies sind
eben die amerikanischen Typen, die der grönländischen Flora durchaus
fehlen. Dass auch der Süden Grönlands, der doch fast bis zum
sechzigsten Breitengrade herabreicht, viel weniger Pflanzen des
Waldgebiets aufgenommen hat als Island, ist durch die Absonderung
vom Festlande und dadurch zu erklären, dass die Meeresströmungen
keine Verknüpfung mit entsprechenden Klimaten der gemässigten
Zone herbeiführen.
11
liH