jedoch oft mit Varietäten der gemeinen Gerste verwechselt wird.
Von dieser letzteren, die ebenfalls eigentlich zechszeilige Aehren
trägt (.H. vulgare aestivum), führt Metzger 77) an, dass sie in Baden
nur 65 bis 70 Tage bedürfe. Unter dem Einfluss der langen Tage
des lappländischen Klimas war eine Varietät entstanden, die ihre
erblich empfangenen Eigenheiten noch in der folgenden Generation
unter Umständen, wo sie jene Vorzüge der Beleuchtung entbehren
musste, dennoch festzuhalten vermochte. Mögen auch in einem
anderen Klima die physiologischen Eigentümlichkeiten sich nicht
immer dauernd erhalten, so wird es doch erspriesslich sein, in Sibirien
Versuche mit Varietäten von kurzer Vegetationszeit einzuführen
und zu erweitern.
Zwischen dem sechzigsten und fünfzigsten Breitengrade sind in
Europa Winterroggen und Winterweizen die vorherrschenden Ge-
traidearten, sie überwiegen in einer Zone, die sich von England und
Dänemark durch Norddeutschland, Preussen und Polen , die russischen
Laubwälder umfassend, nach der Ukraine erstreckt. Welches
jener beiden Cerealien das Haupterzeugniss eines Landes sei, hängt
nicht von klimatischen Bedingungen, sondern von der grösseren oder
geringeren Fruchtbarkeit der Erdkrume und diese wieder von den
geognostischen Formationen ab, in deren mineralischer Mischung
Kalkgehalt den Weizen begünstigt. Die Flötzformationen Englands
und Polens, die Tertiärlager Mecklenburgs geben diesen Ländern
einen Vorzug, aber auch auf dem sandigen Diluvialboden der baltischen
Ebenerer drängt den Roggen nicht selten die werthvollere
Weizenkultur da, wo die überall verstreuten Mergellager allgemeiner
benutzt werden, welche die Ueberreste von erratischen Blöcken der
dänischen Kreide zu sein scheinen.
Südlich vom fünfzigsten Parallelkreise ist der Einfluss der Kalkformationen
auf das Ueberwiegen des Weizens nicht zu verkennen,
aber hier wird zugleich ein klimatischer Grenzwerth der solaien
Wärme überschritten, der von Frankreich durch Süddeutschland und
Ungarn bis zu den russischen Steppen durch die Anfänge der Maiskultur
78) ausgedrückt erscheint. Mit dem Mais [Zed], dessen wahre
Heimath unbekannt ist?9), der aber erst aus Amerika nach Euiopa
kam, hat es eine eigene Bewandtniss. Die Länge der Vegetationszeit
beschränkt ihn in Europa auf wärmere Gegenden, in Norddeutschland
werden die Körner in der Regel nicht reif, in Amerika
hingegen schwankt die Entwickelungsperiode je nach dem Klima um
mehr als das doppelte, von 7 bis zu weniger als 3 Monaten80), und
so reicht dort die Maiskultur bis nach Kanada. Die Fähigkeit,
klimatische Varietäten zu erzeugen, ist hier noch grösser als bei der
Gerste, aber die Versuche, in Europa aus amerikanischer Saat Spielarten
von kurzer Vegetationszeit zu erhalten, haben bis jetzt keinen
Erfolg gehabt. Metzger80) fand sogar, dass der Tarascora-Mais,
eine grosse amerikanische Varietät, schon in der dritten Generation
in den gewöhnlichen, niedrigen, gelben Mais, wie er im Rheinthale
gebaut wird, sich verwandelte. Das Akklimatisationsvermögen ist
grösser als die Fähigkeit, beständige Organisationen zu erzeugen,
und es müssen daher eigenthümliche Beziehungen zwischen dem
amerikanischen Klima und der Vegetation dieses Gewächses bestehen,
welche in Europa nicht vorhanden sind.
Von den Getraidezonen wenden wir uns nun noch zu denjenigen
einheimischen Holzgewächsen, die in Europa durch die Kultur bis
an ihre äussersten klimatischen Grenzen gerückt sind. Die Apfel-,
Birn- und Kirschbäume (.Pyrus, Prunus) sind, wie die Buche, im
Norden an eine nordöstliche Vegetationslinie gebunden, die nur auf
der Strecke von Moskau bis Kasan in eine rein nördliche übergeht81).
In Norwegen reicht sie bis Drontheim (64°, nur die Kirsche geht bis
66°); von Schweden (6i°) senkt sich die Polargrenze der Obstkultur
über Narwa (5g0) bis Moskau (56°) und von Kasan (56°) noch einmal
zur Steppe hinab. Man sieht, dass die Zone der Obstbäume in
Skandinavien fast ganz mit der der Eiche zusammenfällt, während
sie in Russland, vorausgesetzt, dass die Angaben genau und die klimatischen
Grenzen hier überall erreicht sind, wenigstens zwischen
Petersburg und Moskau und dann wieder jenseits der Wolga einem
verschiedenen Gesetze folgen würde. Vergleicht man ihre Nordostgrenze
mit der Nordgrenze der Cerealien, so könnte man geneigt
sein, den Satz auszusprechen, dass in dem einen Falle die Mittelwärme
der Vegetationszeit, wie wir sie aus den meteorologischen
Messungen ableiten, in dem anderen die Wirkung der direkten
Sonnenstrahlen das bedeutsame Moment sei. Denn die Getraide-
felder stehen unter dem Einfluss der Sonnenwärme, die vom heiteren
Himmel auf sie herabstrahlt, oftmals weicht der Ackerbau von nebelreichen
Seeküsten zurück: von den Bäumen ist ein grosser Theil dei
Organe im Schatten verborgen, und diese Gewächse zeigen im vorliegenden
Falle eine grössere Abhängigkeit von derjenigen Warme,
welche man am beschatteten Thermometer abliest. Aber schon die