es die allmälig gesteigerte Dauer des Winters, welche eine ebenso
allmälige Vermischung von Mediterran- und Steppenpflanzen gestattet,
hier die schärfer bestimmte Grenze des Sommerpassats, wodurch
die Floren geschieden werden. Die Verbindungen mit dem Mittelmeergebiet
würden noch häufiger sein, wenn nicht die Randgebirge
der anatolischen Halbinsel bis zum Libanon nebst dem westlichen
Kaukasus den Austausch erschwerten. Eine unmittelbare Berührung
aber scheint inThracien stattzufinden, und hier ist die Nordküste der
Propontis als eine Uebergangszone zu bezeichnen. Das ausgedehnte
Weideland, in welchem die Kräuter vorherrschen oder kleine Dorn-
sträucher den dürren Boden einnehmen, erinnert schon entschieden
an die Steppe, aber die herrschenden Arten gehören doch noch zur
Mediterranflora. Erst im Delta der Donaumündung, dessen Inseln
gerade wie am kaspischen Meere und am Aral von unermesslichen
Schilfdickichten bedeckt sind, und in der unteren Moldau l6) zwischen
dem Sereth und Pruth, wo hochwüchsige Stauden auf dem Humusboden
wachsen und doch die trockene Jahrszeit schon vor Ende Mai
eintritt, sind die Formationen der russischen Steppe rein ausgeprägt.
Von hier aus lässt sich die Waldgrenze durch Russland bis zum Altai
mit grosser Schärfe feststellen. Dass die Ursache dieses schroffen
Wechsels eine klimatische sei und derselbe nicht, wie man gemeint
hat, auf den geognostischen Formationen beruhe, geht aus der Verbreitung
des sogenannten Tschernosem, einer äusserst fruchtbaren,
schwarzen Humuserde hervor, welche die Uferlandschaften des Diluvialmeers
bezeichnet, von dem die Steppen Russlands ehemals bedeckt
waren. Dieser Humus, die Quelle des reichen Bodenwerths
der Ukraine, wo Roggen gebaut wird, ohne jemals der Düngung zu
bedürfen, reicht zuweilen zehn bis fünfzehn Fuss tief17) und kann
daher nicht von der heutigen Vegetation herrühren, sondern ist als
eine Gabe vorweltlicher Pflanzen an die Bewohner Russlands anzusehen.
Der Tschernosem ist dem Baumwuchs ungemein günstig,
und doch ist die Fläche des Landes in den Dnjeprgegenden bis Kiew
schon waldleer, der Ackerbau hört »in der Mitte der Humuszone
auf«lS). Nur in den Sumpfniederungen und in der Tiefe der Fluss-
thäler finden sich die Eichengehölze, gemischt mit wilden Obstbäumen,
aber auch hier sind die Wälder nicht zusammenhängend.
Bei Charkow beginnen sodann auf demselben Humusboden die schattigen,
feuchten Laubwälder der Ukraine und, wie an anderen klimatischen
Baumgrenzen, ist auch hier am Rande der Steppe ein Gürtel
von dichten, niedrigen Gesträuchen eingeschaltet. An der Wolga ist
bei Simbirsk (54°) die Flora noch rein mitteleuropäisch, aber schon
beiSysran (5 3 °) tritt dieser Strom in die Steppe ein *9). Hier hat sich
bereits im Juli das Grün ihrer Gräser in ein falbes Gelb verwandelt,
zu derZeit, wo jenseits ihres Nordrandes die Vegetation in voller
Frische steht und eben ihren Höhenpunkt erreicht hat. An der
Grenze beider Floren genügt ein geringfügiger Schutz gegen die
Sommerdürre, um Baumformen hervorzurufen, eine leise Böschung,
wodurch die Richtung des Windes geändert wird, eine Senkung des
Bodens, die ihn länger feucht erhält. Auch hier strecken sich daher
bald Waldzungen in die Steppe vor, bald dringt die Steppe in den
Wald ein. In den Schluchten des Hügellandes, welches an der
Wolga den Steppenrand bezeichnet, erscheinen die Bäume nicht
völlig ausgewachsen, sondern bilden nur ein kümmerliches Gestrüpp,
welches mit kleinen Sträuchern abwechselt, ausgenommen am Flussufer,
wo aber auch das Weidengebüsch ihnen oft den Raum streitig
macht. Aus allen diesen Beobachtungen ergiebt sich also, dass nicht
der Boden, sondern das Klima den Steppen ein Ziel setzt, und hiedurch
wird die vielbesprochene Frage über die Möglichkeit, sie zu
bewalden, entscheidend erledigt. Denn, wie weit der Sommerpassat
weht, hängt von der ganzen Konfiguration des Kontinents und von
der Lage Afrikas ab, und die durch Bewässerung künstlich gepflegten
Wälder genügen nicht, Niederschläge zu bewirken, welche durch die
allgemeinen Luftströmungen ausgeschlossen sind. Von einer Bewaldung
der Steppen, die nur unter örtlichen Vortheilen des Terrains,
durch Bewässerung eingeleitet, gelingen, aber niemals in weitem
Umfange sich ausbreiten kann, versprach man sich daher irrthümlich
eine erhebliche Steigerung der Hülfsquellen Russlands. Hier kann
nicht, wie in den Haiden der baltischen Ebene, die Entwickelung des
Ackerbaus der Erweiterung der Wälder nachfolgen. Dort ist die
Aufgabe, den Boden durch den Laubabfall zu verbessern, hier ist die
Erdkrume im Bereiche des Tschernosem, der einen grossen Theil
der Grassteppe erfüllt, für den Ackerbau die vortrefflichste, und den
Cerealien fehlt es nur zur geeigneten Zeit an hinreichenden atmosphärischen
Niederschlägen, um sicher zur Reife zu gelangen.
Die reichliche Bewässerung, welche den südrussischen Steppen
durch die Einschnitte grosser Flüsse zu Theil wird. die von dem
Waldgebiet aus dieselben durchströmen, ist die Grundlage ihres
Ackerbaus. Je mehr ihre Gewässer auf dem ganzen Raume von der
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