die Kolonisation am Oregon und in Kalifornien. Der Süden schien
wegen seiner Wärme, die doch nicht höher ist als in Italien, nur
der Negerarbeit zugänglich zu sein: hier werden künftig vielleicht
Entwässerungen und Bodenverbesserungen neue Hülfsquellen eröffnen.
Im Norden aber ist selbst noch jenseits der Süsswasserseen
eine Entwickelung, ähnlich der russischen, zu beiden Seiten der
Rocky Mountains möglich und hat hier und da schon angefangen
sich anzubahnen.
Gestützt auf die Grösse der noch unberührten Räume und auf
die bisherigen, in der Geschichte beispiellosen Erfolge, ist man indessen
doch geneigt, die Zukunft des nordamerikanischen Waldgebiets
zu überschätzen. In solcher Ausdehnung gebirgslose Tiefebenen,
wo das Innere der Erdrinde, die unerschöpfliche Quelle der
Nahrungsstoffe für die Vegetation, durch vulkanische Kräfte nicht
aufgeschlossen ist, versprechen nicht, wie Europa oder China, eine
durch Jahrtausende andauernde Fruchtbarkeit. Es fehlt dem westlichen
Kontinent, dessen entlegene Hochgebirge die Kraft ihrer Flüsse
in den Prairieen oder in nordischen Klimaten vergeuden, an jenen
weithin verzweigten Hebungen, die, gleich den Alpen, wo sie mit der
lombardischen Ebene sich berühren, unmittelbar durch ihr fliessendes
Wasser in den Ackerbau eingreifen. Jetzt ist alles noch neu, unermessliche
Metall- und Kohlenschätze geben dem wachsenden Nationalreichthum
eine Grundlage, wie sie kein Theil der Erde in
gleichem Umfange besitzt. Für eine Reihe von Menschenaltern ist
durch die Waldbäume, die aus einer gewissen Tiefe den Nahrungsstoff
an die Oberfläche führen, der Fortschritt des Ackerbaus ogesichert,
aber es scheint ein Vorurtheil zu meinen, dass die eben
durch die Erhaltung ihrer natürlichen Kräfte bedingte Civilisation
der östlichen Hemisphäre bestimmt sei, dereinst auf die westliche
überzugehen. Es ist nur eine Erweiterung ihres Schauplatzes, gleich
derjenigen, die zu Anfang des Mittelalters im mittleren und nördlichen
Europa eintrat, als sich Völker entwickelten, denen gegenüber
die Bewohner des Südens und des Orients viel mehr durch politische
Zustände gehemmt wurden, als dass die Naturgaben dieser alten
Kulturländer sich erschöpft hätten.
Stellen wir uns das westliche Waldgebiet als ein zweites Europa
vor, so haben wir bei der Vergleichung mit unserem Erdtheil noch
einige klimatische Momente zu berücksichtigen, durch welche die
Wahl der Kulturgewächse zum Theil bedingt ist. Mit der grösseren
Ergiebigkeit der Niederschläge ist es nicht leicht in Einklang zu
bringen, dass der Dampfgehalt der Atmosphäre geringer sein soll
als in Europa. Blodget bemerkt, dass in England durchschnittlich
von einer Wasserfläche weniger verdunstet, als auf dieselbe Regen
herabfällt, in den atlantischen Staaten Nordamerikas sei das Ver-
hältniss umgekehrt. Dies ist nur ein anderer Ausdruck für die
grössere Trockenheit der Luft, welche die Verdunstung der Binnengewässer
beschleunigt, deren Wasserverlust durch die Niederschläge
des ganzen Stromgebiets ersetzt wird. Die Erscheinung hängt offenbar
mit einer allgemeinen Eigenthümlichkeit der Temperaturkurve
in den östlichen Staaten zusammen, deren Werthe, in weit höherem
Grade als in Europa, sprungweise wechseln, in allen Jahrszeiten
oder in noch kürzeren Perioden sich weiter von ihrem Mittel entfernen
und auch grösseren nicht periodischen Gegensätzen unterliegen.
Eine plötzlich eintretende Erniedrigung der Temperatur
reinigt die Atmosphäre von ihrem Wasserdampf, die unmittelbar
folgende Erhöhung beschleunigt die Verdunstung der Wasserflächen.
Beide Erscheinungen, wie auch die grössere Regenmenge der östlichen
Staaten selbst, können von ihrer geographischen Lage abgeleitet,
als eine Wirkung ihrer Umgebungen aufgefasst werden. Ungleiche
Wärmeklimate sind hier einander näher gerückt: eingeschlossen
von zwei Meeren, von den Prairieen und den grossen Siiss-
wasserflächen Kanadas, wenig entlegen sodann von der erkältenden
Hudsonsbai, sind die atlantischen Staaten in ihrer offenen Lage allen
diesen so verschiedenartigen Einflüssen Preis gegeben. Je enger der
Raum ist, auf welchem sich warme und kalte, gemässigte und excessive
Klimate berühren, desto intensiver, desto häufiger wirken sie
auf einander durch die Luftströmungen. Bis die aus Sibirien wehenden
Winde, welche dem westlichen Europa die niedrigsten Temperaturen
zuführen, dieses erreicht haben, hat ihre Kälte sich schon
gemässigt. Da die Quellen der grossen Temperaturänderungen den
atlantischen Staaten so viel näher liegen, erfährt das Klima hier unter
dem Wechsel der Winde von Tage zu Tage, von Woche zu Woche
jene plötzlichen Schwankungen der Wärme, die auf die Vegetation
nicht ohne Einfluss bleiben können.
Die meisten europäischen Kulturgewächse gedeihen indessen in
Nordamerika ebenso wie bei uns. Einigen Kulturen von Gewächsen
aus tropischer Heimath, wie den Orangen, ist der Temperaturwechsel
in dem grössten Theil der südlichen Staaten nachtheilig. Erst in