Ein Baum, den man die Ceder der Insel nannte, gab ein geschätztes,
wohlriechendes Bauholz 9), aber verschwand nach einem grossen
Waldbrand. Im alten Holzwerk der Häuser von Funchal soll man
noch jetzt die Ueberreste nachweisen können : es ist wahrscheinlich
der Wachholder der Azoren gemeint (.Juniperus brevifolia), von dem
man an abgelegenen Orten noch zuweilen grosse Stämme findetIO),
oder vielleicht die kanarische Ceder [J. Cedrus), die einen höhern
Wuchs hat, aber gegenwärtig in Madeira nicht einheimisch ist.
Durch den Anbau ist die untere Region der Insel (o—2000 Fuss)
wenigstens an der Südseite von Wäldern vollends entblösst worden.
Aber die fruchtbare Landschaft, wohlbewässert und kühn zu dem
6000 Fuss hohen Gebirge ansteigend, hat doch den Reiz einer reichen
Vegetation bewahrt, und dieser gewinnt noch dadurch, dass neben
den südeuropäischen auch die meisten tropischen Kulturgewächse
zu erblicken sind. Mit dem Zuckerrohr, das an die Stelle des Weinbaus
trat, als dieser seit dem Jahre 1852 durch die Traubenkrankheit
zu Grunde ging, wird allgemein der Pisang gezogen, tropische
Fruchtbäume sind häufig, aber die Palmen fehlen oder verbergen
sich vereinzelt in Gärten.
Ueberhaupt kommt der Ertrag aller tropischen Kulturen dem in
der heissen Zone nicht gleich, und dies fordert zu einer näheren Vergleichung
ihrer klimatischen Bedingungen auf, wodurch das Verhält-
niss der atlantischen Flora selbst zu der südeuropäischen erst in ihr
wahres Licht gestellt werden kann. Wo Solstitialregenzeiten stattfinden,
fällt der kräftigste Trieb des Pflanzenlebens mit der vortheil-
haftesten Erwärmung zusammen : dies ist die natürliche Grundlage
jeder tropischen Vegetation. In Madeira aber, wo, wie am Mittelmeer,
der Winterregen vorherrscht, beginnt dieser erhöhte Lebensreiz
zu einer Zeit, wo die Wärme im Sinken ist. Die Nachtheile, welche
hieraus entspringenJI), äussern sich zunächst bei den tropischen
Kulturen in der geringeren Ergiebigkeit der Erträge, dann aber bestimmen
sie auch den Charakter der einheimischen Vegetation. Auf
dem Stillstand, dem sie bei abnehmender Wärme in den beiden
letzten Monaten des Jahres ausgesetzt ist, beruht ihre klimatische
Verwandtschaft mit der Flora Südeuropas, aber die grössere Feuchtigkeit
der Luft, eine Folge der oceanischen Lage, giebt ihr zugleich
den Vorzug einer längeren Entwickelungsperiode. Das Klima von
Andalusien ist nach seiner Temperaturkurve und nach dem Zeitmaass
der Niederschläge Madeira am ähnlichsten, aber eine Sommerdürre,
wie dort, kann da nicht eintreten, wo jede Luftströmung über das
Meer weht und das Gebirge in Wolken hüllt. Hiedurch und durch
die Milde des Winters gewinnt die Vegetationszeit in Madeira sogar
eine längere Dauer als in vielen Tropenländern, aber, wie am Mittelmeer,
fällt die kräftigste Entwickelung in den FrühlingIX), nicht in
die Zeit, wo die Sonne am höchsten steht. Je länger nun die Gewebe
fortwachsen können, desto mehr wird die Holzbildung befördert,
und hieraus erklären sich die allgemeinsten Unterschiede der atlantischen
von der Mediterranflora. Den europäischen Stauden stehen
verwandte Arten gegenüber, deren Stengel verholzt und kräftiger
auswächstI2), die immergrünen Holzgewächse von langer Entwickelungsperiode
nehmen überwiegend den Boden ein, und einjährige
Pflanzen von kurzer Lebensdauer sind wohl durch Einwanderung
angesiedelt, aber ursprünglich selten entstanden, weil die Natur
unter den möglichen Bildungen stets die vollendetem herzustellen
strebt, von denen die Vortheile des Klimas am vollständigsten ausgenutzt
werden können. Anscheinend zusammenhangslos vereinigen
sich auch hier die verschiedenen Formen der einheimischen Flora
unter demselben klimatischen Gesichtspunkt, und, sofern ähnliche
Bedingungen sich noch auf manchen andern oceanischen Inseln
wiederholen, zeigen sie zugleich, dass zur Zeit des Ursprungs der
endemischen Vegetation die Stellung ihres Wohngebiets ebenso insular
war wie jetzt, und eben deshalb in seinen Erzeugnissen so
eigenthümlich blieb. Als man die Uebertragung der atlantischen
Pflanzen von einem Archipel zum andern über das Meer ohne genügende
Gründe bezweifelte und gerade hieraus auf ihren einstigen
kontinentalen Zusammenhang durch die Atlantis schloss, wurde unberücksichtigt
gelassen, dass sie durch ihre Organisation nicht einem
kontinentalen, sondern eben einem Insel-Klima angepasst sind.
Ob man den Charakter der endemischen Vegetation von der
klimatischen Analogie mit Südeuropa oder mit der noch näher gelegenen
Küste von Afrika ableiten will, ist ohne Bedeutung, da die
Flora der letzteren in dieser Breite ebenfalls noch dem Mittelmeergebiet
angehört: durch eine Sapotee [Sideroxylon) wird Madeira mit
Marokko verknüpft, wo dieselbe tropische Familie (durch Argania)
vertreten ist. Zu den nach einem bestimmten Typus veränderten
Organisationen der Mediterranflora gesellt sich hier indessen auch
eine dem tropischen Afrika und Asien eigene Vegetationsform, die
Europa fremd ist. Dies ist die atlantische Dracaena (D . Draco), die