bestände wiederum über die verödete Fläche auszubreiten und dadurch
neue Quellen des Wohlstandes zu begründen. Anders verhält
es sich mit den Pussten Ungarns, die zwar auch der Vegetation von
Bäumen klimatisch nicht unzugänglich sind, aber, wie ihre wagerechte
Oberfläche andeutet IQ3), aus einem Landsee hervorgingen,
von dem die Theissniederung zurückblieb und neben dieser ein
Steppenboden, der eine Vegetation von fremdartigem Charakter
aufnahm. In Russland und Sibirien endlich, wo die Bahnen des
fliessenden Wassers viel weniger als im Westen Europas durch die
Kultur geregelt sind, dürfen wir die unbewaldeten Gegenden als
durch den Mangel gleichmässigen Abflusses ursprünglich veranlasst
auffassen: die Formationen des feuchteren Bodens finden wir hier
entweder auf den Wasserscheiden oder im Ueberschwemmungsge-
biete der Flüsse.
Wenn wir die Wälder selbst mit denen anderer Floren vergleichen,
so ist die Reinheit ihrer Bestände die am meisten hervorstechende
Eigenthümlichkeit; eine Mischung verschiedener Baumarten
kommt bei Weitem seltener vor als der einförmige und doch
durch individuelle Gestaltung so malerische Baumschlag des Buchen-,
des Eichen-, des Nadelwaldes. Nur wenn man auch hier in frühere
Zeiten der Erdgeschichte zurückgeht, lässt sich in vielen Fällen ein
säkularer Wechsel des Bestandes erkennen. Wie in Sibirien die Birke
sich nach und nach mehr ausbreiten soll io4) , so ist durch archivalische
Zeugnisse nachgewiesen, dass in Norddeutschland die Nadelhölzer
den Laubwald allmälig zurückgedrängt haben ios) und die Erfahrung
lehrt, dass sie in diesem Kampfe noch jetzt siegreich sind:
am westlichen Harze z. B. ist der Buche allgemein die Fichte gefolgt,
an einigen Orten haben sich beim Abtriebe der letzteren die Ueber-
reste von Eichen in einem Niveau von 2000 Fuss gezeigt, d. h. in
einer Höhe, in welcher dieser Baum gegenwärtig längst nicht mehr
fortkommt. Wird es hiedurch wahrscheinlich, dass säkulare Aende-
rungen des Klimas dem Wechsel der Waldbestände zu Grunde liegen,
so lässt sich derselbe in anderen Fällen von den mineralischen Nährstoffen
im Boden ableiten, von denen der eine Baum diese, der andere
jene Bestandtheile aufsaugt, und, nachdem die ersten erschöpft
sind, die übrig bleibenden einer neuen Vegetation Spielraum genug
lassen, die absterbende zu verdrängen. Was in den Erfahrungen des
Landwirths bei dem Fruchtwechsel einjähriger Kulturpflanzen binnen
kurzer Zeit in die Erscheinung tritt, vollendet sich bei dem Wachsthum
der Bäume im Laufe von Jahrhunderten mit gleicher Gesetzmässigkeit.
Endlich kann aber auch der Wechsel der Forstbestände
nur eine Folge ökonomischer Rücksichten sein, nachdem sie sich
nicht mehr selbst überlassen blieben, sondern künstlich gepflegt
wurden. So ist die ganze Erscheinung ein verwickeltes Problem, das
in jedem Falle sorgsam geprüft werden muss, ehe man eine Aende-
rung klimatischer Bedingungen anzunehmen berechtigt ist. Eine
solche Untersuchung verdanken wir Vaupell Io6), der sich in Bezug
auf die Wälder der dänischen Inseln zu Gunsten veränderter Bodeneinflüsse
entschied. Gerade hier hatte Steenstrup bei seiner Untersuchung
der seeländischen Waldmoore den säkularen Wechsel der
Bäume zuerst in grösserem Umfange nachgewiesen, Vaupell setzte
dessen Beobachtungen fort und fand, dass den heutigen Buchenwäldern
die Birke als herrschender Baum daselbst vorausgegangen
ist, der aber zugleich die Eiche und die gegenwärtig auf Seeland
ganz verschwundene Kiefer beigemischt waren. Wollte man diesen
Wechsel von klimatischen Bedingungen ableiten, so würde auf eine
gewisse Milderung des Klimas aus der Eiche, in noch höherem Grade
aus der Birke zu schliessen sein, insofern die heutige Polargrenze
dieser Bäume als Maassstab des dänischen Klimas in alten Zeiten
gelten dürfte. Allein Vaupell verwirft diese Meinung, die durch die
entgegengesetzten Erfahrungen in Norddeutschland freilich durchaus
nicht unterstützt wird. Es lässt sich indessen doch nicht verkennen,
dass dieselben Aenderungen der Vegetation aus verschiedenen Ursachen
entspringen können, und dass die durch die Abnahme der
Wälder herbeigeführte Milderung des Klimas auch auf die Bestandtheile
ihrer Ueberreste einen rückwirkenden Einfluss ausübt. Lie-
bich IQ7) theilt den historischen Gang der europäischen Bewaldung in
drei grosse Perioden, die der mit der Kultur zunehmenden Lichtung
der Wälder entsprechen: zuerst erzeugten die gedrängten, finsteren
Bestände ein nordisches Klima, wo der Jäger seiner Beute nachging,
wie jetzt in Sibirien und Kanada; dann musste das Baumleben, welches
dem Boden Sonne und Licht absperrte, einer richtig geleiteten
Einschränkung durch den Ackerbau weichen, und es entwickelten
sich die Kulturländer des centralen Europas, bis endlich die übermässige
Verwüstung der Wälder solche Zustände hervorzurufen anfängt,
wie wir sie in Frankreich vor Augen haben, wo die weithin
baumlose Ebene ohne die Nachbarschaft des Meers durch übermässige
Dürre leicht veröden könnte.