Norden keine wesentliche Bedingung für das Vorkommen der Sträu-
cher sei, geht daraus hervor, dass die Chanargebüsche weit über die
Schuttflächen von Mendoza hinübergreifen.
Wo am patagonischen Colorado und Rio Negro die Grassteppe
der Pampas aufhört, beginnt sofort auf den Trümmergesteinen der
Anden, unter denen der Porphyr am häufigsten ist, das zerstreute
niedrige Dorngebüsch sich zu zeigen, wie Darwin sich ausdrückt6), für
den Fremdling zur Warnung, ein so ungastliches Land zu betreten.
Von den Westwinden, die über die Kordillere kommen, beherrscht
ist die Luft in Patagonien ebenso trocken I3) wie der Boden, der das
Wasser nicht zurückhält. Zu Port Désire6) (470 S. B.) wird die
Oede zur Wüste, wo selbst das Dorngestrüpp selten ist und das Gerolle
nur einzelne Büschel eines harten, braunen Grases ernährt.
Welch ein Unterschied, den die Anden bewirken, indem sie die
Regenwinde auffangen, besteht zwischen den immergrünen Wäldern
ihrer pacifischen Abdachung und einer Vegetation, die keinen Humus
bilden konnte ! Baumwuchs scheint in Patag°nien nirgends möglich
zu sein. am Nordrande, in der Nähe des Rio Negro, ist auf der unbegrenzten
Ebene ein einziger, einsamer, kleiner Baum, eine Acacie,
voihanden, für die Eingebornen eine so merkwürdige Erscheinung,
dass sie ihn als ein Heiligthum verehren I4). Hier haben wenigstens
die Flussufer noch besseren Graswuchs und höheres Weidengebüsch.
Am Santa Cruz (5o°S. B.) sah Darwin auch den Rand des fliessenden
Wassers kaum von etwas hellerem Grün belebt. »Der Fluch der Unfruchtbarkeit
liegt auf dem Lande«, sagt er, »und die Gewässer, die
über ein Bett von Gerollen fliessen, theilen diesen Fluch«.
Végétations-Formen und Formationen. Da die allgemeine
Physiognomie der argentinischen Landschaften aus der bisherigen
Darstellung sich bereits ergiebt, so sind nun zur Vervollständigung
jenes Bildes nur noch die herrschenden Bestandtheile der
Vegetation nach ihrer F orm und Anordnung zu beleuchten. Ein
ReisenderI4) nennt die Pampasebenen ein uferloses Meer von Gräsern,
wo das Auge am Horizont keinen Ruhepunkt findet, ausser wo die
Sonne aufgeht und niedersinkt. Es mag wohl keine Steppe auf
der Erde geben, die auf so weiten Räumen so gleichmässig von dem
reinen Grün des Rasens bekleidet wird. Selbst im Winter erschien
im Süden des Salado die Ebene freudig grünend, keine Wiese »könne
einen erfrischenderen Anblick gewähren«. Bei Montevideo7) hat
der Graswuchs dieselbe Höhe wie auf trockenen Wiesenmatten
Europas: jenseits des Parana werden die Büschel in den Pampas
gewöhnlich kniehoch5) und lassen, wie in den russischen Steppen,
überall Lücken kahlen Erdreichs zwischen sich, die indessen bei der
Fernsicht nicht bemerkt werden. Eine Wiese wird durch fliessendes
oder Grund-Wasser gleichmässig getränkt, hier aber muss der Thau
genügen, wenn der Regen ausbleibt, und es bleiben unbewachsene
Zwischenräume unter den Rasen übrig. Wir sind noch nicht von
den Grasarten der Pampas im Einzelnen, sondern nur davon unterrichtet,
dass auch hier die Gruppen mit starren Organen \Stipa} 7)
neben den zarteren und nahrhafteren Gramineen [den Poaceen und
Avenaceen]IS) auftreten, also eine Uebereinstimmung nicht mit den
tropischen Savanen, sondern mit den Steppen unserer Hemisphäre
stattfindet. Auch pflegt man, nachdem die Samen gereift sind und
die Stauden anfangen am Grunde holzig zu werden, die Pampas, wie
die russische Thyrsa, abzubrennen, um das Wachsthum der feineren
Gräser zu befördern.
Die wenigen, einheimischen Stauden, welche die Pampasgräser
zu begleiten pflegen l6), sind nach dem Boden ungleichmässig vertheilt13).
Ihre Seltenheit scheint eine Folge vom Thongehalt der
Alluvionen zu sein, vermuthlich weil ihre Samen in dem erhärtenden
Boden schwer keimen. In Corrientes ist die Grasebene da, wo die
Erdkrume eine sandige Beschaffenheit hat, im Frühling reich mit
farbigen Blüthen geziert, unter denen die kleinen Mimosen und
andere Leguminosen schon die Nähe der Savanen von Paraguay andeuten.
Können aber im Allgemeinen in den Pampas die Kräuter
neben den Rasen bildenden Gräsern zu keiner rechten Ausbreitung
gelangen, so ist dies mit einigen Gewächsen, die aus Südeuropa eingewandert
sind, in um so grösserem Maasse der Fall gewesen und dadurch
das Ansehen der Landschaft oft völlig verändert, der Werth
der Weide wesentlich beeinträchtigt worden. Auf weiten Flächen
haben sich einige Disteln (Cynara, Silybum, Lappa) und eine Doldenpflanze,
der Fenchel [Foeniculum), angesiedelt. Die Artischockendistel
(Cynara Cardunculus) hat auf vielen Quadratmeilen17) den
Graswuchs völlig verdrängt, und sie bildet so undurchdringliche, über
mannshohe Dickichte, dass dadurch, so lange sie in voller Vegetation
stehen, gewisse Landstriche gegen die Raubzüge der Indianer aus
dem Chaco gesichert werden?). Nur in jungem Zustande sind die
Disteln als Futter brauchbar, später machen die Dornen sie werthlos.
und sie sind ein nicht zu beseitigender Nachtheil für das Land. Auf
G r i s e b a c h . Vegetation der Erde. II. 2. Aufl. 28