Breiten Europas die äquatorialen Luftströmungen und ihre Wolken
mit dem heiteren Himmel der Polarströmungen in kurzen Perioden
regellos abwechseln und wie in Folge dessen sich die atmosphärischen
Niederschläge über alle Jahrszeiten vertheilen, so führen auch hier
die westlichen Aequatorialwinde den Wasserdampf vom Meere herbei
und kehren so häufig wieder, dass die Vegetation der Feuchtigkeit
nie zu entbehren hat. Wie auf den Alpen oder an den Küsten Norwegens
häufen sich die Wolken, weil die kalten Gebirgshöhen, mit
ewigem Schnee bedeckt, sich dem dampfbeladenen Winde entgegenstrecken.
So ist Chile das einzige Festland der Südhemisphäre, wo,
wie in Europa, von der subtropischen des Winterregens sich polwärts
eine andere Zone scheidet, die das ganze Jahr hindurch befeuchtet
und bewässert ist.
Da aber hier diese Feuchtigkeit mit einem milderen Winter gepaart
ist, so bewahren die meisten Bäume ihr Laub und die ganze
Küste, selbst jede Insel von Chiloe bis zum äussersten Punkte von
Fuegia, ist mit undurchdringlichem Walde bedeckt1). Ferner unterscheidet
sich dieses antarktische Waldgebiet vom nördlichen Europa
theils dadurch, dass der Winter noch feuchter ist als der Sommer,
theils dass die Niederschläge so massenhaft fallen und die Tage des
Regens und umwölkten Himmels so häufig eintreten, wie es ausserhalb
der Tropenzone sonst nur noch an wenig vereinzelten Orten
vorkommt. In Valdivia (40° S. B.) wurden in einem Jahre 156 Regentage
und ausserdem 70 verzeichnet, an denen die Atmosphäre
bewölkt war2) ; in Puerto Montt (41 y 2° S. B.) betrug nach sechsjährigem
Durchschnitt der Regenfall 96 Zoll3). Die Wälder haben
daher auch eine grössere Aehnlichkeit mit denen tropischer Gebirge
als mit den Tiefländern der gemässigten Nordhemisphäre. Die Südfrüchte,
die im centralen Chile so trefflich gedeihen, reifen hier
nicht1): der Zuckerbildung in der saftigen Frucht ist die Seltenheit
des Sonnenscheins nachtheilig. Das europäische Obst leidet weniger,
und es ist bemerkenswert!!, dass der Apfelbaum sich in dem feuchten
Klima von Concepcion bis Chiloe in der ausgedehntesten Weise verwildernd
angesiedelt hat 4).
Von den südchilenischen Wäldern bis zum Feuerlande nimmt
die Temperatur beträchtlich abs): die Mittelwärme von Valdivia
(400 S. B.) beträgt 90, von Port Famine an der Magellanstrasse
wahrscheinlich 40, 5 R. Es giebt eine Vorstellung von dem klimatischen
Verhältniss der Nord- und Südhemisphäre, dass diese mittleren
Temperaturen mit denen von Paris und Stockholm nahe übereinstimmen,
und dass die entsprechenden Orte im ersteren Falle
zehn, im letzteren sechs Breitengrade näher zum Aequator gelegen
sind. Allein viel wichtiger für die Vegetation ist der geringere Unterschied
der Jahrszeiten. Darwin hat das Klima an der Magellanstrasse
mit dem von Irland verglichen : es ergiebt sich, dass dort der
Sommer etwa um 40 R., der Winter um 2 0 kälter und die Jahreswärme
vielleicht um 3 Grade niedriger steht. An keinem Orte der
europäischen Westküste ist das Seeklima so entschieden ausgebildet
wie hier. In Valdivia beträgt der Wärmeunterschied der entgegengesetzten
Jahrszeiten weniger als 6° R. Nur das kalifornische
Küstengebiet zeigt ähnliche Verhältnisse, aber dort fehlt die andauernde
Feuchtigkeit, und, wo jenseits des Oregon die Regenmenge
gross wird, scheint die Wärme nicht hinreichend, Analogien eines
Tropenwaldes, wie in Valdivia, zu erneuern.
Ungeachtet der gleichmässigen Temperatur, welche der Entwickelung
der Pflanzen zu keiner Jahrszeit eine Schranke zu setzen
scheint, ist doch ein Stillstand der Vegetation während des Winters
schon im südlichen Chile unverkennbar6). Auch da, wo weder Frost
noch Schneefälle eintreten, äusserst sich der Einfluss steigender oder
sinkender Temperaturen auf die Periodicität des Pflanzenlebens.
Der Sommer, welcher in Valparaiso durch seine Dürre die Strömungen
der Säfte zum Stillstand nötliigt, ist schon in Concepcion eine
blüthenreiche Jahrszeit. Dort beginnt im Juli mit dem Winter, hier
erst im September mit dem Frühlingsanfang der Bildungstrieb der
Pflanzen sich zu regen, und die Waldbäume blühen erst zu Ende
Oktober. Dort fällt mit der Regenzeit die Steigerung der Lebenskraft
zusammen, hier entlauben sich die Bäume, die nicht immergrün
sind, gerade zu der Zeit, wo die häufigsten Regen fallen, aber
zugleich die Temperatur im Sinken begriffen ist. Die Vegetationsperiode
hat in diesem Klima eine lange Dauer, aber natürlich verkürzt
sie sich, je weiter man nach Süden kommt.
Hiernach und nach der Höhe der Mitteltemperatur kann man
eine nördliche und südliche Zone der antarktischen Flora unterscheiden,
von denen die erstere noch die Insel Chiloe, die letztere
den Chonos-Archipel in sich fasst 7). In dem nördlichen Abschnitt
(340 bis 440 S. B.) hat der Wald eine grössere Anzahl von Baumarten
aus verschiedenen Familien und die Bambusenform voraus, die
Stämme sind mit Lianen und Epiphyten reichlicher bekleidet: der