uneischöpflichen Mannigfaltigkeit ihrer Arten zu liegen, deren Anzahl
wahrscheinlich grösser ist als bei irgend einem anderen
Pflanzengeschlecht der Erde?2). Die hochwüchsigen Stauden der
Steppe sind dagegen ein Beweis von dem energischen Wachsthum,
welches in einer kurzen Zeit bei angemessener Feuchtigkeit möglich
ist: in den Rhabarberstauden (.Rheum) sehen wir das bekannteste
Beispiel, denen sich grosse Doldenpflanzen [Fenda) , Cynareen
[Echinops], Euphorbien (.E. agraria) und andere ebenbürtig anreihen.
Auch von ihnen überdauern den Sommer nur wenige [Artemisia).
bei den meisten sind die kräftigen, sparrig verzweigten Stengel
ungeachtet beginnender Verholzung zu dieser Zeit schon abgestorben
und liefern in den russischen Steppen das unter dem Namen Burian
bekannte Brennmaterial, das einzige, was man auf dem Tschernosem
benutzen kann 94). y on der Ueppigkeit des Wachsthums auf diesem
Humusboden giebt es eine Vorstellung, dass Blasius die hier zuweilen
angebauten Futtergewächse zu erstaunlichen Grössen, Klee, Luzerne
und Esparsette bis zu 15 Fuss, einzelne Hanfstengel zu mehr als
20 Fuss aufgeschossen sah, unter klimatischen Bedingungen, wo,
wie der Reisende ausdrücklich hinzufügt, doch weder ein mässiger
Strauch noch ein Baum gedeiht. Solchen Erscheinungen, wovon in
Westeuropa nichts Aehnliches vorkommt, lassen sich doch die einheimischen
Stauden des Steppengebiets nicht an die Seite stellen,
am wenigsten auf minder fruchtbarem Boden. Die Frühlingsregen
auf Steppen, auf denen kein grösseres Holzgewächs fortkommt, haben
in Verbindung mit einer an mineralischen Nährstoffen überaus reichen
Erdkrume eine noch grössere Wirkung als die Irrigationen des Lehmbodens
von Buchara: in beiden Fällen ist der üppige Wuchs der
Vegetationsorgane von der steilen Temperaturkurve abzuleiten, und
im ersteren ersetzt der die Feuchtigkeit sammelnde Humus den
geringeren Wasserzufluss.
Ein anderer Unterschied von der Vegetation des kurzen, arktischen
Sommers besteht in der grossen Anzahl einjähriger Kräuter,
die dem hohen Norden fast ganz fehlen, und die in den Steppen
besonders unter den Cruciferen und Chenopodeen Vorkommen. Wenn
auf die Vegetationszeit sogleich Schneefälle mit winterlicher Kälte
folgen, würde die Erhaltung solcher Gewächse, falls die Früchte zuvor
nicht mehr völlig reifen konnten, unmöglich sein. In dem Steppenklima
hingegen bietet der Uebergang zur Dürre nach der Blüthezeit
für die vollkommene Ausbildung des Samens die passendsten Bedino
ungen. Dennoch bleibt hiebei Manches räthselhaft oder doch noch
unaufgeklärt. Wenn wir sehen , dass auch einjährige Chenopodeen
erst spät im Herbste blühen, so scheinen sie doch ebenfalls durch
den Frost gefährdet zu sein. Und unter den Frühlingspflanzen,
deren Früchte bis zum nächsten Jahre ruhen müssen, sind im Orient
und besonders in Persien die Cruciferen durch Mannigfaltigkeit eigen-
thümlicher Bildungen ausgezeichnet, eine Familie, deren Samen
wegen des Gehalts an fettem Oel und auch nach angestellten Versuchen
95) eine längere Dauer der Keimkraft abgesprochen wird.
Indessen beziehen sich diese Versuche nur auf wenige Arten und,
nach den angebauten Oelcruciferen zu schliessen, scheint das fette
Oel in dieser Familie weniger leicht als in anderen Fällen zersetzbar
zu sein.
AlsHeimath von Antilopen und anderen grossen Wiederkäuern,
sowie von den Hufthieren, wurden die Steppen von der Natur schon
zu Weideländern bestimmt. Die Gramineen, auf welche die Heerden
zunächst angewiesen sind, unterscheiden sich von denen der Nachbarländer
nicht so sehr durch ihre Formen als durch deren Anordnung.
An Nahrungswerth stehen sie denen des Waldgebiets dadurch nach,
dass die besseren Gräser zurücktreten, die herrschenden, früh in
Aehren schiessend, dann verdorrend, im Sommer statt nahrhaften
Heus nur gelbliches Stroh zurücklassen. Die Grösse des Raums, den
sie doch nur sehr unvollständig bekleiden, muss den weidenden
Thieren die Armuth des Ertrags ersetzen. Unter den rasenbildenden
Grasformen der gemässigten Zone weichen die Steppengräser
durch starre, oft eingerollte Blätter von den flacher gebauten und
biegsameren der Wiesen des Waldgebiets ab. Zum Theil von ansehnlicher
Grösse, bilden sie einen hohen Rasen und werden dann in
Südrussland Thyrsa genannt [Stipa). Weder als Weide kann die
Thyrsa benutzt noch mit Vortheil gemäht werden 96), weil die harten
Blattspitzen und Grannen das Vieh beschädigen und ihr P'utterwerth
zu gering ist, daher man sie am liebsten wegbrennt, wodurch aber
auch wieder die humose Erdkrume leidet. Dass der Rasen sich bald
in ein so wenig nutzbares Stroh verwandelt, hat darin seinen Grund,
dass die Eiweissstoffe der Blätter zur Zeit der Körnerreife in den
Samen übergehen, um hier, wie bei dem Getraide, für eine neue
Generation aufgespart zu werden. Die Thyrsa entspricht in der Art
ihres Vorkommens dem Espartograse Spaniens, aber die Arten, aus
denen sie besteht 96), finden sich sporadisch auch noch im östlichen