404 X X . Flora der tropischen Anden Südamerikas.
den peruanischen Anden anzutreffen, muss man entweder den Ostabhang
der östlichen Kordilleren hinabsteigen oder die Thäler der
Sierra aufsuchen, welche, die Puna-Region mit tiefen Felswänden
furchend, nach der Tiefebene und zum Meere geöffnet sind. Diesem
Verhältniss verdankt auch im Norden des Aequators, in Neu-Gra-
nada, das Stromgebiet des Magdalena seinen üppigen Tropenwald.
Bis zu den Höhen der Gebirgskämme ist das Hochthal von Bogota
von einer ohne Stillstand grünenden Vegetation bedeckt11), weil die
vom karaibischen Meere thalaufwärts geführten Wasserdünste hier
beständig verdichtet werden: in einem Niveau (8300 Fuss), wo die
Luftwärme (i5°,2) doch noch ebenso hoch steht wie in Lima,
regnet es hier in allen Monaten des Jahrs. Jenseits des Aequators
sind es die Zuflüsse des Amazonenstroms, die den feuchten Winden
bis in das Herz der Anden den Zugang eröffnen. In Ecuador, wo
die beiden Kordilleren einander so nahe rücken, ist durch die gedrängten
Seitenthäler der östlichen Abdachung die Bewaldung über
einen grossen Theil des Landes ausgebreitet. In Peru endlich und
Bolivien gestalten sich die Einschnitte des Hochgebirgs zu jenen
grossen und in die Punaregion weithin eingreifenden Längsthälern
der Sierra und Montana, in denen die Erzeugnisse gemässigter und
heisser Klimate stufenweise verbunden sind und wo die Sitze der Ansiedelung
bald gehäuft zusammenliegen, bald vordem übermächtigen
Urwalde zurückweichen. Von der wüsten Küste aus die hohen Andenpässe
und die weite Puna überschreitend, findet man in diesen
Thälern allein und an der östlichen Abdachung der östlichen Kor-
dillere unerwartet eine verschwenderisch gestaltende Tropennatur.
Lange Solstitialregerizeiten, deren Ertrag durch die Erhebung des
Bodens erhöht wird, sind die Quelle unerschöpflicher Fruchtbarkeit
hart an den Grenzen einer öden Gebirgszone, welche die Verbindung
mit den Küstenstädten und dem Meere erschwert.
Hieraus ergeben sich zugleich auch die Bedingungen der Absonderung
der peruanischen Vegetationscentren und ihrer Vermischung
mit den Nachbarfloren. Während die Erzeugnisse der heissen
Region am Fusse und in den Einschnitten der östlichen Kordillere
allmälig in die der brasilianischen Flora übergehen, enthält der obere
Waldgürtel, den man die Augenbraue (Ce ja ) der Montana nennt
(4700 bis 7500 Fuss), die eigenthümlichsten Gewächse und unter
diesen als merkwürdigste Baumform die Cinchonen. In einer schmalen
Zone über die nach den Tiefebenen geöffneten Abhänge der östlichen
Oestliche Sierra u. Montana. Steppen- u. Wüstenvegetation, 405
Anden von Venezuela bis Bolivien [ 1 1° N. B. bis ig° S. B . ] I2) ausgedehnt,
ist der Cinchonenwald erst durch die Gebirgspässe zugänglich.
Nur die Chinarinden von Neu-Granada (Cinchona lancifolia)
konnte man mittelst des Magdalenenthals zu den Seehäfen befördern:
die Ausfuhr der übrigen Länder wird durch die schwierigen, langen
Wege über die beiden Kordilleren gehemmt, und die von diesen entlegenen
Strassen entfernteren Standorte konnten nicht leicht benutzt
werden. Eine stetigere Versorgung des europäischen Marktes wird
durch die fortschreitende Entwickelung der Amazonas-Schifffahrt
möglich werden.
Vegetationsformen. Nirgends auf der Erde ist es anschaulicher
als auf den Anden, in welchem Maasse die Vegetation von den
Bedingungen der Temperatur und Bewässerung bestimmt wird. Es
war eine der ersten und seinem Naturgemälde der amerikanischen
Tropenländer zu Grunde gelegten Auffassungen Humboldts^), dass
hier, wo das Klima von der höchsten mittleren Luftwärme der Erde
bis zur Schneelinie alle Abstufungen der Temperatur vereinigt, auch
die Vegetationsformen aller Zonen vom Aequator bis zu den Polarländern
in Verbindung treten. Diese Vorstellungen haben indessen
für tropische Flochgebirge eine allgemeine Bedeutung und erleiden
zugleich überall gewisse Einschränkungen, theils durch die gleich-
mässigere Wärme, die dem Unterschiede der Jahrszeiten in höheren
Breiten nicht entspricht, theils durch die eigenartig bildenden Kräfte
der einzelnen Vegetationscentren, welche zum Beispiel den Anden
Mexikos einen Gürtel von Nadelhölzern zugetheilt und ihn denen
Südamerikas in weitem Umfange entzogen haben. Eigenthümlicher
als die vertikale Abstufung der Klimate ist den letzteren die Absonderung
der Vegetationscentren nach Meridiangrenzen, welche,
als Folge ihrer Axenerstreckung, auf der Ungleichheit ihrer Bewässerung
beruht. In den westlichen Anden fehlen, so weit sie den
Regenwinden entzogen sind, fast alle tropischen Pflanzenformen, die
dagegen an den nach Osten geöffneten Abhängen in derselben Ucp-
pigkeit wie in Brasilien entwickelt sind. Auch von den tropischen
Pflanzenfamilien finden wir in den trockenen Klimaten der Anden
nur einzelne, wie die Piperaceen, die Bromeliaceen, spärlich vertreten
: alle diejenigen, die aus Holzgewächsen bestehen oder tropischer
Regenwerthe bedürfen, sind hier ausgeschlossen.
Durch die schwachen oder unregelmässigen Regenzeiten der
westlichen Kordilleren Perus wird die Vegetation nicht viel mehi